Ein Zeichen von Mut
Dieser Wumms hat gesessen: Dass die Große Koalition in der Corona-Krise die Mehrwertsteuer zeitweise zusammenstreicht, hat kaum ein Beobachter erwartet. Die Regierung setzt damit im exportorientierten Deutschland voll auf eine Belebung der Binnenkonjunktur. Auch mit dem Kinderbonus, der Senkung der EEG-Umlage und besseren Abschreibemöglichkeiten wollen Union und SPD den Konsum ankurbeln.
Und es gibt noch mehr Überraschungen, vor allem bei den Dingen, die es nicht in das Paket geschafft haben: Die Koalition hat den Verlockungen und Forderungen mächtiger Lobbyisten widerstehen können. Eine pauschale Abwrackprämie gibt es ebenso wenig wie eine Generalübernahme kommunaler Altschulden. Stattdessen soll die Autoindustrie gezielt für die Zukunft gestärkt werden, Städte und Gemeinden bekommen einen Rettungsschirm.
Ob der Plan der GroKo aufgehen wird, die durch Corona verunsicherten Deutschen zum Konsum zu treiben, ist offen. Doch es ist ein mutiger Schritt – und eine Zäsur: Das krisengeschüttelte und immer wieder totgesagte Zweckbündnis aus Union und SPD findet ausgerechnet im Jahr vor der Bundestagswahl die Kraft, dem Land eine Perspektive zu eröffnen. In weiten Teilen liest sich das Konjunkturpaket auch nicht wie ein Förderprogramm, sondern wie ein zweiter Koalitionsvertrag für einen Endspurt der Regierung. In dem Paket finden sich neben konsumtreibenden Einmalausgaben viele Dinge, die in Deutschlands Zukunft weisen sollen: Die Sozialabgaben sollen gedeckelt, die lange dahindümpelnde Digitalisierung beschleunigt und die längst überfällige Wasserstoffstrategie endlich vorgestellt werden.
Trägt dieses Paket Früchte, könnte Deutschland sogar letztlich gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen. Damit hat Angela Merkel die Chance, im kommenden Jahr ihre vierte Legislatur als Kanzlerin glänzend abzuschließen. Es wäre ein besserer Abschluss als der Start: 2005 begann die Ära Merkel nämlich mit einer doch eher mutlosen Mehrwertsteuererhöhung.
k.wieschemeyer@schwaebische.de