„Korruptionstanz“auf Ibiza
Ex-FPÖ-Chef Strache streitet zu Beginn des Untersuchungsausschusses Vorwürfe ab
GWIEN - Aufgespritzte Lippen, Stupsnase, lange blonde Haare, ein kurzes schimmerndes Kleidchen. „Bist du deppert, die ist schoaf“, lautete das Urteil des ehemaligen FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache über die angebliche russische Oligarchennichte, das aus dem Ibiza-Video überliefert ist. Das Zitat ist mittlerweile eine geflügeltes Wort in Österreich, vor allem, wenn man sich über Strache lustig machen will. Die Bilder des Lockvogels kennt mittlerweile auch jeder in Österreich – die Identität der Schauspielerin ist allerdings noch immer nicht geklärt.
Am Donnerstag begann in Wien der parlamentarische Untersuchungsausschuss zu Ibiza, wie der Skandal rund um die Aussagen von Strache und Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus kurz genannt wird. Es geht um Korruption, verdeckte Parteispenden, Staatsaufträge und eine geplante Übernahme der Kronenzeitung. Strache und Gudenus hatten der mutmaßlichen reichen Russin Gegengeschäfte für politische Willfährigkeit versprochen. Untersuchungsgegenstand des Ausschusses ist offiziell „die mutmaßliche politische Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile“.
Die Veröffentlichung des Ibiza-Videos – es handelte sich um ein verdeckte Aufnahme eines Gesprächs aus dem Juli 2017 – durch die „Süddeutsche Zeitung“und den „Spiegel“hatte am 17. Mai 2019 zum Sturz der damaligen türkis-blauen Regierung in Österreich geführt. Nun soll das Parlament die Causa vollends aufklären.
Am Donnerstag stellte sich Strache in Anzug und mit Maske vor dem Untersuchungsausschuss erneut als Opfer dar. Er betonte, die Aussagen aus dem siebenminütigen Video seien aus dem Kontext gerissen, die „medialen Anschuldigungen“seien falsch. Als er nach Parteispenden gefragt wird, die am Rechnungshof vorbei geschleust wurden, verteidigt er sich: „Ich habe keine rechtswidrigen Angebote gemacht.“Seine Aussage, dass man Parteien auch am Rechnungshof vorbei finanziell unterstützen könne, verteidigte er aber. Er habe lediglich auf die Möglichkeiten hingewiesen, sagte Strache. Zu Spenden an FPÖ-nahe Vereine wollte sich Strache nicht detailliert äußern. Zudem wolle er ohne Einsicht in das siebenstündige Gesamtvideo und alle Akten, „kaum Fragen beantworten“. Er beschuldigte seinen ehemaligen Sicherheitsmann, für die Verleumdungen gegen ihn verantwortlich zu sein.
Vor Strache wurde der Chefredakteur der Wiener Stadtzeitung „Falter“, Florian Klenk, befragt. Als einer von wenigen hat er das siebenstündige Video gesehen und „SZ“und dem „Spiegel“bei den Recherchen geholfen. Er sprach am Donnerstag von einem „Korruptionstanz“, den die Gesprächspartner aufgeführt hätten. Bei dem Video handle sich um eine Mischung aus der legendären österreichischen Fernseh-Polizei-Veräppelung „Kottan ermittelt“und „Pulp Fiction“, sagte der Journalist. Klenk erzählte, Strache habe in dem Video erzählt, ihm seien 20 Millionen Euro geboten worden, falls er bereit sei, aus der Politik auszuscheiden.
Der Untersuchungsausschuss soll in den kommenden Wochen auch klären, ob die FPÖ mithilfe des Glückspielkonzerns Novomatic ihren Kandidaten Peter Sidlo in den Vorstand der teilstaatlichen Casinos Austria installiert hat. Dies könnte zum Schaden der Republik gewesen sein, weil die Neubesetzung des Vorstands Geld kostete. Auch besteht der Verdacht, dass es dafür Gegenleistungen geben hätte sollen – etwa Glückspiellizenzen
für die Novomatic, die die FPÖ in der Regierung durchsetzen wollte. Strache stellte im Ibiza-Video eine Veränderung der Glücksspielgesetze zugunsten des Konzerns Novomatic in Aussicht.
Sicher ist, dass das Finanzministerium im Mai 2019 Sidlos Bestellung unterstützte, obwohl ein Personalberatungsbüro aufgrund der mangelnden Qualifikation des FPÖ-Bezirksrats davon abgeraten hatte. Der Untersuchungsausschuss will schließlich auch Finanzflüsse im Umfeld der FPÖ offenlegen. So hat die Novomatic seit 2018 das FPÖ-nahe „Institut für Sicherheitspolitik“(ISP) finanziert.
Am Freitag sollten eigentlich die Milliardärin Heidi Goess-Horten, der Waffenproduzent Gaston Glock, sowie der Eigentümer des Glückspielkozerns Novomatic, Johann Graf, vor dem Untersuchungsausschuss aussagen. Sie werden von Strache in dem Video als Parteispender genannt. Doch alle drei sagten aus „gesundheitlichen Gründen“ab.
Die Ibiza-Affäre hat das mitteleuropäische Land zweifelsohne verändert. Die rechtspopulistische FPÖ liegt in Umfragen bei 13 Prozent – vor der Veröffentlichung des Videos war sie doppelt so stark gewesen. Die Partei geht noch immer durch ihre bisher größte Krise. Und das Land ist politisch heute zweifelsohne nicht mehr derart weit rechts verortet. Österreich wird nun von einer türkis-grünen Koalition regiert.
Durch den Skandal ist der ehemalige Vizekanzler Strache für die eigene Partei untragbar geworden ist. Einen Tag nach der Veröffentlichung des Videos trat er als FPÖ-Parteichef und Vizekanzler zurück. Heute ist er Obmann einer neuen Partei namens „Team HC Strache – Allianz für Österreich“, die bei den Landtagswahlen in Wien im Herbst antreten will. Strache hat in der Hauptstadt noch immer eine Fanbasis, aber kaum jemand rechnet damit, dass die neue rechtspopulistische Partei zweistellig werden könnte.