Prominente Einmischung
Barack Obama und Trumps ehemaliger Verteidigungsminister Mattis kritisieren den US-Präsidenten
BGarack Obama hat den einfachen Satz schon oft gesagt, bereits als der Hoffnung schürende Präsidentschaftskandidat, der versprach, das Gefangenenlager Guantánamo zu schließen. „So sind wir nicht.“Seither hat er den Satz in schöner Regelmäßigkeit wiederholt, meist in Bezug auf das Gefängnis auf Kuba. Nun, da die seit fünfzig Jahren heftigste Protestwelle durch die USA rollt, sitzt er vor einem Bücherregal in seinem Haus in Kalorama, dem nobelsten Stadtteil Washingtons, und sagt es noch einmal. „This is not who we are.“So sind wir nicht.
„My Brother’s Keeper“, ein Netzwerk von Sozialarbeitern, von ihm selber geknüpft, um jungen Männern mit dunkler Haut bessere Perspektiven zu geben, hat am Mittwochabend eine Videoschalte organisiert. Der Altpräsident spricht von Polizeipraktiken, die sich mit Amerikas moralischem Anspruch nicht unter einen Hut bringen ließen: Es gehe nicht an, jemanden bei einer Festnahme in den Würgegriff zu nehmen, weshalb man es per Gesetz verbieten müsse. Dann spricht er, ohne Donald Trump beim Namen zu nennen, von der Widerstandskultur der Republik.
Wer über die Proteste nach dem Tod George Floyds rede, möge die Entstehungsgeschichte der Vereinigten
Staaten bedenken, mahnt Obama. „Dieses Land wurde auf der Basis von Protesten gegründet. Man nennt das die amerikanische Revolution.“Wann immer das Land seinen Freiheitsidealen einen Schritt nähergekommen sei, sei dies auf eine Weise geschehen, die den Kräften des Status quo nicht behagte. „Wir alle sollten uns bedanken bei Leuten, die bereit sind, friedlich und diszipliniert dort draußen zu sein.“
Noch bemerkenswerter, weil überraschender war, was sich Trump von James Mattis, einem Kriegsveteranen, anhören musste, den er einst zum Superstar verklärte. Mattis war ein ranghoher General und Donald Trumps Verteidigungsminister Es folgte eine schleichende Entfremdung, die im Dezember 2018 in Mattis‘ Rücktritt gipfelte. In seinen Memoiren übte der Ex-General danach zwar Kritik am „America first“des Präsidenten. Dem persönlichen Konflikt ging er allerdings aus dem Weg. Und genau das ändert sich jetzt.
„Donald Trump ist der erste Präsident meines Lebens, der nicht versucht, das amerikanische Volk zu einen, der nicht einmal vorgibt, es zu versuchen“, schreibt er in einem Beitrag
für die Zeitschrift „The Atlantic“. Was man gerade erlebe, sei die Konsequenz von drei Jahren absichtlicher Spaltung, von drei Jahren ohne reife Führung. Als er beim Militär angefangen habe, so Mattis, habe er einen Eid auf die Verfassung geschworen. Niemals habe er sich träumen lassen, dass Soldaten, die denselben Eid abgelegt hätten, befohlen werde, die Verfassungsrechte ihrer Mitbürger zu verletzen. Noch dazu, um dem Commander-in-Chief einen bizarren Fototermin zu ermöglichen.
Worauf Mattis anspielte, brauchte er nicht zu erklären. Es war die Szene vom Montag, als Trump Demonstranten von prügelnden Polizisten aus dem Weg räumen ließ, um vor einer Kirche eine Bibel in die Höhe zu halten. Wie ein Triumphator lief er vom Weißen Haus zu St. John’s Church. Zu seinem Tross gehörten Mark Milley, der Generalstabschef, der Tarnuniform und Wüstenstiefel trug, und Mark Esper, der aktuelle Verteidigungsminister. Zwei Tage darauf erinnerte Milley die Kommandeure der Streitkräfte an die Verfassung, die jedem Amerikaner Redeund Versammlungsfreiheit garantiere. Ob ihn das Gewissen plagte, weil er sich für eine Machtdemonstration hergegeben hatte, ob er einfach zur Beruhigung der Lage beitragen wollte – kein Außenstehender kann es seriös beurteilen.