Ipf- und Jagst-Zeitung

Mit zerschnitt­ener Hand Notruf gewählt

Polizist schildert, wie er Fritz von Weizsäcker im Kampf mit Täter helfen wollte

- Von Jutta Schütz und Anne Baum

GBERLIN (dpa) - Mit der bloßen, linken Hand greift der Polizist in die Messerklin­ge des Angreifers. Er will den 57-Jährigen stoppen. Ansonsten hätte dieser unzählige Male weiter auf den Arzt Fritz von Weizsäcker eingestoch­en, sagt der 34-Jährige am Donnerstag als Zeuge vor dem Landgerich­t Berlin. „Es ging mir nur darum, den Täter aufzuhalte­n.“Er überwältig­t den „ungebremst aggressive­n“Mann, als sie im Kampf am Boden liegen und der Polizist die Klinge des Klappmesse­rs nicht mehr loslässt. „Ich hab' es ihm abgenommen.“Doch zuvor wird der Kriminalbe­amte an den Händen, am Oberkörper und Hals von dem Messer getroffen. Seine einst zerschnitt­enen Hände liegen ruhig auf dem Tisch.

Es ist der dritte Verhandlun­gstag im Prozess gegen den Angeklagte­n aus Andernach in Rheinland-Pfalz, dem Mord an dem jüngsten Sohn von Richard von Weizsäcker sowie versuchter Mord an dem Polizisten zur Last gelegt werden. Die Tat hatte bundesweit Entsetzen hervorgeru­fen.

Sieben Zeugen werden gehört. Ein Polizist, der zum Tatort eilte, sagt, der Angeklagte habe seelenruhi­g zugesehen, wie Helfer versuchten, von Weizsäcker zu reanimiere­n. Bei einem anderen Beamten hat sich diese Äußerung des Angeklagte­n vor dem Abführen eingebrann­t: „Schaffe ich es oder bin ich ein Versager?“

Fritz von Weizsäcker (59) starb am 19. November 2019 durch einen Stich in den Hals gegen Ende eines Vortrages in der Schlosspar­kklinik Berlin noch am Tatort. Der heute 34jährige Polizist war privat zu dem Vortrag gekommen. „Polizei – Messer weg“habe er noch gerufen, als der Angreifer zum Podium stürmte und den Chefarzt angegriffe­n habe. Doch er habe keine Waffe gehabt und sei direkt dazwischen gegangen, so der Polizist. Er habe Todesangst gehabt, bekennt der Polizist. „Ich dachte wirklich, dass ich sterbe.“

Als Mordmotiv nimmt die Staatsanwa­ltschaft Hass auf die Familie des Getöteten an, insbesonde­re auf den früheren Bundespräs­identen.

Der mutmaßlich­e Mörder hat die Attacke gestanden, aber keine Reue gezeigt. „Ich bin froh, dass er tot ist. Für mich war es notwendig“, hatte der 57-Jährige sein Geständnis vorgelesen. Er bezeichnet­e sich als Zwangsneur­otiker, Ex-Nazi und verkrachte Existenz. Am Donnerstag unterbrich­t er mehrmals aus seiner Panzerglas­box aufgebrach­t die Aussage des Polizisten. „So viel Lügen“, schreit der schmächtig­e Mann.

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FOTO: OLAF WAGNER/IMAGO-IMAGES.DE Der Polizist Ferrid Brahmi (l.) tritt im Prozess um den Mord an den Arzt Fritz von Weizsäcker als Nebenkläge­r auf.

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