Ipf- und Jagst-Zeitung

Versäumnis­se im Fall Greta

Mehrere Kitas und die Staatsanwa­ltschaft haben wohl Meldepflic­hten zu früheren Vorfällen verletzt

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DÜSSELDORF/VIERSEN (dpa) - Im Fall des mutmaßlich von einer Erzieherin ermordeten Kita-Mädchens Greta (3) kommen immer mehr Versäumnis­se ans Licht. In gleich drei Kitas, in denen die 25-jährige tatverdäch­tige Frau zuvor gearbeitet hatte, hat es Notfälle und Notarztein­sätze gegeben. Doch keiner der Träger habe dem Landesjuge­ndamt die bei solchen Vorkommnis­sen üblichen Pflichtmel­dungen geschickt, sagte der Leiter des LVR-Landesjuge­ndamts, Lorenz Bahr, am Donnerstag in einer Sondersitz­ung des Familienau­sschusses im nordrhein-westfälisc­hen Landtag.

Zuvor hatte bereits die Staatsanwa­ltschaft Kleve eingeräumt, bei vorangegan­genen älteren Ermittlung­en wegen Vortäusche­ns einer Straftat Erkenntnis­se zur psychische­n Verfassung der Kindergärt­nerin nicht wie vorgeschri­eben an das Jugendamt weitergele­itet zu haben.

Hätten die Meldungen dem Landesjuge­ndamt vorgelegen, hätte es die Chance gegeben, regionale Zusammenhä­nge zu erkennen und auf die Fälle zu reagieren, sagte Bahr. Es werde nun geprüft, ob die Kita-Träger ihre Meldepflic­hten verletzt hätten. „Die Meldungen, die hier vorgesehen waren, sind nicht erfolgt.“Die Häufung der Fälle wäre dem Landesjuge­ndamt nach Worten Bahrs „wahrschein­lich aufgefalle­n“.

Allein in einer Einrichtun­g in Kempen, wo die verdächtig­e Frau von August 2018 bis Juli 2019 beschäftig­t gewesen war, habe es in der Zeit vier Notarztein­sätze gegeben. Immer war dasselbe Kind betroffen, sagte Bahr. Inzwischen steht ein weiterer Verdacht im Raum, dass die 25jährige Erzieherin für Verletzung­en auch bei einem zweiten Kind in der Kita verantwort­lich sein könnte. Das sagte eine Sprecherin der Polizei Mönchengla­dbach am Donnerstag. Dies werde zur Zeit ermittelt. In dem Fall habe das Kind „oberflächl­iche Verletzung­en“erlitten und keine

temproblem­e gehabt. Die Eltern des Kindes hätten sich bei der Polizei gemeldet.

Die dreijährig­e Greta war am 21. April von einem Notarzt wegen Atemstills­tands aus dem Kindergart­en in Viersen ins Krankenhau­s gebracht worden. Am 4. Mai starb das

Kind dort. Rechtsmedi­ziner fanden Spuren, die auf Gewalteinw­irkung hindeutete­n.

NRW-Familienmi­nister Joachim Stamp (FDP) forderte in der Sitzung die komplette Aufklärung des Todes des Mädchens und mehr Sensibilit­ät der Behörden für Kindeswohl­gefährdung­en. „Es ist wohl das Grauenhaft­este, was einer Familie widerfahre­n kann“, sagte Stamp. Nicht nur die Tat müsse „lückenlos und transparen­t“aufgeklärt werden, sondern es müssten auch Defizite beim Erkennen von Kindeswohl­gefährdung­en aufgearbei­tet werden. „Hier hat es erkennbar Versagen gegeben.“

 ?? FOTO: BERND THISSEN/DPA ?? Bemalte Steine und Kerzen liegen vor dem Eingang einer Kindertage­sstätte in Viersen (NRW): Nach dem gewaltsame­n Tod der dreijährig­en Greta hat die Staatsanwa­ltschaft Kleve einen Fehler eingeräumt.
FOTO: BERND THISSEN/DPA Bemalte Steine und Kerzen liegen vor dem Eingang einer Kindertage­sstätte in Viersen (NRW): Nach dem gewaltsame­n Tod der dreijährig­en Greta hat die Staatsanwa­ltschaft Kleve einen Fehler eingeräumt.

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