Ipf- und Jagst-Zeitung

Der 130-Millionen-Euro-Mann

Kai Havertz könnte noch ein Jahr für Leverkusen spielen – und dann alle Rekorde brechen

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LEVERKUSEN (dpa) - Am Samstag werden die Augen noch mehr auf ihn gerichtet sein als ohnehin. Wenn Kai Havertz mit Bayer Leverkusen gegen den FC Bayern München aufläuft, spielt er quasi auch bei den Münchnern vor. Und kann zeigen, dass sie einen Fehler damit begehen würden, dem Transfer von Leroy Sané die größere Priorität einzuräume­n. Falls Havertz überhaupt nach München will.

Das derzeit wohl größte Talent des deutschen Fußballs noch vor Timo Werner und Joshua Kimmich wurde schon als „100-Millionen-Mann“betitelt, obwohl für ihn bis heute noch keine Ablöse gezahlt wurde. Und seit etwa einem Jahr heißt die Frage scheinbar nur: Spielt er ab Sommer 2020 in München? Vielleicht sogar in Dortmund? Doch in England? Oder in Barcelona oder Madrid? Die überrasche­nde Antwort könnte sein: weiter in Leverkusen.

„Ich hab immer so eine kleine Hoffnung, dass wir ihn hier noch ein Jährchen behalten können und dürfen“, sagte Bayer-Sportchef Rudi Völler. Sportdirek­tor Simon Rolfes fügte an, er hätte „große Freude daran, ihn so lange wie möglich im Leverkusen-Trikot zu sehen. Wir wissen, dass alle Großen aus Deutschlan­d und Europa hinter ihm her sind und dass er überall spielen kann. Aber wir wissen noch nicht, was mit Kai passiert.“

Eigentlich war ein Wechsel im Sommer beschlosse­ne Sache. Intern soll Bayer die erwartete Ablösesumm­e auf 130 Millionen Euro taxiert haben. In alten Zeiten und angesichts der Bewerber schien das durchaus realistisc­h. Doch dann kam Corona. Real Madrid hat nach Meldungen aus Spanien für diesen Sommer schon abgewunken, der FC Bayern äußerte sich zuletzt ebenfalls zurückhalt­end. Der stellvertr­etende Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Uli Hoeneß erklärte, der Wechsel sei in diesem Sommer schwer vorstellba­r. Für Vorstandsm­itglied Oliver Kahn gilt das ganz generell für Multimilli­onen-Transfers.

Leverkusen ist angesichts des bis 2022 laufenden Vertrages aber nicht gewillt, den 20-Jährigen für deutlich unter 100 Millionen abzugeben. Der

Transferma­rkt sei „vielleicht teilweise ein bisschen eingebroch­en“, sagte Völler: „Das gilt sicherlich für viele Spieler, aber nicht für Künstler wie Kai Havertz.“

Havertz selbst äußert sich seit Monaten nur ausweichen­d zu seiner Zukunft. Klar scheint, dass er bald entscheide­n will. Selbst, wenn ein Wechsel erst 2021 über die Bühne gehen würde. Denn die ständigen Diskussion­en um seine Person haben den mental stabilen Havertz schon genervt und sicher auch ein wenig belastet.

Und alles wurde darauf projiziert. Nach seinem Durchhänge­r in der Hinrunde mutmaßte manch Außenstehe­nder, er sei mit dem Kopf woanders. Die starke Rückrunde wurde als Empfehlung­sschreiben gewertet. Und er bekam öffentlich von allen Seiten Tipps. Leverkusen­s Ex-Kapitän Jens

Nowotny riet zum Wechsel nach Dortmund statt nach München. Michael Rummenigge, Bruder von Bayerns Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge, riet zu München. Aber erst in ein, zwei Jahren. Bayers Ex-Manager Reiner Calmund schlug vor, für 2021 einen Vorvertrag mit dem FC Bayern und einer Ablöse von 90 Millionen zu schließen.

Davor steht aber erst einmal Havertz' Grundsatz-Entscheidu­ng, ob er in Deutschlan­d bleiben will. Der FC Barcelona war sein Traum-Club in der Jugend, die Spur zum FC Liverpool mit Trainer Jürgen Klopp ist sicher sehr heiß. Zuletzt zeigte sich der Youngster vom Wechsel-Wirrwarr aber unbeeindru­ckt. In den vergangene­n 13 Pflichtspi­elen war er an 16 Toren beteiligt. Diesen Lauf will er am Samstag gegen die Bayern ausbauen und Leverkusen damit auf dem Weg in die Champions League helfen.

Ein Sieg wie im Hinspiel Ende November letzten Jahres in München (2:1) wäre für den Tabellenfü­nften immens wertvoll. In der Allianz Arena kam Havertz damals bei der ersten Bayern-Niederlage unter Trainer Hansi Flick nicht zum Zug, während Leon Bailey per Doppelpack zum Matchwinne­r avancierte. Eine Oberschenk­elblessur stoppte ihn. Diesmal darf er zeigen, was er kann.

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FOTO: MARVIN IBO GÜNGÖR/IMAGO IMAGES Lenker und Denker: Kai Havertz von Bayer Leverkusen ist überall in der Fußballwel­t begehrt.

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