Sorge vor Fischgehegen im Bodensee
SPD sieht in Felchenzucht in Langenargen den Grundstock für Aquakulturen im See
GSTUTTGART - Sollen Fische in Netzen im Bodensee gezüchtet werden? Seit Jahren schwelt um diese Frage ein Streit, der regelmäßig aufflammt. Für die SPD besteht kein Zweifel: In der Fischzuchtanstalt in Langenargen würden Felchen gezüchtet, die später in Aquakulturen im Bodensee landen sollen. „Die Vorbereitungen des Ministeriums dienen der Aquakultur im See“, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Reinhold Gall der „Schwäbischen Zeitung“. Noch fehlt dafür aber die rechtliche Grundlage.
Seit Jahren sinkt der Ertrag der Bodenseefischer massiv. Martin Meichle will seine Existenz deshalb durch Netzgehege im Bodensee sichern. Der Fischer aus Hagnau hat mit Gleichgesinnten dafür vor Jahren die Genossenschaft „Regio Bodensee Fisch“gegründet. Seitdem erfährt er massiven Gegenwind: Der Verband Badischer Berufsfischer spricht sich etwa für ein gesetzliches Verbot aus. Eine Regelung gibt es bereits: Laut Bodensee-Richtlinien der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) sind Netzgehege-Anlagen im Bodensee und seinen Zuflüssen nicht zugelassen. Gut so, finden Umweltund Naturschützer. Sie befürchten unter anderem, dass Krankheiten von den Zuchtfischen auf ihre wild lebenden Artgenossen übertragen werden. Wasserversorger sorgen sich derweil um die Qualität des Trinkwasserspeichers Bodensee.
Dennoch hat Meichles Genossenschaft im vergangenen Herbst einen Antragsentwurf beim zuständigen Landratsamt in Konstanz eingereicht. Angedacht sind vier Netzgehege in einer Tiefe von 30 Metern. „Wir haben gewisse Dinge besprochen“, sagt Meichle zum Austausch mit dem Landratsamt. Eine Sprecherin des Amts erklärt, dass seitdem kein formeller Antrag eingereicht worden sei. Im Herbst habe man der Genossenschaft erklärt, was dazu nötig wäre: Es brauche Gutachten und Modellierungen, die belegten, „dass durch die Anlage und ihren Betrieb keine negativen Auswirkungen auf das Gewässer und seine Lebensgemeinschaften und auf andere öffentlichen Belange und Nutzungen (z. B. öffentliche Trinkwasserversorgungen, öffentliche Bäder) zu erwarten sind“.
Die Sprecherin verweist zudem auf das bestehende Verbot solcher Aquakulturen. „Neben der aufwendigen Optimierung der Antragsunterlagen muss sich die Genossenschaft daher vor allem überlegen, ob unter diesen rechtlichen Rahmenbedingungen
eine Antragstellung überhaupt sinnvoll ist“, erklärt sie. Martin Meichle spricht davon, dass derzeit alles unsicher“sei. Die Corona-Pandemie habe den Umsatz der Gastronomie, die er mit Fisch beliefere, um 80 Prozent einbrechen lassen. „Es steht alles in den Sternen. Jetzt geht es erst mal darum, den Betrieb zu retten.“
Die oppositionelle SPD im Landtag befürchtet, dass das Agrarministerium unterdessen in der Fischbrutanstalt in Langenargen die Grundlage für Aquakulturen schaffe. Sie hat dazu Fragen an Agrarminister Peter Hauk (CDU) gestellt. In den Antworten, die der „Schwäbischen Zeitung“vorliegen, erklärt Hauk als Ziel des Projekts, einen Elterntierstamm von Sandfelchen für eine mögliche Zucht bereitzustellen. „Ohne einen solchen Elterntierstamm würden sonst ggf. erst Jahre nach der Genehmigung einer Felchenerzeugung in Aquakultur an Land oder im See Elterntiere für Felchen mit Bodenseegenetik zur
Verfügung stehen.“Das Projekt ende dann, wenn die Tiere an einen Betreiber einer Aquakulturanlage abgegeben werden könnten oder kein realistischer Bedarf mehr erkennbar sei. Konkrete Gespräche habe es dazu bisher aber nicht gegeben. Auch wolle sich das Land an Aquakulturen im See nicht beteiligen.
Die SPD äußert Zweifel. „Nach wie vor bereitet Hauks Ministerium die Aquakultur vor“, betont Reinhold Gall. „Offenbar spekuliert das CDU-Ministerium darauf, seinem Ziel nach der Landtagswahl in einer neuen Regierungskonstellation näherzukommen.“Die grün-schwarze Landesregierung unternehme viel zu wenig, um das Misstrauen der Bodenseefischer abzubauen. „Wir fordern den Umweltminister und den Landwirtschaftsminister auf, eine klare Position gegen Aquakultur im Bodensee zu beziehen, anstatt diese heimlich vorzubereiten“, so Gall.
Ein Sprecher von Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) wiederholt die Skepsis gegenüber Netzgehegen im Bodensee. „Wir sehen Aquakulturen nach wie vor kritisch.“
Skeptisch äußert sich auch das bayerische Landwirtschaftsministerium – vor allem mit Blick auf den Bodensee als Trinkwasserlieferant für vier Millionen Menschen. „Aus unserer Sicht kann der Aufbau und der Betrieb einer Netzgehege-Aquakultur nur zusammen mit den aktiven Seefischern funktionieren“, erklärt eine Sprecherin von Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) in München.
Und diese sind strikt gegen Fischzucht im See, betont Roland Stohr aus Wasserburg, Vorsitzender der Genossenschaft Bayerischer Bodenseeberufsfischer. „Wir haben ein bisschen Bedenken, dass dem Kind ein anderer Namen gegeben wird und eine Art Forschungsprojekt mit Aquakulturen gestartet wird.“Das dürfe auf keinen Fall passieren, sagt Stohr und betont: „Wehret den Anfängen!“