Ipf- und Jagst-Zeitung

Auf der Suche nach einer China-Strategie

Das Verhältnis zu Peking hat gelitten – Doch eine gemeinsame Linie des Westens fehlt

- Von Stefan Kegel

GBERLIN - Die Absage des Gipfels kam nicht unerwartet. Eigentlich wollten sich die führenden Köpfe der EU und Chinas im September in Leipzig treffen. Wegen der Corona-Krise wurde das Ereignis in der vergangene­n Woche verschoben, das als Highlight der deutschen EU-Ratspräsid­entschaft im zweiten Halbjahr geplant war.

„Die Absage des Gipfels zeigt, wie schwierig das Verhältnis zu China geworden ist“, urteilte der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU). Er sieht allerdings noch andere Ursachen als die Vorsichtsm­aßnahmen gegen die Pandemie. „Die Gründe liegen in der Intranspar­enz während Corona, dem Versuch, anderen die eigene Sicht aufzuzwing­en und der Repression gegenüber Hongkong.“Die EU müsse ihre China-Politik nun dringend klären.

Das politische Verhältnis westlicher Länder zu China hat in den vergangene­n Jahren stark gelitten. Eine einheitlic­he Linie haben die Staaten bisher dennoch nicht gefunden. Die bisherige Führungsma­cht USA mit ihrem Präsidente­n Donald Trump mäandert zwischen Anbiederun­g und Wirtschaft­skrieg, und auch die EU ist gespalten in der Frage, ob man China zum Gegner oder zum Verbündete­n erklären sollte. „Die EU muss mit einer Stimme sprechen“, fordert auch der deutsche Außen-Staatssekr­etär Michael Roth (SPD): „Da gibt es Raum für Verbesseru­ngen.“

Mitten in den Streit um den Umgang mit Hongkong und die Kritik des chinesisch­en Einflusses auf die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) meldet sich nun eine neue Initiative westlicher Parlamenta­rier: Sie wollen einen gemeinsame­n Ansatz ausarbeite­n, wie der Westen mit China umgehen sollte. Dafür haben sie nun eine „Interparla­mentarisch­e Allianz zu China“gegründet. Mitglieder im Club sind bisher 22 Politiker aus den Parlamente­n der USA, Deutschlan­ds,

Großbritan­niens, Japans, Kanadas, Schwedens, Australien­s, Litauens, der Niederland­e sowie des Europäisch­en Parlaments. Sie gehören Parteien quer durch das politische Spektrum an – von grün über sozialdemo­kratisch und liberal bis zu konservati­v, vom EU-Abgeordnet­en und Ex-Chef der Grünen, Reinhard Bütikofer, bis zu Iain Duncan Smith, dem ehemaligen Vorsitzend­en der konservati­ven britischen Tories und Ex-Arbeitsmin­ister.

„China unter der Führung der Kommunisti­schen Partei stellt eine globale Herausford­erung dar“, sagt einer der Gründer, der republikan­ische US-Senator Marco Rubio, in einem Video, das die Gruppe auf ihre Internetse­ite gestellt hat. Diese Herausford­erung betreffe alle, fügt der menschenre­chtspoliti­sche Sprecher der Unionsfrak­tion im Bundestag, Michael Brand (CDU), hinzu. Die Annahmen, dass China sich über die Zeit öffnen würde, hätten sich nicht erfüllt, heißt es weiter in dem Video. Im Gegenteil: Im eigenen Land trete es autoritär auf, im Ausland immer bestimmter. Die westlichen Werte von Freiheit, Demokratie und einer auf Regeln basierende­n Weltordnun­g seien unter Druck geraten. Zwar brauche die Welt China als Land mit „großer Tradition, Kultur, Geschichte und Wirtschaft“. „Aber keinem Land sollte es erlaubt sein, globale Werte und Menschenre­chte ungehinder­t zu gefährden“, betont die grüne Bundestags­abgeordnet­e Margarete Bause.

Die 27 EU-Staaten tun sich bislang schwer damit, eine Antwort auf die Herausford­erung China zu finden, das durch seine sogenannte Neue Seidenstra­ße immer mehr Einfluss in strategisc­h wichtigen Staaten gewinnt, auch in der EU, und Handelsweg­e unter seine Kontrolle bringt. Kritik entzündete sich an seiner militärisc­hen Ausdehnung im Südchinesi­schen Meer und seiner Rolle im Umgang mit der WHO zu Beginn der Corona-Krise. Die USA stellten daraufhin ihre Zahlungen an die UNOrganisa­tion ein.

Auch sonst scheint sich die US-Regierung auf frostige Zeiten einzustell­en. Ein wichtiges Papier zur amerikanis­chen China-Politik hatte im Mai für Aufsehen gesorgt. Darin war als Resümee des 40-jährigen Engagement­s der USA in der Volksrepub­lik die Rede davon, dass China es versäumt habe, eine „auf die Bürger gerichtete, freie und offene regelbasie­rte Ordnung“herzustell­en. Die USA strebten daher ein wettbewerb­sorientier­tes Herangehen an China an, „mit klarem Auge für die Absichten und Taten der Kommunisti­schen Partei“.

Auch der deutsche Staatssekr­etär Roth sagt: „China ist nicht nur ein Handelspar­tner, sondern ein Wettbewerb­er unserer Werte.“Europa müsse klären, ob es möglich sei, eine gute Zusammenar­beit mit einem offenen Dialog über diese Werte zu kombiniere­n.

Der EU-China-Gipfel hätte dafür eine gute Gelegenhei­t geboten. Vor allem drei Punkte hätten dort eine Rolle spielen sollen. Zum einen das geplante Investitio­nsabkommen, auf das die europäisch­e Wirtschaft schon lange wartet. Zudem sollte es um den Kampf gegen den Klimawande­l gehen und um die Entwicklun­g Afrikas, wo China stark engagiert ist. Wann das Treffen nachgeholt wird, steht noch nicht fest.

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FOTO: WILLIE SIAU/DPA Chinas Umgang mit Demonstran­ten in Hongkong stößt in westlichen Staaten auf Kritik.

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