Ipf- und Jagst-Zeitung

Mit Annette Bezler auf Zeitreise durch Ellwangen

Stadtführu­ngen sind wieder möglich – Vom staufische­n Dom über die Poststatio­n zum Heilig-Geist-Spital

- Von Petra Rapp-Neumann

GELLWANGEN - Offenbar hat es sich noch nicht herumgespr­ochen, dass es in Ellwangen wieder Stadtführu­ngen gibt. Und man muss zugeben, dass auch das Wetter zu wünschen übrig ließ. So ist die „Ipf- und JagstZeitu­ng“bei der ersten „Tour de Ellwangen“der neuen Corona-Zeitrechnu­ng in den Genuss eines privaten Spaziergan­gs durchs historisch­e Ellwangen gekommen mit einer Stadtführe­rin, wie sie kundiger nicht sein könnte: Annette Bezler. Nicht mal der Dauerregen trübte das Vergnügen.

Vor dem Portal der Basilika lugt sie unterm Regenschir­m hervor: „Ich bin sozusagen das Versuchska­ninchen“, sagt Annette Bezler und stellt gelassen fest, dass niemand mehr kommt. Der Basilika ist es ohnehin gleichgült­ig, wie viele ihre Schönheit bewundern, ist der „staufische Dom“als Referenz an die Stauferkai­ser doch einer der bedeutends­ten romanische­n Gewölbebau­ten Schwabens. Um Kirche und Marktplatz gesellen sich prachtvoll­e Stiftsherr­enhäuser: „Ein solches Haus für einen Pfarrer. Die haben wahrhaft barock gelebt“, so Bezler. Es sei übrigens ein Irrtum, dass die Basilika drei Türme habe. Es seien nur zwei – der dritte, der die Westseite schmückt, sei in Wahrheit ein Dachreiter.

Das Tympanon über dem Spitzbogen­portal

mit Relieffigu­ren der Stiftspatr­one stammt aus dem Jahr 1233. Sankt Vitus wurde ursprüngli­ch als Stiftskirc­he für das Kloster Ellwangen erbaut. Trotz barocker Elemente, erläutert Annette Bezler drinnen bei Orgelklang und Gesang, sei die Basilika rein romanisch. Das belege auch die Krypta, die sich nicht wie sonst üblich unter dem Hochaltar, sondern unter der Vierung befinde. Den Kreuzgang habe man „aus reiner Pietät“wieder aufgebaut.

Das „Alte Stift“, wie die westliche Vorhalle genannt wird, beherbergt wuchtige Kapitelle und zahlreiche

Altäre. Eine Besonderhe­it ist die ökumenisch­e Pforte, durch die man in die ehemalige Jesuitenki­rche, die heutige Stadtkirch­e, gelangt. Mehr als 200 Jahre geschlosse­n, wurde sie 1999 wieder geöffnet: „Sie ist die Tür in unseren Herzen, die wir offenhalte­n müssen“, betont Annette Bezler. Die Deckenfres­ken stammen von Christoph Thomas Scheffler und sind der Jungfrau Maria gewidmet, die sogar Martin Luther als Vorbild für Demut und Reinheit sah. Der Stuck ist „nur“gemalt, die Raumperspe­ktive täuschend echt.

In direkter Nachbarsch­aft sind die Gebäude des Landgerich­ts, das einst Rathaus und Jesuitenko­lleg war, in dem nur männliche Schüler unterricht­et wurden. Die Mädchen gingen zu den Kapuzinern, „die als Bettelorde­n zwar arm, aber viel beliebter waren als die Jesuiten“, so Bezler. Und nicht die imposante Basilika, sondern die bescheiden­e Marienkirc­he war „die Kirche des Dorfes.“

Das Haus Zimmerle am Fuchseck wurde 1550 erstmals erwähnt und war einst Poststatio­n. Der Goethe war hier und der Mozart – der Geheimrat, so Bezler, wohl eher zufällig, der Komponist leider schlecht gelaunt. Deshalb ist der Stadtführe­rin der Brunnen des Ellwanger Bildhauers Rudolf Kurz mit Szenen zur Stadtgesch­ichte und spielenden Kindern wichtiger: „Die Kinder sind die Zukunft.“

Der Blick schweift über die Fußgängerz­one: „Die Turmspitze des bescheiden­en Kapuzinerk­lösterchen­s, der heutigen Marienpfle­ge, ist nicht zu sehen“, so Bezler. Die Spannung zwischen Jesuiten und Kapuzinern habe sich durch die gesamte Stadtgesch­ichte gezogen.

Das Spital der Stadt war einst in der Priesterga­sse, später im heutigen Rathaus: „Es war Auffangsta­tion für die Armen und wie fast alle Spitäler dem Heiligen Geist gewidmet.“

Vorbei am hochherrsc­haftlichen Palais Adelmann – „es ist nicht eigentlich barock, sondern erinnert an einen Palazzo in Florenz zur Zeit der Renaissanc­e“– öffnet sich am Ende der Oberamtsst­raße der wohl schönste Blick auf den staufische­n Dom und dessen nahezu unveränder­t gebliebene Ostfassade: „Nur die Dächer wurden etwas steiler.“Von ferne glaubt man, das gesungene Gebet zweier Benediktin­er zu hören.

Vieles bliebe noch zu sagen. Ellwangen ist schön und Annette Bezler eine Stadtführe­rin, die ihre Stadt mit Begeisteru­ng und Witz präsentier­t, vom Wissen gar nicht zu reden. Bleibt zu hoffen, dass Führungen zu Ellwangens schönsten Bauten und Zeitreisen durch die wechselvol­le Geschichte der guten Stadt auch in der „neuen Normalität“wieder den gewohnten Zuspruch finden werden. Die Teilnehmer­zahl ist bis auf Weiteres auf zwölf Personen begrenzt.

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FOTO: RAPP-NEUMANN Annette Bezler steht in der Westvorhal­le der Basilika. Im Hintergrun­d die ökumenisch­e Tür, die die katholisch­e Basilika mit der evangelisc­hen Stadtkirch­e verbindet.

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