Der Ruf des letzten Mannes
Heidenheim verpasst in Hannover nach enttäuschender Halbzeit Sprung auf Platz drei
GHANNOVER - Zwischen der 89. und der 95. Minute hätte noch viel passieren können in der fast verlassenen HDI Arena in Hannover. Kevin Müller, Torwart des 1. FC Heidenheim, stand mutterseelenallein in der Mitte seiner Spielhälfte und wenn er da nicht ohnehin als Einziger gestanden hätte, wäre er mit seinem neongelben Trikot aufgefallen. In der 89. Minute rief er, bei diesen Geisterspielen gut zu hören, aufmunternd mit den Armen antreibend von hinten nach vorne: „Weitermachen!“
Es war ja noch Zeit, zudem gab es fünf Minuten Nachspielzeit obendrauf, die durchaus spannend verliefen. Und dann flatterte die Flanke von Marnon Busch durch den Strafraum, auf Timo Beermann, doch dessen Kopfball war dann doch eine Spur zu ungefährlich. Sie versuchten es mit Flanken. Nach dem Abpfiff von Schiedsrichter Felix Zwayer nach einem letzten Ball vors Tor von Hannover 96 stand eine 1:2 (0:2) des nach wie vor im Bundesliga-Aufstiegskampf befindlichen Tabellenvierten 1. FC Heidenheim. Bei diesem Spiel, das an diesem Wochenende der 2. Fußball-Bundesliga besonders im Blickpunkt stand, schafften es zwei Männer zurück in den erlauchten Kreis der Heidenheimer Startelf. Nach seiner Gelbsperre durfte Top-Torjäger Tim Kleindienst wieder stürmen anstelle von David Otto und Norman Theuerkauf wieder links verteidigen für Jonas Föhrenbach.
Zur Halbzeitpause wechselte FCH-Trainer Frank Schmidt noch drei Mal. Theuerkauf wieder raus, Föhrenbach wieder rein, dazu noch Otto für Tobias Mohr und Robert Leipertz für Marc Schnatterer. Denn dazwischen lagen 45 Minuten, die sogar nicht zu einem Aufstiegsaspiranten passen, für den die Heidenheimer viele halten. Die versuchten wie auch die Hannoveraner zu spielen, was aber zunächst nur den Gastgebern gelang. „Das war eine enttäuschende erste Halbzeit von uns“, fasste Schmidt verärgert zusammen.
Nach nach noch nicht einmal einer Viertelstunde musste Schlussmann Müller schon zwei Mal seine berühmt-berüchtigte Fußabwehr im Nah-Duell auspacken, Marvin Duksch und Julian Korb (5. und 13.) standen zu frei beim Schuss. So auch Duksch nach einer halben Stunde in Folge eines schönen Hannoveraner
Angriffes, John Guidetti passte, Duksch schloss ab, 1:0. Die 96er stürmten oft genug an in der ersten Hälfte, vor allem über die linke Heidenheimer Seite (zur Pause gingen auf diesen Positionen Theuerkauf und Mohr).
Und kurz vor der Pause musste die zweitbeste Abwehr der Liga schon das zwei Gegentor hinnehmen, so viele wie in drei Spielen zuvor nicht. 96-Kapitän Edgar Prib schoss zu frei von der Strafraumgrenze ein (41.). Vom FCH kam nach vorne zu wenig, keine richtige Torchance. Ein Schuss von Mohr neben den Kasten von Ex-Nationalkeeper Ron-Robert Zieler, das war es (38.).
Die durchgewechselten Heidenheimer kamen besser in die zweite Halbzeit, an deren Ende dann ja mindestens ein Unentschieden möglich schien. Kleindienst (50.) und Föhrenbach (51.) lieferten die ersten Versuche auf Besserung. Beim Schuss von Konstantin Kerschbaumer musste Zieler sogar eingreifen (62.). Fünf Minuten später die nächste Option für die mit den neuen Kräften variablere Offensive: Angreifer Stefan Schimmer ersetzte Kerschbaumer.
Schimmer benötigt wenig Anlaufzeit, das bewies er wieder einmal:
Kaum fünf Minuten auf dem Platz sorgte er für den 1:2-Anschlusstreffer. Eckball Föhrenbach, Kopfverlängerung Otto, Abstauber Schimmer (75.). Dann nochmal andersrum: Flanke Föhrenbach, Ablage Schimmer, Otto mit Drehschuss – knapp vergeben (79.).
„Das Spiel wurde aus unserer Sicht nochmal unnötig spannend“, befand 96-Trainer Kenan Kocak, „die zweite Halbzeit ist so abgelaufen, wie ich mir das vorgestellt habe. Wir haben gekämpft“, sein Kollege Schmidt. Okay, in der druckvollen zweiten Hälfte hatten die Heidenheimer auch zwei Mal nach Kontern Glück, nicht höher zurückzuliegen, doch Dukschs Versuch kratzte Mainka von der Torlinie (72.) und Hendrik Weydandt schoss neben das Tor von Müller (84.). Der pushte danach. Vergeblich. Und stand, wie sich Bilder oft gleichen, nach dem Abpfiff bei 90+5 wieder alleine in seiner Spielhälfte. Mit anderer Note: Enttäuscht, seine Hände auf die Oberschenkel gestützt. Vergeben hat der FCH auch den Sprung auf den dritten Tabellenplatz, den der Hamburger SV vor seinem Spiel an diesem Montag gegen Holstein Kiel noch mit einem Punkt Vorsprung hält.