Schimpfen, nicht drohen
Außenminister Maas ruft bei einem Besuch in Israel zum Dialog auf
GJERUSALEM/AMMAN (dpa) - Bundesaußenminister Heiko Maas hat Israel und die Palästinenser bei seiner Nahost-Reise eindringlich dazu aufgerufen, nach sechs Jahren Funkstille wieder Gespräche über die Lösung ihres Konflikts aufzunehmen. „Es wird notwendig sein, dass auf allen Seiten den Worten jetzt endlich Taten folgen“, sagte er Mittwochabend nach Gesprächen mit beiden Seiten im jordanischen Amman. Maas erklärte sich mit Blick auf die bevorstehende deutsche EU-Ratspräsidentschaft und dem Vorsitz Deutschlands im UN-Sicherheitsrat ab 1. Juli bereit, eine stärkere Rolle bei den Bemühungen um eine Lösung des Konflikts einzunehmen.
„Wir werden ganz sicher eine Vermittlerrolle spielen, aber vor allen Dingen erst einmal innerhalb der Europäischen Union und innerhalb des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen“, sagte Maas. Es werde schon „schwer genug werden“, dort die unterschiedlichen Interessen zusammenzubringen. Ihm schwebe dort die Rolle eines „ehrlichen Maklers“vor.
Er könne sich aber auch vorstellen, hilfreich zu sein, wenn es darum gehe, Israel und die Palästinenser wieder an einen Tisch zu bringen. „Ich treffe ständig Leute, die bereit sind zu Verhandlungen, aber die es bisher nie geschafft haben, sich zusammen an einen Tisch zu setzen. Deshalb wäre ich froh, wenn ich nicht immer nur Worte höre, sondern irgendwann auch mal Taten sehe“, betonte Maas. Direkte Gespräche waren in den vergangenen Jahren immer wieder gescheitert.
Maas rief auch die Palästinenser auf, Vorschläge vorzulegen, um einen Dialog zu ermöglichen. Israels Regierung
nimmt einen Plan von US-Präsident Donald Trump als Richtschnur, der von der palästinensischen Seite aber abgelehnt wird. Einer der größten Streitpunkte: Der Plan sieht die Annexion von bis zu 30 Prozent des von Israel besetzten Westjordanlands vor. Ab dem 1. Juli könnten dafür die ersten Schritte eingeleitet werden.
Maas kritisierte die Pläne nach dem Treffen mit dem israelischen Außenminister Gabi Aschkenasi als Verstoß gegen internationales Recht, verzichtete aber auf eine Drohung mit Konsequenzen. „Ich halte überhaupt nichts davon, in Zeiten, in denen Entscheidungen überhaupt noch nicht getroffen sind, mit Drohungen Politik zu machen.“In seinem Gespräch mit Aschkenasi habe er „überhaupt keine Preisschilder aufgestellt“. Er habe aber die „ehrlichen und ernsthaften Sorgen“Deutschlands dargelegt.
Auch eine Gruppe internationaler Rechtswissenschaftler wandte sich gegen die Annexionspläne. Ein solches Handeln wäre ein eindeutiger Verstoß gegen fundamentale Regeln des internationalen Rechts, hieß es in einem im Internet veröffentlichten offenen Brief.
In der EU wird darüber diskutiert, ob auf eine Annexion mit Sanktionen reagiert werden soll. Dass Deutschland sich für Sanktionen einsetzen wird, gilt angesichts des besonderen Verhältnisses zu Israel wegen des Holocaust als nahezu ausgeschlossen.
Aschkenasi versicherte, seine Regierung werde den Trump-Plan auf verantwortungsvolle Weise umsetzen. Er nannte die umstrittene Initiative einen „wichtigen Meilenstein für die Region“. Maas traf in Jerusalem und Tel Aviv auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Benny Gantz. Gantz, der Netanjahu kommendes Jahr als Regierungschef ablösen soll, sprach sich für einen „breiteren internationalen Dialog“zu dem Plan aus.
Netanjahu erläuterte Maas den Trump-Plan und sagte anschließend, zu den „grundlegenden Interessen“Israels zähle die Notwendigkeit einer „vollen Sicherheitskontrolle westlich des Jordans“, also auch in den palästinensischen Gebieten. Man werde keine israelischen Siedlungen räumen.