Rolle rückwärts
Bundesinnenminister Horst Seehofer stellt doch keine Anzeige gegen „taz“-Autorin
GBERLIN - Nach tagelangem Zögern hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nun doch einen Rückzieher gemacht. Die von ihm via „Bild“-Zeitung angekündigte Anzeige gegen die Journalistin Hengameh Yaghoobifarah von der linksalternativen „tageszeitung“wird er nicht stellen. Die Autorin hatte in ihrem Artikel „All cops are berufsunfähig“Polizisten pauschal herabgewürdigt und geschrieben, diese gehörten auf die Mülldeponie, „unter ihresgleichen“.
Diese Art der Wortwahl kritisierte Seehofer am Donnerstag zum wiederholten Mal aufs Schärfste. Den Schritt zu einer Strafanzeige werde er jedoch nicht gehen. „Mir geht es bei der von mir angestoßenen Diskussion nicht um Strafverfolgung einer Person und schon gar nicht um einen Eingriff in die Pressefreiheit“, erklärte er. Sein Ziel sei es, „dringend eine gesellschaftliche Diskussion“darüber zu führen, „wie wir in dieser Gesellschaft miteinander umgehen und wo die Grenzen einer Auseinandersetzung sind“. Polizisten in Deutschland seien ein Vorbild und kein Feindbild.
Die Kolumne spreche in einer entwürdigenden Sprache einer ganzen Gruppe von Menschen pauschal ihre Menschenwürde ab, begründete der Minister seine Empörung. „Ich darf und will mich nicht daran gewöhnen, dass dies als zulässige Form der Auseinandersetzung dargestellt wird.“Gegen den Text liegen bereits zahlreiche Anzeigen vor.
Ganz auf sich beruhen lassen wird der Minister die Sache jedoch nicht. Er lade die Chefredaktion der „tageszeitung“in das Bundesinnenministerium ein, kündigte Seehofer an. Dort wolle er mit ihr den Artikel und seine Wirkung besprechen. Außerdem werde er sich an den Deutschen Presserat wenden, der die Einhaltung ethischer Standards und Verantwortung im Journalismus überwacht. Er werde das Gremium bitten, „zu diesem Artikel, der in meinen Augen einen schweren Verstoß gegen den Pressekodex darstellt, klar Stellung zu beziehen“.
Der Presserat hat bereits ein Verfahren gegen die „taz“wegen der umstrittenen Kolumne eingeleitet. Grundlage für die Einleitung des Verfahrens am Mittwoch seien bis dahin 340 vorliegende Beschwerden gewesen. Damit ist nun auch klar, dass ein Beschwerdeausschuss des Rates über den Fall berät, voraussichtlich am 8. September. Für die Prüfung spielt den Angaben zufolge unter anderem die Ziffer 1 des Pressekodex eine Rolle, wonach die Wahrung der Menschenwürde oberstes Gebot der Presse ist. Zur Entscheidung, dass Seehofer doch keine Anzeige stellt, sagte der Geschäftsführer Roman Portack: „Dass der Innenminister den Weg über uns wählt, ist der richtige Schritt im Sinne der Pressefreiheit.“
„taz“-Chefredakteurin Barbara Junge reagierte am Donnerstag so: „Die Ankündigung einer Anzeige gegen unsere Autorin war ein massiver Einschüchterungsversuch und ein beschämender Angriff auf die Pressefreiheit. Es ist bezeichnend, dass der Bundesinnenminister für eine solche Erkenntnis vier Tage gebraucht hat.“Die „taz“führe gerade eine „leidenschaftliche Diskussion über Rassismus und Polizei und den journalistischen Umgang damit“. Sie begrüße, dass Seehofer sich daran beteiligen wolle.
Zugleich machte Junge klar: „Ich halte aber das Bundesinnenministerium nicht für den richtigen Ort für dieses Gespräch und schlage einen gemeinsamen Besuch der Polizeischule in Eutin vor, die ihrem Rassismusproblem in den eigenen Reihen begegnet, indem sie sich dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“angeschlossen hat.“