„Der Effekt war vielfach sehr gut“
RAVENSBURG - Die Meinungen über die Maskenpflicht in der CoronaEpidemie gehen auseinander. Theresa Gnann hat Virologe Professor Thomas Mertens gefragt, welche neuen Erkenntnisse es in der Forschung gibt.
Bisher ist Deutschland gut durch die Epidemie gekommen. Welchen Beitrag schreiben Sie den Masken zu?
Ich möchte nicht gerne „zuschreiben“, sondern zeigen, welche Daten es gibt. Erstens kann man experimentell bei einem Hustenstoß ausgeschiedene Tröpfchen (fünf bis zehn Mikrometer) und Aerosole (kleiner als fünf Mikrometer) sichtbar machen und messen, wie die Flugweite durch verschiedene Masken verändert wird. Ohne Maske erreichte die „Tröpfchen-Wolke“etwa 2,40 Meter. Mit drei selbst hergestellten und einer käuflichen Maske wurde die „Flugweite“auf zwischen 1,15 und 0,05 Meter reduziert. Die Wirksamkeit hing von Material und Passform ab. Neben käuflichen, medizinischen Masken war dichter, „gepolsterter“Baumwollstoff am besten. Außerdem wurde in mehreren Studien berechnet, wie der Effekt der Masken auf die Infektionsrate war. Der Effekt war überall eindeutig und vielfach sehr gut. In China reduzierte Maskentragen plus Augenschutz die Infektionswahrscheinlichkeit im Krankenhaus um etwa 85 Prozent. In einer anderen großen Studie wurde berechnet, dass Masken in Italien 78 000 Infektionen und in New York 66 000 Infektionen verhindert haben. Zusammenfassend: Hauptübertragungsweg sind Tröpfchen und Aerosole. Geschlossene Räume sind viel kritischer für Infektionsübertragungen. Masken waren deutlich effektiver als nur Abstand zu halten.
Was muss geschehen, um über eine Abschaffung der Maskenpflicht diskutieren zu können? Masken schützen, wenn Virusausscheider anwesend sind. Je weniger Infizierte es gibt, umso unwahrscheinlicher wird eine Begegnung. Man erkennt deutlich, dass in die Maskendiskussion viele Interessen eingehen. Es ist meiner Meinung nach denkbar, bei sehr niedrigen Infektionszahlen regional die Maskenpflicht aufzuheben und eine „Maskenempfehlung“auszusprechen. Ich würde Menschen mit hohem Risiko für schwere Erkrankung zur Maske raten.
In Kalifornien wurde nachgewiesen, dass eine bestimmte Kombination von Mikronährstoffen die Anzahl der Rezeptoren auf menschlichen Zellen, die für eine Infektion des Körpers nötig sind, senken kann. Was bedeutet das für die Suche nach einem Impfstoff bzw. einem Medikament?
Bei Sars-CoV-2 bestehen Verbindungen zum Stoffwechsel- und Hormonsystem des Menschen. Die Verbindung ist der ACE-2 Rezeptor, den das Virus zur Infektion nutzt. ACE-2 und ACE-1 spielen beim Menschen eine (unterschiedliche) Rolle für die Regulation des Blutdruckes und auch für den Zuckerstoffwechsel. Da viele Menschen ACE-1 Hemmer zur Blutdrucksenkung erhalten und danach mehr ACE-2 auf den Zellen zu finden ist, bestand die Sorge, dass damit ein schlechterer Verlauf bei Covid-19 verbunden sein könnte. Das hat sich nicht bestätigt, und man kann diese Medikamente getrost weiter nehmen. Die Menge von ACE-2 auf Zellen wird durch bestimmte Diäten beeinflusst. Ob diese mengenmäßige Veränderung für die Virusinfektion bedeutsam ist, bleibt unklar. Ebenso wie die Frage, ob man durch Gabe eines künstlich hergestellten gelösten ACE-2 Rezeptors die Infektion beeinflussen kann.