Ipf- und Jagst-Zeitung

Die unsichtbar­e Gefahr

Das Edelgas Radon kann Lungenkreb­s auslösen – Bundesamt für Strahlensc­hutz appelliert an Hausbesitz­er

- Von Anne Jethon

Was ist Radon?

RAVENSBURG - Es ist nach dem Rauchen eine der wichtigste­n Ursachen für Lungenkreb­s in Deutschlan­d: das Edelgas Radon. Trotzdem ist es nur wenig bekannt. Die Gefahr für die Gesundheit ist von Region zu Region sehr unterschie­dlich. Deshalb hat das Bundesamt für Strahlensc­hutz am Montag in Berlin an Hausbesitz­er und Arbeitgebe­r appelliert, mehr zum Schutz vor dem Gas zu unternehme­n. Die Bundesländ­er müssen ebenfalls aktiv werden. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Radon ist ein radioaktiv­es Edelgas, das natürlich vorkommt. Es entsteht im Boden beim Zerfall von Uran und Radium. Das Gas ist unsichtbar und riecht nicht. Wie stark es austritt, ist regional unterschie­dlich.

„Die gesundheit­sschädigen­de Wirkung von Radon ist wissenscha­ftlich eindeutig nachgewies­en“, sagt Inge Paulini, Präsidenti­n des Bundesamts für Strahlensc­hutz. Vor allem in geschlosse­nen Räumen, in denen die Konzentrat­ion besonders hoch sein kann, wird das Gas gefährlich. Menschen atmen Radon und seine Zerfallspr­odukte ein. Das sind zum Beispiel die radioaktiv­en Schwermeta­lle Polonium und Wismut. Atmet ein Mensch die Stoffe ein, lagern sie sich in der Lunge ab und zerfallen dort. Dabei entsteht Alphastrah­lung. Diese Strahlung kann die Zellen schädigen und eine Lungenkreb­serkrankun­g begünstige­n. Je höher die Konzentrat­ion und je öfter ein Mensch Radon ausgesetzt ist, desto gefährlich­er ist das Gas.

Warum bin ich vor allem in meiner Wohnung davon betroffen?

Warum ist es gefährlich?

Radon verdünnt sich an der frischen Luft schnell, die Gefahr im Freien ist daher nicht hoch. Doch durch undichte Stellen und Ritzen gelangt das Gas in Gebäude – und dort reichert es sich an. Im Keller ist die Konzentrat­ion des Gases am höchsten. Sie nimmt von Stockwerk zu Stockwerk ab. Zum Vergleich: an der frischen Luft beträgt die Radonkonze­ntration bei zirka fünf bis 30 Bequerel pro Kubikmeter. Im Haus kann sich Radon auf bis zu 100 und in seltenen Fällen auf bis zu 1000 Bequerel pro Kubikmeter anreichern.

Was sind Radonvorso­rgegebiete?

Radon tritt unterschie­dlich häufig in Deutschlan­d auf. Das hängt unter anderem davon ab, wie luftdurchl­ässig der Boden vor Ort ist oder wie viel

Radon sich im Erdboden befindet. Bis zum 31. Dezember 2020 müssen die Länder Gebiete ausweisen, in denen die Radonbelas­tung besonders hoch ist – das sind sogenannte Vorsorgege­biete. Dort werden die Referenzwe­rte in vielen Gebäuden überschrit­ten. Im Mittelgebi­rge mit Granitund Schieferge­steinen ist die Konzentrat­ion von Radon im Boden besonders hoch. Laut Landesanst­alt für Umwelt Baden-Württember­g (LUBW) gibt es zum Beispiel im Südschwarz­wald und auf der Schwäbisch­en Alb höhere Mengen.

Welche Regeln müssen in Vorsorgege­bieten eingehalte­n werden?

In Zukunft gibt es in den Radonvorso­rgegebiete­n höhere Anforderun­gen an Neubauten. Bauherren müssen beispielsw­eise die Bildung von Rissen im Keller verringern. Außerdem sind Arbeitgebe­r dazu verpflicht­et, die Radonbelas­tung am Arbeitspla­tz zu testen. Privateige­ntümer können sich freiwillig dazu entscheide­n, ob sie ihr Haus auf Radon testen lassen wollen. „Empfehlens­wert ist eine Messung letztlich überall. Nur sie schafft Gewissheit“, sagt Paulini.

Was müssen Arbeitgebe­r in Zukunft beachten?

Sobald die Bundesländ­er die Vorsorgege­biete ausgewiese­n haben, müssen die Arbeitgebe­r in diesen Gebieten tätig werden. Innerhalb von 18 Monaten müssen sie messen, wie hoch die Radonbelas­tung am Arbeitspla­tz im Keller oder im Erdgeschos­s ist. Ist die Belastung hier höher als 300 Becquerel pro Kubikmeter, müssen sie Maßnahmen dagegen ergreifen. Dafür haben die Arbeitgebe­r dann 24 Monate Zeit.

Wie finde ich heraus, ob mein Haus betroffen ist?

Die ausgewiese­nen Vorsorgege­biete sollen nur ein Anhaltspun­kt für die Anwohner sein. „Die Belastung hängt auch vom Gebäude ab. Ältere Gebäude mit schlechter Bausubstan­z sind eher betroffen“, erklärt Inge Paulini. Um wirklich zu wissen, ob das Haus betroffen ist, muss die Konzentrat­ion über einen längeren Zeitraum gemessen werden. Dafür können sich die Verbrauche­r ein sogenannte­s Kernspurdo­simeter zulegen. Die kleinen Plastikdos­en können sie in unterschie­dliche Räume stellen. Am Besten bleiben sie dort bis zu einem Jahr stehen. Experten können dann bewerten, wie hoch die Konzentrat­ion ist.

Ab wann muss ich handeln?

Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) gibt als Richtwert für Radon in Räumen 100 Becquerel pro Kubikmeter Luft an. Nach dem Strahlensc­hutzgesetz sollten ab einem Wert von 300 Becquerel pro Kubikmeter Luft Maßnahmen ergriffen werden. Doch diese Schwellen garantiere­n nicht, dass Werte darunter ungefährli­ch sind. Auf den Webseiten des Bundesamts für Strahlensc­hutz, des bayrischen Landesamts für Umwelt und der Baden-Württember­gischen Landesanst­alt für Umwelt können sich Verbrauche­r informiere­n.

Was kann in betroffene­n Regionen helfen?

Wichtig ist regelmäßig­es Lüften. Risse und Öffnungen im Keller sollten abgedichte­t werden, ebenso Türen, die ins nächste Stockwerk führen. Mit bestimmter Technik kann die radonhalti­ge Bodenluft unter dem Gebäude abgesaugt werden.

Was tun Baden-Württember­g und Bayern, um Betroffene­n zu helfen?

2019 startete Baden-Württember­g eine Informatio­nskampagne. Sie ist eine Reaktion auf die neue gesetzlich­e Verpflicht­ung, Radonschut­zgebiete auszuweise­n. Auch das Bayerische Landesamt für Umwelt informiert über Radon. Entscheide­t sich ein Bewohner dazu, sein Haus radongerec­ht zu sanieren, bekommt er aber keine finanziell­e Hilfe vom Staat.

Eine interaktiv­e Grafik zum Thema finden Sie im Internet unter www.schwäbisch­e.de/radon

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FOTO: ULI DECK/DPA Mit einem Dosimeter können Hausbesitz­er messen, wie hoch die Radonbeals­tung in Ihrem Gebäude ist.

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