Ipf- und Jagst-Zeitung

Türkei geht im Gasstreit auf Konfrontat­ion

Erkundungs­schiff wieder im Mittelmeer – Griechenla­nd spricht von Bedrohung

- Von Susanne Güsten

ISTANBUL - Die Türkei hat den deutschen Bemühungen um eine Vermittlun­g im Gasstreit im östlichen Mittelmeer einen schweren Dämpfer versetzt. Bundesauße­nminister Heiko Maas sagte am Montag einen geplanten Besuch in Ankara ab, nachdem die Türkei ein Forschungs­schiff zu einer neuen Erkundungs­mission in die Nähe der griechisch­en Insel Kastellori­zo geschickt hatte. Die Bundesregi­erung nannte neue GasErkundu­ngen der Türkei „unklug“. Maas reist nun an diesem Dienstag lediglich in die EU-Länder Zypern und Griechenla­nd, die mit der Türkei um Gebietsans­prüche und Bodenschät­ze im Mittelmeer streiten.

Der Sprecher der Bundesregi­erung, Steffen Seibert, warnte die Türkei vor neuen Erkundunge­n in den umstritten­en Gebieten vor griechisch­en Inseln. Dies wäre „ein sehr bedauerlic­her und aus unserer Sicht auch ein unkluger Schritt“, sagte er. Dies würde die Bemühungen um Entspannun­g zwischen der Türkei, Griechenla­nd und Zypern zurückwerf­en und „wäre ganz sicher alles andere als förderlich für die Weiterentw­icklung oder Fortentwic­klung der EU-Türkei-Beziehunge­n“.

Das türkische Schiff „Oruc Reis“war Ende September aus dem Mittelmeer abgezogen worden und in den Hafen von Antalya zurückgeke­hrt. Offiziell begründete die Regierung in Ankara dies mit turnusmäßi­gen Wartungsar­beiten an dem Schiff; tatsächlic­h war die Entscheidu­ng offenbar ein taktisches Manöver: Ankara wollte die damals drohenden Sanktionen der EU vermeiden. Eine Versprüche ständigung auf neue Gespräche zwischen Athen und Ankara über den Streit um die Grenzziehu­ngen im Meer sollten die Lage entspannen. Beim EU-Gipfel Anfang Oktober verzichtet­e Europa dann auf sofortige Strafmaßna­hmen gegen die Türkei. Nun brach die „Oruc Reis“aber zu einer neuen Mission bei Kastellori­zo auf. Wenn es in der Gegend Gas unter dem Meeresbode­n gebe, „dann werden wir es ganz bestimmt finden“, erklärte der türkische Energiemin­ister Fatih Dönmez zu der neuen Erkundung. „Wir werden weiter forschen, bohren und unsere Rechte verteidige­n.“Nach griechisch­er Auffassung liegt das aktuelle Erkundungs­gebiet der „Oruc Reis“in der Wirtschaft­szone von Kastellori­zo. Griechenla­nd kritisiert­e die neue Fahrt des türkischen Forschungs­schiffes deshalb als „direkte Bedrohung des Friedens“.

Dass die Türkei ausgerechn­et bei Kastellori­zo nach Gas sucht, ist kein Zufall. Ankara führt griechisch­e An

auf Gewässer um die Insel als Beispiel für die nach türkischer Ansicht unannehmba­re Maximalpos­ition der Griechen ins Feld: Obwohl Kastellori­zo nur zwei Kilometer von der türkischen Küste, aber fast 600 Kilometer vom griechisch­en Festland entfernt liege, beanspruch­e Griechenla­nd ein Seegebiet von 40 000 Quadratkil­ometern um die Insel, sagte ein hochrangig­er türkischer Regierungs­vertreter kürzlich.

Im August hatten die NATO-Partner Türkei und Griechenla­nd im Gasstreit ihre Kriegsschi­ffe aufgeboten und sich gegenseiti­g mit militärisc­her Gewalt gedroht. Maas hatte kurz darauf Griechenla­nd und die Türkei besucht, aber nichts erreicht. Ein Gespräch von Maas mit dem türkischen Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu am Rande einer Konferenz in der slowakisch­en Hauptstadt Bratislava vorige Woche brachte ebenfalls keine erkennbare Fortschrit­te. In Bratislava traf sich Cavusoglu auch mit seinem griechisch­en Kollegen Nikos Dendias; ein Datum für den Beginn der geplanten türkischgr­iechischen Verhandlun­gen gibt es aber nicht.

Die Beziehunge­n zwischen der Türkei und der EU werden auch durch Differenze­n im Libyen-Konflikt sowie das türkische Engagement für Aserbaidsc­han im neuen Krieg um die Kaukasus-Region BergKaraba­ch belastet. Als Inhaberin der EU-Ratspräsid­entschaft bis zum Jahresende will die Bundesregi­erung versuchen, das europäisch-türkische Verhältnis aus der Krise zu führen, doch zur Halbzeit der Präsidents­chaft hat Berlin noch keine Fortschrit­te vorzuweise­n.

 ?? FOTO: OZAN KOSE/DPA ?? Die „Oruc Reis“setzt ihre Erkundung im Mittelmeer fort.
FOTO: OZAN KOSE/DPA Die „Oruc Reis“setzt ihre Erkundung im Mittelmeer fort.

Newspapers in German

Newspapers from Germany