Wie die Nachtschicht das Leben verändert
Melanie Frank arbeitet bei Varta in der Herstellung von Mikrobatterien – Ein Blick auf ihr Leben im Akkord
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ELLWANGEN - Arbeiten gegen den eigenen Biorhythmus und das Sozialleben als Drahtseilakt, dafür aber finanzielle Unabhängigkeit und Abwechslung bei der Arbeit? Für Melanie Frank ist das Alltag. Die Westhausenerin arbeitet bei Varta in der sogenannten Coin-Power-Produktion und ist dort an der Herstellung von Lithium-Ionen-Zellen beteiligt. Diese Mikrobatterien in der Größe von Ein-Cent-Münzen werden zum Beispiel für drahtlose Kopfhörer oder Hörgeräte benötigt.
Derzeit macht die gelernte Werkzeugmechanikerin eine Weiterbildung zur Einrichterin. Somit hat sie die Aufgabe, die Produktionsanlagen zu warten, Fehler in der Herstellung der Batterien zu beheben und die Qualität zu überprüfen. Und da sich die technischen Störungen nicht nach Tageszeiten richten, muss Melanie Frank auch nachts die Maschinen kontrollieren und reparieren.
Das ist aber laut Sebastian Lang, Personalleiter bei Varta, nicht der einzige Grund, warum beim Batteriekonzern auch nachts gearbeitet werden muss. Wie Lang erläutert, sind die Maschinen zur Produktion der Batterien in der Anschaffung sehr teuer. Aufgrund der zusätzlichen Arbeitsstunden in der Nacht können jedoch höhere Stückzahlen produziert und die Maschine schneller abbezahlt werden. Das Unternehmen bleibt somit konkurrenzfähig. „Wir wollen alle erschwingliche Produkte haben, also müssen wir das in Kauf nehmen“, so Lang. Zum anderen dauere der Neustart der Maschinen ziemlich lange. Die Nachfrage an Batterien könnte das Unternehmen so nicht mehr bewältigen.
Insbesondere die ständige Herausforderung, eine Lösung auf ein technisches Problem zu finden, motiviert Melanie Frank in ihrer Arbeit bei Varta. „Jede Schicht ist anders und man weiß nie, was kommt. Es gibt keine ruhigen Nachtschichten.“
Und dennoch fällt es ihr nicht immer leicht, die Schichtarbeit mit ihrem Privatleben zu vereinbaren. „Der Freundeskreis bleibt schon auf der Strecke. Die Leute fragen immer seltener nach. Vor allem am Wochenende muss man schon zurückstecken.“Auch wenn ihr die Arbeit bei Varta Spaß macht, bedauert sie ab und an, einen völlig anderen Arbeitsrhythmus als die meisten ihrer Freunde zu haben. Besonders, wenn ihr die Anlässe wichtig sind. „Manchmal fühlt man sich schon wie ein Freund zweiter Klasse. Man sieht schnell, wer zu einem steht und wer nicht“, erklärt Frank weiter. Veranstaltungen
zu späterer Stunde könne sie nach eigener Aussage oft nicht so gelassen genießen, da ihr Blick immer wieder auf die Armbanduhr wandert, um nachzusehen, wie viel Zeit ihr bis Schichtbeginn noch bleibt.
Seit drei Jahren ist Melanie Frank nun bei Varta. Ob sie langfristig in einem Beruf mit Drei-Schicht-Modell arbeiten möchte, weiß sie noch nicht. Zu Beginn ihrer Tätigkeit hätte sie nicht erwartet, dass sie der ständige Wechsel zwischen Früh-, Spätund Nachtschicht auf Dauer gesundheitlich so beeinträchtigen würde.
„Ich hab das Gefühl, ich bin nie wirklich fit. Man merkt, dass der Rhythmus nicht mehr passt.“
Insbesondere die Umstellung von der Nacht- auf die Frühschicht bereite ihr oftmals Probleme. Die innere Aufregung, den frühen Schichtbeginn möglicherweise zu verschlafen, halte sie oftmals bis spät in die Nacht wach. Konzentrations- oder Kreislaufstörungen seien mitunter schon die Folge des Schlafmangels gewesen. Auch die unregelmäßigen Essgewohnheiten machen ihr oftmals zu schaffen. „Nachts ess’ ich immer eine Kleinigkeit, aber normal macht man das ja nicht, weil man da schläft. Da kommt alles etwas durcheinander.“Wenn sie Urlaub macht, dauere es nach eigenen Angaben ein bis zwei Wochen, bis sich ihr Rhythmus normalisiert.
Aus diesem Grund ist es der 32Jährigen wichtig, sich zumindest nach der Nachtschicht ausreichend zu erholen. Wenn sie sich gegen halb sieben in ihrer Wohnung in Westhausen schlafen legt, steht sie meist erst zwischen 13.30 Uhr und 14.30 Uhr wieder auf. Der Verkehr der anliegenden B29 stört sie selbst bei geöffnetem Dachfenster nicht. Auch denkt sie dann nicht mehr über ihre Arbeit nach. „Ich stempel’ ab und dann ist Feierabend“, erklärt Melanie Frank.
Die gesundheitliche Belastung steht dem finanziellen Anreiz gegenüber, den die unregelmäßigen Arbeitszeiten in der Industrie mit sich bringen. Dieser spornt Melanie Frank an, den Wechsel ihres Biorhythmus auf sich zu nehmen. „Ich kann mein Leben komplett selbst finanzieren. Das ist schon mal eine Sorge weniger und ich muss nicht über Geld nachdenken. Außerdem wusste ich ja bei dem Job, was mich erwartet und wenn das für mich nicht gepasst hätte, hätte ich mich ja auch nie beworben“, betont sie.
Welche Vor- und Nachteile die Nachtschicht mit sich bringt und wie sich Melanie Frank auf Ihre Arbeit vorbereitet, sehen Sie auf www.schwaebische.de/ varta-nachtschicht