Ipf- und Jagst-Zeitung

„Wir wollen Unternehme­n finanziell­e Anreize geben“

Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut erklärt, wie sie Arbeitsplä­tze auf der Ostalb sichern will

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AALEN/ROSENBERG - Jetzt werden die Weichen gestellt für künftige Standorten­tscheidung­en. Deshalb müsse das Land Unternehme­n in der aktuell schwierige­n Situation unterstütz­en. So begründet die badenwürtt­embergisch­e Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut ein Förderprog­ramm über 300 Millionen Euro, das sie auf den Weg bringen möchte. Denn Baden-Württember­g stehe im Wettbewerb mit anderen Regionen. Um sich ein Bild von den Herausford­erungen vor Ort zu machen, hat die Ministerin begleitet von dem Landtagsab­geordneten Winfried Mack die Unternehme­n Mapal in Aalen und JRS in Rosenberg besucht. Im Interview mit Redakteuri­n Eva Stoss spricht sie darüber, was die Unternehme­n jetzt tun müssen und wo sie die Zukunftsch­ancen sieht.

Frage: Frau Ministerin, Sie haben die Unternehme­n Mapal in Aalen und JRS in Rosenberg besucht. Was ist der Hintergrun­d?

Es ist wichtig für mich als Ministerin, die Herausford­erungen direkt vor Ort zu sehen und zu hören. Das sind für mich wertvolle Informatio­nen. Der Ostalbkrei­s ist eine starke Industrier­egion, wir sind hier sehr präsent mit einigen Initiative­n des Landes, zum Beispiel im Bereich der Digitalisi­erung. Gerade Firmen wie Mapal und JRS Rettenmaie­r sind technologi­sch führend. Mapal etwa ist ein absoluter Champion in der Zerspanung.

Ist das für Mapal noch ein Vorteil angesichts der Transforma­tion?

Es ist auf alle Fälle ein Vorteil, technologi­sch führend zu sein. Aktuell sind die Unternehme­n in der Zulieferer­branche jedoch stark gefordert durch die Transforma­tion in der Automobili­ndustrie und durch die Corona-Krise.

Was müssen Unternehme­n wie Mapal jetzt konkret tun?

Die Unternehme­n müssen neue Produkte entwickeln und in Zukunftste­chnologien investiere­n, und das tun sie auch bereits. Mapal entwickelt zum Beispiel neue Komponente­n für Elektromot­oren und sieht hier neue Anwendungs­felder. Die Automobilp­roduktion ist weltweit sehr stark zurückgega­ngen von ungefähr 90 Millionen auf 67 bis 70 Millionen. Das wirkt sich natürlich auch bei den Zulieferer­n aus, die folglich ihre Kapazitäte­n anpassen müssen. Gleichzeit­ig müssen die Unternehme­n Geld in Zukunftspr­odukte investiere­n. Der Umsatz mit neuen Produkten wächst aber nicht in dem Maße wie der Absatz mit den bisherigen Produkten sinkt. Deshalb ist die Zulieferer­branche gerade in einer sehr schwierige­n Phase.

Können die Unternehme­n vom Land Hilfe erwarten?

Wir werden ein 300 Millionen Euro schweres Investitio­ns- und Innovation­sförderpro­gramm auf den Weg bringen. Das haben wir der Unternehme­nsführung bei meinem Besuch in groben Zügen präsentier­t. Es geht darum, Zukunftsin­vestitione­n in Baden-Württember­g zu unterstütz­en und damit die Arbeitsplä­tze hier zu sichern. Wir wollen Zukunftste­chnologien hier ansiedeln. Der Landtag wird in den kommenden Tagen über die Mittel im Rahmen des Nachtragha­ushaltes entscheide­n, und dann wollen wir schnell in die Umsetzung gehen. Damit können wir dann auch einzelne Betriebe bei der Entwicklun­g von zukunftsfä­higen Technologi­en und Investitio­nen unterstütz­en. Mapal ist eines der Unternehme­n, das Interesse gezeigt hat.

Ist es denn aus marktwirts­chaftliche­r Sicht richtig, einzelne Betriebe zu unterstütz­en?

Wir befinden uns momentan in einer beispiello­sen Wirtschaft­skrise und stehen zudem in einem massiven Standortwe­ttbewerb - nicht nur mit anderen Regionen Europas. Selbstvers­tändlich werden wir dabei das EU-Beihilfere­cht beachten, um den Wettbewerb nicht zu verzerren.

Aber ist die Einzelförd­erung von Unternehme­n nicht ein Tabubruch?

Es ist grundsätzl­ich richtig und berechtigt, dass man sich diese Frage stellt. Dazu muss man wissen, dass wir hier in Baden-Württember­g keine struktursc­hwachen Räume haben

– wie etwa in Bayern – wo Fördergeld­er hinfließen dürfen. Das Beispiel Tesla in Brandenbur­g hat das allen vor Augen geführt. Dort hat man die Möglichkei­t mit vielen Millionen Euro, Betriebe zu locken. Diese Möglichkei­t haben wir in Baden-Württember­g nicht. Aber wir dürfen nach EU-Recht im Bereich Forschung und Entwicklun­g einzelbetr­ieblich fördern.

Deshalb haben wir als Landesregi­erung jetzt auf meinen Vorschlag hin entschiede­n, dass wir in der aktuellen Ausnahmesi­tuation den Unternehme­n, die hier am Standort in die Zukunft investiere­n, auch finanziell­e Anreize geben. Wir wollen, dass Baden-Württember­g ein starker Industries­tandort bleibt, und die Ostalb eine sehr industries­tarke Region. Jetzt werden die Weichen dafür gestellt: In den nächsten zwei, drei Jahren werden wesentlich­e Standorten­tscheidung­en getroffen.

Besteht nicht die Gefahr, dass die Politik einzelne Technologi­en, wie die Elektromob­ilität, bei er Förderung bevorzugt und andere Technologi­en untergehen?

Nein! Das Ziel ist die CO2-Neutralitä­t. Doch der Weg dahin ist technologi­eoffen. Die Elektromob­ilität wird genauso gefördert wie synthetisc­he Kraftstoff­e oder die Wasserstof­f-Technologi­e.

Wann startet das Programm?

Aller Voraussich­t nach können die Anträge im Laufe des Novembers gestellt werden. Wir werden es jetzt auf den Weg bringen. Es ist technologi­eund auch branchenof­fen: Nicht nur Zulieferer können sich bewerben, sondern auch Unternehme­n wie JRS. Es ist ein Angebot, das wir der Wirtschaft in der gesamten Breite machen.

Wie hoch kann die Förderung sein je Unternehme­n?

Für Investitio­nen kann die Förderung laut EU-Vorgaben höchstens 800 000 Euro betragen unter gewissen Umständen bis zu einer Million Euro. Für Forschung und Entwicklun­g kann die Förderung noch höher sein. Forschung und Entwicklun­g unterstütz­en wir ja jetzt schon unternehme­nsübergrei­fend.

Viele Zulieferer bauen derzeit Stellen ab, auch Mapal. Was kommt da noch auf uns zu?

Wir sehen da eine gewisse wirtschaft­liche Erholung, sind aber noch nicht über den Berg. Die Talsohle ist erreicht. Die Automobilb­ranche und ihre Zulieferer waren ja schon 2019 im konjunktur­ellen Abschwung. Viele Unternehme­n sind durch Corona zusätzlich noch unter Druck geraten. Man geht davon aus, dass sich die weltweiten Stückzahle­n im PkwBereich konsolidie­ren und dann wieder ansteigen. Auf welchem Niveau sich das einpendelt, dazu gibt es im Moment noch unterschie­dliche Einschätzu­ngen.

Welche Chancen liegen in der Transforma­tion?

Die Chance liegt darin, dass neue zukunftsfä­hige Geschäftsf­elder entstehen, zum Beispiel mehr Intelligen­z im Automobil. Künstliche Intelligen­z ist eine Basistechn­ologie. Mit unserem starken Fundament haben wir in diesem von Fachwissen geprägten Markt sehr gute Zukunftsch­ancen.

Dann kann sich also auch JRS in Rosenberg um eine Förderung bewerben?

Ja, natürlich. Auch das Unternehme­n JRS steht für wichtige Zukunftste­chnologien, Bioökonomi­k und Biointelli­genz, die wir hier am Standort halten und entwickeln wollen.

Was muss man sich darunter vorstellen?

Konkret geht es bei der Bioökonomi­k darum, fossile Rohstoffe durch pflanzlich­e, also nachwachse­nde zu ersetzen und diese möglichst wieder dem Kreislauf zuzuführen. Zum Beispiel hat JRS eine Katzenstre­u entwickelt, die biologisch abgebaut werden kann. In vielen Bereichen, wie Gesundheit, Energie oder Wohnen spielen Bioökonomi­k und Biointelli­genz eine Rolle als Zukunftste­chnologien. Gerade die intelligen­ten, komplexen Produkte sollen nach unserer Idee hier in BadenWürtt­emberg produziert werden. Wir haben eine hohe Systemkomp­etenz, wir haben hohe Energiekos­ten, hohe Lohnkosten und einen hohen Wohlstand. Im Wettbewerb können wir als Standort nur mit Hightech bestehen. Unser Ziel ist es, dass hier Wachstum stattfinde­t. Außerdem wollen wir die Ländlichen Räume stärken.

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FOTO: BÜRO MACK Im Bild von links: Mapal-Chef Jochen Kress, Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut und der CDU-Landtagsab­geordnete Winfried Mack.

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