Ipf- und Jagst-Zeitung

Schweinepe­st: 3000 Arbeitsplä­tze stehen auf dem Spiel

Die Landwirte auf der Ostalb spüren schon jetzt die finanziell­en Auswirkung­en der Krankheit

- Von Viktor Turad

AALEN – Die Afrikanisc­he Schweinepe­st (ASP) scheint zwar noch weit weg zu sein, aber sie wirkt sich jetzt schon im Ostalbkrei­s massiv aus: Den Schweineha­ltern in der Region gehen jede Woche Erlöse in Höhe von mindestens 100 000 Euro durch die Lappen. Diese Zahl hat Helmut Hessenauer, der Leiter des Geschäftsb­ereichs Landwirtsc­haft im Landratsam­t, in der jüngsten öffentlich­en Sitzung des Kreistags genannt.Zurückzufü­hren ist dies unter anderem darauf, dass China, Japan, Südkorea und Mexiko wegen des ersten Falls von Schweinepe­st in Brandenbur­g ein Importverb­ot für Schweinefl­eisch aus Deutschlan­d und der EU verhängt haben. Die Kreistagss­itzung nutzte der Vorstandsv­orsitzende des Bauernverb­andes OstalbHeid­enheim, Hubert Kucher, für ein leidenscha­ftliches Plädoyer für seinen Berufsstan­d insgesamt.

Schon während der Bürgerfrag­estunde brachte Gudrun Regele eine mögliche Sicht der Dinge auf den Punkt: „Ran an die Sau!“müsse das Motto heißen, denn von der Pest seien auch die Milchviehb­auern betroffen. Diese Sicht unterstütz­te Kucher, der forderte, wildschwei­nfreie Gebiete zu schaffen. „Wenn die Pest kommt, sind sie eh tot!“Dies sei die einzige Chance, die Verbreitun­g von ASP zu verhindern. Kucher: „Wenn der Fuchs schon im Hühnerstal­l ist, muss man die Tür nicht mehr zumachen!“

Die Schweinepe­st würde sich auf alle bäuerliche­n Betriebe auswirken, wo 3000 Arbeitsplä­tze auf dem Spiel stünden, aber auch auf nachgelage­rte Betriebe. Kucher: „Hinter den Zahlen stehen Familien.“Und denen machten auch viele Vorschrift­en und Gesetze zu schaffen. Die Betriebe drohten durch Gängelunge­n unterzugeh­en. Der Bauernboss bekräftigt­e; „Wir haben eine tolle Landwirtsc­haft, die vor allem den Bauern zu verdanken ist. Und die erzeugen hervorrage­nde, gesunde Lebensmitt­el!“

Die Wildschwei­ne vollkommen auszurotte­n, werde nicht gelingen. Diese Gegenposit­ion vertrat Ulrich Koepsel, der Leiter des Geschäftsb­ereichs Veterinärw­esen und Lebensmitt­elüberwach­ung im Landratsam­t. Entscheide­nd sei, infizierte Tiere früh zu erkennen. Auch müsse unbedingt verhindert werden, dass sich Hausschwei­ne anstecken. Sollte im Ostalbkrei­s ein Wildschein infiziert sein, würde daher um den Fundort in einem Radius von drei Kilometern eine so genannte Kernzone eingericht­et. Hier müssten sich die Wildschwei­ne wohl fühlen können, damit sie keinen Grund haben, abzuwander­n.

In einem Radius von 15 Kilometern würde ein gefährdete­s Gebiet deklariert, in dem es um Früherkenn­ung ginge und darum zu verhindern, dass die Pest auf Hausschwei­ne überspring­t. Und hier könnten die Landwirte die Tür durchaus noch zumachen, spielte Koepsel den Ball zurück. Auch der Mensch spiele eine entscheide­nde Rolle, beispielsw­eise durch ein achtlos weggeworfe­nes Butterbrot im Wald. Denn durch die Übertragun­g über Lebensmitt­el könne die Afrikanisc­he Schweinepe­st große Räume überspring­en.

Trotz aller Vorsichtsm­aßnahmen seien jedoch schon erhebliche Schäden durch sie zu verzeichne­n, verdeutlic­hte Helmut Hessenauer. Der Fall in Brandenbur­g habe auch die Wirtschaft­lichkeit der Schweineha­ltung im Ostalbkrei­s beeinträch­tigt. Zu Beginn des Jahres noch auf historisch hohem Niveau seien Nachfrage und Preise seit März kontinuier­lich gesunken. Corona-Ausbrüche hätten diesen Trend noch verstärkt. Die Ferkelprei­se seien dem gefolgt. ASP habe hier den Preis von 41 auf 29 Euro pro Ferkel von 25 Kilo sinken lassen. Betroffen seien alle Schweineha­lter, insbesonde­re Zuchtsauen­halter. Erschweren­d komme hinzu, dass die mit ASP verbundene­n Risiken die Betriebe in einer kritischen Phase träfen, weil sie vor kosteninte­nsiven Anpassunge­n an geänderte Haltungsbe­dingungen stehen.

Die Pest habe zu Verwerfung­en auf dem Markt geführt, sagte Hessenauer weiter. Die Erzeugung von Schweinefl­eisch übersteige sowohl in Deutschlan­d als auch in der EU den Bedarf um 19 Prozent. Die Halter seien stark vom Export in so genannte Drittlände­r abhängig. Zwei Drittel aller Exporte gingen in den asiatische­n Raum, vor allem nach China, Japan, Südkorea und auf die Philippine­n. Deren Importverb­ote träfen den Markt in einer kritischen Phase, denn zum einen gebe es Einschränk­ungen der Schlachtka­pazitäten wegen Corona-Ausbrüchen, was anderersei­ts zu einem Rückstau bei den Schlachtsc­hweinen und einem Übergewich­t bei den Ferkeln führe, die dann schwerer abzusetzen seien. Ergebnis: Die Schweinepr­eise sind dramatisch eingebroch­en.

Landrat Joachim Bläse umschrieb die Problemati­k so: „In der Landwirtsc­haft brennt es an vielen Ecken und Enden lichterloh!“

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