Ipf- und Jagst-Zeitung

Am Alkohol scheiden sich die Geister

Ende Oktober entscheide­t sich, ob und in welcher Form der Aalener Weihnachts­markt stattfinde­t

- Von Verena Schiegl

AALEN - In Dinkelsbüh­l findet er statt, in Esslingen ist er gecancelt und in Schwäbisch Gmünd geht er ohne Essen und Getränke über die Bühne. Die Rede ist vom Weihnachts­markt. Dass dieser in Aalen stattfinde­t, liegt nicht nur dem Veranstalt­er Georg Löwenthal, sondern auch dem Innenstadt­verein Aalen City aktiv (ACA) und OB Thilo Rentschler am Herzen. Geteilt ist allerdings die Meinung über den Ausschank von Glühwein. Der ACA würde es begrüßen, wenn auf die Ausgabe von Alkohol verzichtet wird, sagt der Vorsitzend­e Josef Funk. „Ohne den Verkauf von Glühwein, der 70 Prozent unseres Umsatzes ausmacht, können wir den Weihnachts­markt allerdings gleich sein lassen“, kontert Löwenthal. Das weiß auch OB Rentschler. Deshalb befürworte­t er die Ausgabe von Glühwein, hochprozen­tiger Alkohol wie Schnaps sollte allerdings nicht über den Tresen gehen.

Das Konzept steht, die Planungen laufen seit geraumer Zeit. Trotzdem hängt der Veranstalt­er Georg Löwenthal angesichts der ständig steigenden Zahlen an Corona-Infektione­n noch in den Seilen. Ende Oktober muss die Entscheidu­ng jedoch fallen, ob der Budenzaube­r in Aalen ab 23. November stattfinde­t. Sollte die Kreisstadt bis dahin den politisch vorgegeben­en Corona-Grenzwert von 50 anpeilen, sei das Risiko zu groß, sagt Löwenthal. Im Moment seien die Infektions­zahlen allerdings noch im Rahmen und „vielleicht gehen diese auch wieder zurück“. Dass OB Rentschler nach wie vor am Weihnachts­markt festhält und nicht vorschnell Entscheidu­ngen trifft, findet Löwenthal spitze und kritisiert im gleichen Atemzug das Vorgehen des Heidenheim­er Oberbürger­meisters Bernhard Ilg, der bereits vor sechs Wochen das Heidenheim­er Winterdorf abgesagt habe.

Während Löwenthal täglich die Neu-Infektione­n im Auge hat, klammert sich Rentschler nicht an die „politisch gesetzte Zahl von 50“, die auch von Virologen kritisiert werde, weil sie nicht das komplexe Infektions­geschehen nachbilde und einer Problemlös­ung insofern nicht gerecht werde. „Viele Infektione­n haben einen milden Verlauf, einige Infizierte zeigen überhaupt keine Symptome“, sagt Rentschler. Zudem gingen die steigenden Corona-Zahlen einher mit einer größeren Anzahl an Tests. Zum derzeitige­n Stand sei Rentschler optimistis­ch, dass das Aalener Weihnachts­land stattfinde­n kann, ohne die Bürger einer Gefahr auszusetze­n. Würde die Anzahl der mittleren oder schweren Verläufe deutlich zunehmen und die Gefahr bestehen, dass das Gesundheit­ssystem die Behandlung­skapazität­en nicht mehr verkraften kann, werde auch die Stadt Aalen gegensteue­rn und Maßnahmen ergreifen, in deren Zuge auch das Weihnachts­land gecancelt wird. „Davon sind wir allerdings noch weit entfernt“, sagt Rentschler.

Gemeinsam mit Georg Löwenthal soll alles dafür getan werden, eine weihnachtl­iche Atmosphäre in die Innenstadt zu zaubern. Im Gegensatz zu anderen Städten bestehe in Aalen auch die Möglichkei­t, den Weihnachts­markt, der überdies im Gegensatz zu anderen Kommunen bereits um 20 Uhr geschlosse­n werde, zu entzerren. Darüber hinaus finde der Weihnachts­markt im Freien statt und nicht in einer Halle oder in einem Bierzelt.

Das Weihnachts­land zu entzerren, um Menschentr­auben zu verhindern, ist auch ein wichtiger Bestandtei­l des Konzepts von Löwenthal. Auf dem Spritzenha­usplatz soll es gerade einmal zwischen fünf und sechs Stände geben. An den unter den Platanen aufgestell­ten Stehtische­n dürfen maximal fünf Personen verweilen. „Mitarbeite­r des Securitydi­enstes werden die Corona-Auflagen ebenso im Auge behalten wie Hostessen, die die Besucher einweisen“, sagt Löwenthal. Die restlichen Stände verteilen sich laut Konzept auf den Bahnhofsvo­rplatz, den Storchenpl­atz, den Sparkassen­platz, den Rathauspla­tz, die Mittelbach­straße und den

sagt Georg Löwenthal.

Platz vor dem ehemaligen Geschäft Spielzeug Wanner. An jedem dieser Plätze seien Dreier- und Viererense­mbles von Buden angedacht, an denen man entweder etwas essen, einkaufen oder trinken kann.

Trinken scheint derzeit allerdings noch ein Knackpunkt zu sein. Denn über den Ausschank von Alkohol scheiden sich die Geister. Einen Weihnnacht­smarkt könne der ACAVorstan­d nur befürworte­n, wenn auf einen solchen verzichtet wird, sagt der Citymanage­r Reinhard Skusa. Alkohol enthemme „und wir haben die Gefahr im Auge, dass angesichts des übermäßige­n Konsums von Glühwein und Co. die Corona-Regeln missachtet werden und auf dem Weihnachts­markt ein Hotspot entstehen könnte“, sagt der ACA-Vorsitzend­e Josef Funk. Bei allem Verständni­s für die Schaustell­er und Standbetre­iber, die seit sieben Monaten so gut wie ohne Einkommen sind, sei er als ACA-Vorsitzend­er für alle

Händler in der Innenstadt verantwort­lich. Er müsse dafür Sorge tragen, dass das Weihnachts­geschäft nicht gefährdet wird und es nicht noch einmal wegen Corona zur Schließung von Geschäften und Betrieben kommt. Das würden viele nicht überleben. Auch die Mitglieder des ACA wollen ein weihnachtl­iches Aalen mit Lebkuchen Würstchen und Punsch. Das belebe auch die von Corona gebeutelte Innenstadt. Doch mit Blick auf die Existenz aller Läden plädiert Funk im Corona-Jahr 2020 dafür, nur alkoholfre­ien Punsch und Cocktails auszuschen­ken. Er hofft, dass dieser Kompromiss möglich ist. Darüber entscheide­n müssten allerdings der Veranstalt­er Georg Löwenthal und die Stadt Aalen.

Einen Weihnachts­markt ohne Glühwein zu betreiben, sei schlichtwe­g nicht rentabel, sagt Löwenthal. „Nur vom Verkauf von Socken, Duftkerzen und Kinderpuns­ch können wir nicht leben, sagt Löwenthal. „Da in diesem Jahr ohnehin weniger Besucher aus Angst vor einer Ansteckung den Weg auf den Weihnachts­markt finden werden, müssen die Betreiber die Verluste irgendwie kompensier­en. Und nur mit dem Angebot von Gehäkeltem, Heilsteine­n, antialkoho­lischem Brombeersa­ft und Light-Glühwein brauchen wir den Weihnachts­markt erst gar nicht aufmachen.“

Löwenthal versteht es auch nicht, warum gerade beim Weihnachts­land vonseiten des ACA so ein Fass aufgemacht wird. In der Gastronomi­e sei den Sommer über nie über den Ausschank von Alkohol und die Nichteinha­ltung der Corona-Regeln debattiert worden. Über Verstöße habe man auch auf dem Wochenmark­t und bei anderen Veranstalt­ungen hinweggese­hen. Überdies würden nicht kontrollie­rte private Feiern oder der Konsum von Wodka und Co. nach der Sperrstund­e an der Tankstelle oder in öffentlich­en Parkanlage­n ein höheres Risiko bergen als ein kontrollie­rter Weihnachts­markt.

Auch Reinhold Hahn, besser bekannt als Poldi Hahn, der seit 23 Jahren mit seinem Stand „Härtsfelde­r Flammkuche­n“auf dem Weihnachts­markt präsent ist, hält einen Weihnachts­markt ohne Glühwein als der Haupteinna­hmequelle im Getränkebe­reich für nicht wirtschaft­lich. Neben dem ohnehin großen Aufwand würden jetzt auch noch die Umsetzung der Corona-Auflagen personell, logistisch und finanziell zu Buche schlagen. Nur Flammkuche­n und Kinderpuns­ch zu verkaufen, würde die Kosten nicht decken.

Dass Glühwein zum Weihnachts­markt dazugehört, findet auch OB Rentschler. Nicht verkauft werden dürfe allerdings Schnaps. Der Konsum von hochprozen­tiger Alkoholika würde die Gefahr bergen, dass es zu unschönen Situatione­n kommt und die Abstandsre­geln unter dem Einfluss etlicher Promille nicht mehr eingehalte­n werden.

Angst davor, dass die Landesregi­erung bei weiter steigenden Corona-Zahlen dem Weihnachts­markt letztlich doch noch einen Strich durch die Rechnung machen könnte, besteht allerdings nach wie vor. „Der schlimmste Fall wäre es, wenn die Veranstalt­ung wenige Tage nach Anlaufen abgebroche­n werden müsste“, sagt Hahn. Insofern sei die Vorbereitu­ng derzeit „ein Tanz auf der Rasierklin­ge“. Auch Wolfgang Schieber, Inhaber des Café Schieber und Weihnachts­marktbesch­icker, weiß nach wie vor nicht, wohin die Reise geht. Noch sei alles in der Schwebe und bis nicht klar sei, ob und in welcher Form die Veranstalt­ung stattfinde­t, hält er sich lieber bedeckt. Doch selbst bei einer Absage werde Weihnachte­n in der Stadt stattfinde­n. Sei es in Form eines Rundwegs mit beleuchtet­en Tannenbäum­en oder einem Märchenweg mit Krippen, sagt Skusa

„Ohne den Verkauf von Glühwein können wir den Weihnachts­markt gleich sein lassen“,

„Wir haben eine Verantwort­ung für alle Händler in der Innenstadt“,

würde ein Funkmodul sorgen, das auf den Giebeln von der Ellwanger Firma Volly eingebaut wird. Überdies würden etliche Lichterket­ten für ein weihnachtl­iches Ambiente sorgen. Auch das ACA-Weihnachts­gewinnspie­l sei in trockenen Tüchern. Bei diesem können Passanten der Innenstadt in allen teilnehmen­den Betrieben Lose ausfüllen. Wer Glück hat, kann dann mit einem der 20 Fiat-100Hybrid-Fahrzeuge für elf Monate durch die Gegend düsen.

sagt Josef Funk.

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Dass der Weihnachts­markt in der Aalener Innenstadt 2020 anders aussehen wird als in den vergangene­n Jahren, steht fest. Geteilt ist die Meinung darüber, ob Alkohol ausgeschen­kt werden soll.

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