„In erster Linie muss er erst Mal einen Ball halten“
Was Torwart-Legende Eike Immel über den VfR, VfB und das Torwartspiel sagt
AALEN/STADTALLENDORF Dschungelcamp (aus finanziellen Gründen), Sänger (mit Schlagerbarde Bata Ilic und Solo) und private Turbulenzen – Fragen dazu hat Eike Immel oft genug erhalten und beantwortet. Wir sprechen über das, was sein Herzblut ist: Fußball. Eines stellt die Torwart-Legende vorweg klar: „Hallo Benjamin, ich bin Eike.“Wir duzen uns also im Interview. Nach seiner langen, intensiven Karriere mit Teilnahmen an Welt- und Euromeisterschaften, jüngster Nationaltorwart, seinen 534 Bundesligaspielen, angefangen bei Borussia Dortmund, der Meisterschaft 1992 mit dem VfB Stuttgart, Duellen mit Stars wie David Beckham als Keeper in seiner Premiere League-Saison bei Manchester City und Trainer in der Oberliga hat er nun Mannschaften wie den Regionalligisten VfR Aalen im Blick. Beim nächsten VfRGegner, dem Aufsteiger und Tabellenletzten Eintracht Stadtallendorf (Samstag, 14 Uhr, Herrenwaldstadion) ist der heute 59-Jährige wieder heimisch geworden nach seiner Rückkehr 2017 zu seinem Jugendverein. Mit zwei Posten: Torwarttrainer und Trainer der zweiten Mannschaft. Im Interview am Telefon mit Sportredakteur Benjamin Post spricht Eike Immel über seine Herzenssache, Amateure, Profis, das Torwartspiel und natürlich den VfB.
Vor dem Spiel schätzt der Trainer eigentlich die Lage ein. Wir machen in diesem besonderen Fall mal eine Ausnahme. Wie sieht du als Torwarttrainer die Situation bei der Mannschaft?
Der Start war schwierig. Wir haben ein paar Punkte liegen lassen, aber ich denke, das ist in Aalen auch nicht anders. So langsam wird es aber schwierig: Nach sieben Spielen haben wir nur zwei Punkte, sechs Mannschaften steigen ab. Wir müssen versuchen die Köpfe oben zu behalten und positiv zu bleiben. Am Samstag ist es schon ein immens wichtiges Spiel für unsere Mannschaft. Wir dürfen den Abstand nicht noch größer werden lassen. Ich gehe davon aus, dass unsere Mannschaft hochmotiviert ist. Die Kunst wird es sein, das Negative aus den Köpfen zu bekommen.
Woran lag es?
Es hat insgesamt geklemmt. Alle die gegen uns spielten, haben gesagt, wir sind eine eklige Mannschaft. Wir waren nahe am Mann dran und haben früh gestört. Aber irgendwie gelingt das momentan nicht, wir sind zu weit weg vom Gegner und dann haben wir viele individuelle Fehler gemacht, speziell in der Innenverteidigung. Das kostet die Punkte. Wie läuft es beim VfR?
Nach einem schwachen Start mit drei Punkten aus vier Spielen ging es zuletzt bergauf mit sieben Punkten aus drei Spielen.
Das mit dem 2:0-Sieg des VfR in Ulm habe ich gelesen. Das ist ja auch nicht so einfach dort zu gewinnen. Aber in Aalen sind ja immer noch professionelle Strukturen.
Wie ist es in Stadtallendorf, ja immerhin nun auch ein Viertligist?
Das ist Amateurfußball. Es ist unvorstellbar, dass wir mal vormittags trainieren würden. Wir trainieren vier Mal in der Woche. Wir versuchen, das Beste aus unseren Möglichkeiten zu machen. Fast jeder Spieler bei uns arbeitet noch. Wir haben sogar Spieler, die Nachtschicht haben. Das ist natürlich ein Problem. Die Verantwortlichen machen das hier aber super, die wissen was geht und was nicht geht. Das ist alles bodenständig, das ist alles kerngesund gewachsen, das sind alles vernünftige Menschen. Wir kämpfen an allen Fronten. Am Wochenende gegen Aalen: Da ist ein großer Name in der Regionalliga.
Der VfR Aalen ist dir bekannt von früher, aus deiner Zeit in Schwaben.
Meiner Ansicht nach war der VfR Aalen damals nach dem VfB StuttAllgemein gart und den Stuttgarter Kickers die dritte Kraft im Land. Aalen hat die Kickers überholt. Aber andere haben den VfR mittlerweile auch links und rechts überholt. Als ich dann Trainer beim Oberligisten VfR Heilbronn war (1998 bis 2001, Anm. d. R.) haben wir Markus Dietterle, den Sohn des damaligen Sportlichen Leiters des VfR Aalen, Helmut Dietterle, vom VfR verpflichtet. Markus hat bei mir noch gespielt. Wir hatten auch das ein oder andere Freundschaftsspiel mit Aalen ausgemacht, ich hatte eine ganz gut Verbindung zu Helmut Dietterle. Wir waren zwei, drei Mal in Aalen, aber es fiel aber immer aus wegen Schnee (lacht).
Dann ging es für dich in die Türkei als Torwarttrainer.
Ich bin ja nach meiner Zeit in Heilbronn als Torwarttrainer nach Istanbul gegangen. Im Nachhinein kann ich sagen, dass ich kein schlechter Cheftrainer war. Aber dann bist du irgendwann als Torwarttrainer abgestempelt. Als Trainer der zweiten Mannschaft in der Kreisliga A macht es mir jetzt Spaß. Ich will dem Verein, der mir geholfen hat, auch etwas zurückgeben. Man versucht zu helfen, wo man helfen kann. Und Erfahrungen habe ich ja auch genug. Wir haben mit Dragan Sicaja einen super Trainer, es gibt im Moment keinen besseren für die Mannschaft. Er reißt die Mannschaft mit, lebt es vor und strahlt Begeisterung aus. Von ihm geht viel Energie aus.
Der Vorteil: Du kennst das Torwartspiel aus allen Sichtweisen: Selbst Weltklasse, Top-Torhüter trainiert aber auch Kreisliga-Keeper.
In meiner Zeit bei Besiktas und Fenerbahce Istanbul (Volkan Demirel, Anm. d. R.) hatte ich auch Nationaltorhüter. Ich hatte das ganze Spektrum von Weltklasse bis Kreisliga.
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muss man sagen: Das Torwartspiel hat sich stark verändert. Der Torwart muss fast schon der zwölfte Feldspieler sein. Aber ich sage immer: In erster Linie muss er erst Mal einen Ball halten und den Strafraum beherrschen, was heutzutage kaum noch einer kann. Ich will nicht sagen, ich vertrete mehr die alte Schule, aber wenn der Ball mal über die Tribüne fliegt, dann spricht am nächsten Tag keiner mehr davon. Grundsätzlich sind die Torhüter heute besser ausgebildet. Im Einsgegen-Eins sind sie meistens stark, weil sie alle lange stehen bleiben. Das gab es ja zu meiner Zeit gar nicht.
Wie schaut es mit deinen jetzigen Torhütern aus?
Der erste Torwart Dusan Olujic ist am Knie verletzt. Wir haben noch einen neuen Torwart geholt, Mateusz Abramowicz (aus der 2. polnischen Liga, Anm. d. R.) wäre am Wochenende auch spielberechtigt. Unser neuer Torwart macht im Training einen super Eindruck. Wir haben vier ganz gute Torhüter. An denen wird es nicht liegen, ob wir den Klassenerhalt schaffen oder nicht. Der eine ist ein junger Brasilianer, der bei mir in der Zweiten spielt. Sie werden uns nicht die Klasse kosten – eher erhoffen wir uns, das da ein paar Punkte gerettet werden.
Wie du früher bei der Nationalmannschaft, Dortmund und Manchester City auch die Punkte gerettet hast. Doch Eike Immel verbinden die meisten mit dem VfB Stuttgart.
Das war eine schöne Zeit im Schwabenland. Ich war ja vorher in Dortmund, das war auch wie meine Heimat. Den Wechsel nach Stuttgart habe ich trotzdem nicht bereut. Die Meisterschaft mit dem VfB vergisst man nie. Ich erinnere mich da sehr gerne dran. Aber mittlerweile ist der Kontakt zum VfB leider abgebrochen. Ich wollte dann auch nicht mehr in der Traditionsmannschaft spielen, ich habe zwei Hüftoperationen gehabt. Ich habe aber auch nach Dortmund nicht mehr so großen Kontakt. In dieser turbulenten Zeit privat wollte ich das dann auch nicht mehr. Da mache auch keinem einen Vorwurf. Es ist, wie es ist.
Statt Stuttgart nun Stadtallendorf. Wie siehst du das?
Ich bin da gerne dabei. Das ist zwar Amateurfußball. Die Jungs können aber gut Fußball spielen und sind hochmotiviert. Und das sind ja dann auch persönliche Verbindungen, die man hat. Das macht mir wirklich Spaß und ich bin mit dem Herzen dabei. Ich wohne hier, meine Mutter wohnt hier, sie wird jetzt 80, da kümmere ich mich. Ich bin gottfroh, dass ich wieder in meiner Heimat bin. Das Leben ist ruhiger. Mir geht es richtig gut. Ich werde im November auch 60.