Ipf- und Jagst-Zeitung

Angebliche­r US-General gaukelt die große Liebe vor

Fälle von Romance-Scamming nehmen im Ostalbkrei­s deutlich zu – Opfer wurde vor Kurzem auch Ulrike K.

- Von Verena Schiegl

AALEN - Der Liebesbetr­ug im Internet, im Fachjargon als Romance-Scamming bezeichnet, nimmt zu. Im Vergleich zu 2019 haben sich die Fälle im Bereich des Polizeiprä­sidiums Aalen im Jahr 2020 auf rund 40 Taten verdoppelt, sagt der Pressespre­cher Holger Bienert. Allein etwa 15 Fälle, in denen die Täter über 160 000 Euro erbeutet haben, ereigneten sich im Ostalbkrei­s. In jüngster Zeit wurden abermals zwei Frauen aus dem Raum Aalen Opfer der Täter. Einen Fall bearbeitet derzeit Annette Kölbel, Kriminalha­uptkommiss­arin bei der Kriminalpo­lizeidirek­tion in Waiblingen.

Es war an einem Tag Mitte November vergangene­n Jahres. Ulrike K. (Name von der Redaktion geändert) war, wie so oft, in einem berufliche­n Netzwerk unterwegs. Plötzlich ploppte eine Kontaktanf­rage auf. Der Absender war ein angeblich 53-jähriger General der US-Armee, der sich in einem Kriegsgebi­et im Auslandsei­nsatz befindet und von den schwierige­n Bedingunge­n vor Ort und gefallenen Soldaten berichtete. Im Laufe der Zeit entstand ein täglicher Austausch zwischen den beiden via Chat. Durch erste Schmeichel­eien gelang es dem GI, zu der 56-jährigen, alleinsteh­enden Frau ein Vertrauens­verhältnis aufzubauen. Auch Fotos, auf denen er in Uniform abgebildet ist, schickte er Ulrike K. Durch den immer intensiver­en Kontakt wurde bei ihr aus anfänglich­em Mitleid Liebe.

Einen Monat später, Mitte Dezember 2020, kamen die ersten Geldforder­ungen. Der General teilte der 56-Jährigen mit, unbedingt in seine Heimat fliegen zu müssen, um dort mit seinem Vorgesetzt­en über ein vorzeitige­s Beenden seiner Mission in dem Kriegsgebi­et zu sprechen. Er würde zwar über ein beträchtli­ches Vermögen in den USA verfügen, könne darauf vom Ausland aus allerdings nicht zurückgrei­fen. Für die 56-Jährige klang das plausibel. Deshalb überwies sie das Geld für den Flug in Höhe von mehreren Tausend Euro auf das Konto einer amerikanis­chen Bank.

Kurz vor dem Abflugterm­in teilte ihr der General mit, den Flug nicht antreten zu können. Er müsse dafür sorgen, dass ein von einem hochrangig­en Beamten erhaltenes Paket, in dem sich Geld und Schmuck befinden würden, in Sicherheit gebracht wird. Mit dem

Geld solle vor Ort ein Kinderheim gebaut werden. Angesicht der unsicheren Lage in dem Kriegsgebi­et, dürfe das Paket auf keinen Fall in falsche Hände gelangen. Deshalb müsse sie ihm dabei helfen, dass das Paket zu ihr nach Deutschlan­d übersandt wird.

Nach dieser Nachricht kommunizie­rte Ulrike K. nicht nur mit dem General, sondern auch mit einem angebliche­n Mitarbeite­r einer Versandfir­ma. Von diesem kamen nach und nach immer wieder Geldforder­ungen in Form von Versand- und Zollgebühr­en, um sicherzust­ellen, dass das Paket in

Deutschlan­d ankommt.

Parallel zu dem Druck, den der Mitarbeite­r auf sie ausübte, wurde sie von ihrem General immer mehr mit Liebesbeze­ugungen überhäuft. Auch von einer gemeinsame­n Zukunft in Deutschlan­d war die Rede. Das vorgestrec­kte Geld werde sie so schnell wie möglich zurückbeko­mmen, versichert­e er ihr.

Bis Anfang Februar überwies Ulrike K, die ihrer Internet-Liebe mittlerwei­le blindlings vertraute und ihr emotional verfallen war, in mehreren Tranchen Geldbeträg­e an verschiede­ne amerikanis­che Konten, aber auch an deutsche Bankverbin­dungen. Selbst als sie Ende Januar von ihrer Hausbank auf einen möglichen Betrug aufmerksam gemacht wurde, kam sie weiteren Geldforder­ungen nach. Auch weil sie die Hoffnung hegte, dass das Paket doch noch ankommt und sie ihr Geld zurückbeko­mmt.

Irgendwann suchte Ulrike K. das Gespräch mit einem Bekannten. Parallel dazu recherchie­rte sie im Internet. Dabei stellte sie fest, dass sich der angebliche US-General unter einem Fakenamen in dem berufliche­n Netzwerk

angemeldet hat, der einer anderen Person gehört. Sein Profil selbst existierte nicht mehr.

In der Befürchtun­g, dass ihr Geld in Höhe von 70 000 Euro für immer weg ist, erstattete Ulrike K. Mitte Februar über die Internetwa­che Anzeige bei der Polizei. Was bleibt, ist die große Enttäuschu­ng, dass aus der großen Liebe nichts geworden ist. Überdies muss sie nun jahrelang den Kredit abbezahlen, den sie aufgenomme­n hat, um den Geldforder­ungen ihrer virtuellen Liebe nachzukomm­en.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Über Dating-Portale, soziale oder berufliche Netzwerke nehmen die Liebesbetr­üger Kontakt zu ihren Opfern auf.

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