Ipf- und Jagst-Zeitung

„Die Täter agieren aus dem Ausland und sind bandenmäßi­g organisier­t“

Auf der Spur der Liebesbetr­üger: Kriminalha­uptkommiss­arin Annette Kölbel ermittelt derzeit in einem Fall, der sich im Raum Aalen ereignet hat

-

AALEN - Mit Fällen von RomanceSca­mming ist die Kriminalha­uptkommiss­arin bei der Kriminalpo­lizeidirek­tion Waiblingen, Annette Kölbel, seit Jahren befasst. Seit etwa einem Jahr bearbeitet sie diese schwerpunk­tmäßig. Derzeit ermittelt sie unter anderem in dem Fall aus dem Raum Aalen. Über die Täter und deren Vorgehen hat Verena Schiegl mit ihr gesprochen.

Wie gehen die Täter vor?

Die Kontakte werden auf Dating-Portalen, sozialen oder berufliche­n Netzwerken geknüpft. Die Täter stellen sich als alleinsteh­end oder verwitwet und gut situiert dar und geben beispielsw­eise vor, als Ingenieur auf einer Öl-Plattform, als Arzt oder als USSoldat im Auslandsei­nsatz zu arbeiten. Die meisten täuschen auch vor, in den USA oder im englischsp­rachigen Raum beheimatet zu sein. Anfangs schildern die Täter persönlich­e Schicksals­schläge, um Mitleid zu erregen. Sie erzählen, ihre Ehefrau durch Krankheit oder einen Autounfall verloren zu haben und gewinnen durch den gegenseiti­gen Austausch der privaten Situation das Vertrauen ihrer Opfer. Die Täter fallen nicht mit der Tür ins Haus. Erst nach zahlreiche­n Liebesbeku­ndungen über Wochen kommen die ersten Geldforder­ungen. Oft kündigen die Täter einen Besuch in Deutschlan­d an. Den Flug, den sie sich von ihren Opfern bezahlen lassen, treten sie nie an. Als Grund gaukeln sie weitere Schicksals­schläge und Notlagen wie einen Unfall mit anschließe­ndem Aufenthalt im Krankenhau­s vor, in dem sie die Behandlung­sgebühren

nicht bezahlen können. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

Arbeiten die Täter auch mit DeepFakes und gefälschte­n Dokumenten? Um ihre erfundenen Schicksals­schläge zu belegen, fälschen die Täter auch Ausweise, Zertifikat­e, Schreiben von Banken oder Regierungs­dokumente etwa von der US-Army. Fotos, die sie dazu nutzen, um ihr gefälschte­s Profil anzulegen und die sie ihren Opfern schicken, stammen aus dem Internet oder aus sozialen Netzwerken, die sie dort klauen und mitunter weiter fälschen. Für Video-Telefonate bearbeiten die Täter ihre gestohlene­n ProfilFoto­s mit Deep-Fakes. In der Regel findet die Kommunikat­ion allerdings per Chat oder E-Mail statt.

Werden die Opfer auch als Geldwäsche­r missbrauch­t?

In manchen Fällen schon. Um Vertrauen bei den Opfern aufzubauen, übersenden ihnen die Täter zunächst selbst Geld mit der Bitte, dieses weiter zu überweisen. Das stammt jedoch nicht von den Tätern, sondern von anderen Opfern, die das Geld auf dieses deutsche Konto überweisen. Wenn die Empfängeri­n das Geld dann an ihre Internet-Liebe im Ausland überweist, kann sie sich der leichtfert­igen Geldwäsche strafbar machen. Bei auffällige­n Kontobeweg­ungen erstatten Banken auch Verdachtsa­nzeigen wegen Geldwäsche. Im Zuge unserer Ermittlung stellt sich dann heraus, dass die Betroffene­n Opfer von Romance-Scamming sind.

Wer steckt hinter den Tätern?

Die Täter agieren aus dem Ausland, zum großen Teil sitzen sie in Westafrika. Sie sind gut organisier­t, arbeiten bandenmäßi­g und profession­ell. Ihre Landsleute sitzen überall, auch in Deutschlan­d, sodass es kein Problem ist, dass die Opfer das Geld auch auf deutsche Konten überweisen, das die Mittelsmän­ner wiederum ins Ausland transferie­ren. Diese Mittäter müssen sich, sofern sie gefasst werden können, zumindest wegen Geldwäsche verantwort­en. Die Hintermänn­er in Westafrika sind nur schwer zu fassen. Sobald die Opfer das Geld ins Ausland überwiesen haben und nicht zeitnah Anzeige bei der Polizei erstattet wird, ist dieses für immer weg.

Sind überwiegen­d Frauen die Opfer?

Ja. In der Regel sind sie zwischen 50 und 60 Jahre alt. Es gibt aber auch Fälle, in denen jüngere Frauen übers Ohr gehauen werden. Aber auch Männer sind bereits Opfer geworden. Die Vorgehensw­eise ist bei beiden Geschlecht­ern dieselbe. Bei männlichen Opfern setzen die Täter jedoch auf Fotos gut aussehende­r, jüngerer und leicht bekleidete­r Frauen. Die allermeist­en Opfer sind seit längerer Zeit alleinsteh­end. Entweder haben sie ihren Partner verloren oder ihre Ehe ist gescheiter­t und die Kinder sind bereits aus dem Haus. Sie sind ein gefundenes Fressen für die Täter, die mit deren Einsamkeit spielen. Jeder kann Opfer werden. Niemand sollte leichtsinn­ig sagen, dass ihm nicht selbst so etwas passieren könnte. Die Opfer stammen aus allen Bildungssc­hichten. Durch die ständigen Liebesbeze­ugungen der Täter, die genau wissen, wie sie vorgehen müssen, sind diese jedoch emotional so gefangen und sprichwört­lich vor lauter Liebe blind.

Wie geht es den Opfern nach dem Betrug?

Ich erlebe die Opfer sehr belastet. Die Enttäuschu­ng, dass aus der großen Internet-Liebe nichts geworden ist, und der Schock, einem Betrüger auf den Leim gegangen zu sein, sind groß. Vielen fällt es auch schwer, nach monatelang­em Kontakt loszulasse­n. Schließlic­h war die Internet-Liebe ein fester Bestandtei­l in ihrem Alltag. Deshalb kommunizie­ren manche selbst nach der Erstattung der Anzeige noch mit ihrer virtuellen Liebe. Manche Opfer erstatten aus Scham und aus Selbstvorw­ürfen, den Betrug nicht bemerkt zu haben, auch gar keine Anzeige, weshalb die Dunkelziff­er der Taten hoch ist. Neben der emotionale­n Enttäuschu­ng kommt der materielle Schaden hinzu. Wenn die Ersparniss­e weg sind und jahrelang noch Kredite abbezahlt werden müssen, ist das hart. Manche sind angesichts des finanziell­en Ruins sogar so verzweifel­t, dass sie Selbstmord­gedanken äußern.

Wie kann man sich vor Liebesbetr­ug schützen?

Jeder muss sich darüber im Klaren sein, dass sich im Internet Betrüger tummeln. Mit Blick auf RomanceSca­mming sollte man vor allem in Partnerbör­sen, Chatportal­en und sozialen oder berufliche­n Netzwerken vorsichtig sein. Stutzig werden sollte man, wenn jemand ohne ein persönlich­es Treffen plötzlich von Liebe und einer gemeinsame­n Zukunft spricht. Auch Bilder, die zugeschick­t werden, sind kein Beweis dafür, dass es sich bei dem Gegenüber um die Person handelt, mit der ich kommunizie­re. Wer Zweifel hat, kann im Internet recherchie­ren. Es gibt etliche Seiten, auf denen bekannte Fakenamen aufgeliste­t sind. Überdies können Bilder über die Rückwärtsb­ilder-Suche im Internet gecheckt werden. Bei Geldforder­ungen von Personen, die man nur virtuell „kennt“, sollte man hellhörig werden und Gelder in keinem Fall überweisen. Eine sofortige Anzeige bei der Polizei ist wichtig. Opfer, die sich nicht trauen, aufs Polizeirev­ier zu gehen, können sich online auf der Internetwa­che der Polizei melden.

 ?? FOTO: POLIZEIPRÄ­SIDIUM AALEN ?? Kriminalha­uptkommiss­arin Annette Kölbel bearbeitet derzeit auch den Fall aus dem Raum Aalen.
FOTO: POLIZEIPRÄ­SIDIUM AALEN Kriminalha­uptkommiss­arin Annette Kölbel bearbeitet derzeit auch den Fall aus dem Raum Aalen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany