Kurz’ Nachrichten
SMS bringen Österreichs Bundeskanzler wegen möglichen Postengeschachers in Bedrängnis
WIEN - In Wien nennt man das Phänomen „Schleimerei“. Leute, die so agieren, nennt man „scheißfreundlich“, also in Wahrheit nur an der Oberfläche nett, aber tatsächlich durchtrieben und berechnend. Jetzt sind SMS-Chatprotokolle vom österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz und wichtigen Akteuren aus Wirtschaft und Politik durch Untersuchungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft publik geworden. Sie dokumentieren sehr anschaulich, wie die neue ÖVP unter dem jungen Kanzler tickt: Sein Netzwerk sorgt gleichzeitig für maximale Macht im staatsnahen Bereich und absolute Loyalität in der „Familie“.
Die Staatsanwaltschaft hat eine 186-seitige Analyse vorgelegt. Sie beschäftigt sich mit dem Verdacht, dass es während der ÖVP-FPÖ-Koalition, die im Mai 2019 wegen des IbizaSkandals platzte, zu Postenschacher gekommen ist. Im Zentrum stehen zwei Top-Job-Besetzungen: einmal jene des FPÖ-Mannes Peter Sidlo und die des ÖVP-Mannes Thomas Schmid. Letzter lieferte das Material, also die SMS.
Durch die Analyse der Staatsanwaltschaft kann deshalb nun jede Bürgerin und jeder Bürger nachlesen, wie sich der Kurz-Vertraute Schmid selbst an die Spitze der Staatsholding Öbag brachte. Der österreichische Staatsbetrieb verfügt über ein Vermögen von 27 Milliarden Euro. Schmid vergaß seine SMS in der iCloud, also in einem Speicher im Internet, zu löschen. Der ehemalige Generalsekretär im Finanzministerium schrieb Anfang 2018 etwa an Kurz, als ginge es um einen neuen Lieblingsschwager in einer Familie: „Dich zu haben, ist so ein Segen. Es ist so verdammt cool jetzt im BMF (Finanzministerium, Anm. der Red.)!!! Danke dir total dafür!“Da war die Schleimerei also bereits voll im Gange.
Finanzminister Gernot Blümel schrieb Schmid einmal: „Du bist Familie.“Einige Monate später wurde das neue Öbag-Gesetz beschlossen, das in den Chats als „SchmidAG“bezeichnet wird. Die bisherige Staatsholding Öbib GmbH wurde nämlich in eine AG (Öbag) umgewandelt. Danach begann die Suche nach Aufsichtsräten, die Schmid in den Chefsessel hieven sollten.
Kurz wünschte sich etwa den deutschen Ex-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg in dem Gremium. Doch Schmid nannte diese Idee in einer SMS schlicht „Horror“. Gesucht wurde auch nach Frauen für den Aufsichtsrat. Gabriela Spiegelfeld, eine Beraterin des Kanzlers, sollte diese suchen, war aber dabei offensichtlich nicht sehr erfolgreich. Denn sie schrieb per SMS an Schmid, so gar nicht gendersensitiv: „Mir gehen die
Weiber so am Nerv. Scheiß Quote.“Schmid ging bereits im Sommer 2018 davon aus, dass er Öbag-Chef werden würde, obwohl der Job noch nicht einmal ausgeschrieben war. Er sinnierte damals aber darüber, dass er den Chauffeur aus dem Finanzministerium mitnehmen würde und eine Klimaanlage im neuen Büro eingebaut werden sollte. Anfang März 2019 bat er Kurz in einer SMS, ihn „nicht zu einem Vorstand ohne Mandate" zu machen. Kurz schrieb ihm begleitet von drei Smileys zurück: „Kriegst eh alles, was du willst.“Und Schmid antwortete in stürmischer Zuneigung seinem Gönner: „Ich bin so glücklich :-))) Ich liebe meinen Kanzler.“
Zwei Wochen später wurde Schmid einstimmig zum Öbag-Chef gewählt, zu vielen Aufsichtsräten hatte er zuvor persönliche Kontakte. Jetzt, wo die Opposition seinen Rücktritt fordert, stellen sich diese auch ganz und gar hinter ihn. Schmid selbst sieht keinen Grund, zurückzutreten. Und der Kanzler? Geniert er sich für die Dinge, die da publik werden? Kurz sagte nun, dass er sich keine Korruption unterstellen lassen werde. „Ich werde mir das nicht gefallen lassen“, ging er in die Offensive. Außerdem gehörten zur Politik auch Personalentscheidungen, sagte er. „Das ist das Wesen einer repräsentativen Demokratie.“Mehr kam da nicht.