Hoffnung auf das Gute im Menschen
James McBride führt in „Der heilige King Kong“eine Rassismusdebatte
Kein Wunder, dass Barack Obama dieses Buch zu seinen Favoriten des Jahres 2020 zählt. Denn „Deacon King Kong“von James McBride, das jetzt unter dem Titel „Der heilige King Kong“auch auf Deutsch erschienen ist, enthält viel von dem, was man mit dem früheren US-Präsidenten verbindet: aufrechten Zorn über Rassismus und Armut, scharfe Kritik an politischen Strukturen, intellektuelle Brillanz, trockenen Humor – und eine nie ganz versiegende Hoffnung auf das Gute im Menschen, auf schönere Zeiten.
McBrides Erzählung aus einem heruntergekommenen Viertel im New Yorker Stadtbezirk Brooklyn des Jahres 1969 bestätigt zugleich die hohe Relevanz schwarzer Autoren in der aktuellen US-Literatur. Der 63jährige, vielfach ausgezeichnete Schriftsteller positioniert sich damit neben jüngeren Kollegen wie Colson Whitehead (51) oder Ta-Nehisi Coates (45). Diese Nachfolger von Pionieren wie Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison (1931-2019) oder James Baldwin (1924-1987) haben in ihren Romanen zu afroamerikanischer (Leidens-)Geschichte viel über die Gegenwart mitzuteilen.
So ist „Der heilige King Kong“viel mehr als nur ein starker Krimi oder eine vor Fabulierlust strotzende Anekdotensammlung. In seiner Schilderung der Baptistengemeinde „Five Ends“, ihrer Rituale und Reibereien, Gönner und Gegner spiegelt der Autor, Journalist, Jazz-Musiker und Komponist McBride auch soziale Umbrüche: Zur Armut der Schwarzen und zum Rassismus ihrer irischen oder italienischen Nachbarn kam in den 1960ern Drogenkriminalität hinzu – die machte das Zusammenleben noch unsicherer und komplizierter.
Einem der Bewohner des Brooklyner Viertels platzt gleich zu Beginn dieses virtuos komponierten Romans der Kragen: Der versoffene Diakon Cuffy Lambkin, wegen seiner Vorliebe für abgetragene Sportlerkluft nur „Sportcoat“genannt, schießt unerwartet auf einen jungen Dealer, den er als Baseballtrainer und Kirchenmann einst hoffnungsvoll betreut hatte. Diese im weiteren Verlauf nie ganz erklärbare Tat setzt eine Kette von Ereignissen bis zum Mafiamord in Gang.
McBride erzählt von sehr bösartigen und herzensguten Menschen, von Verbrechen und Hass, Läuterung und Liebe. Manche Dialoge sind urkomisch, andere überlang, auch einige innere Monologe ufern aus, aber selbst darin gelingen dem Autor unvergessliche Porträts: die patente Gemeindedienerin Schwester Gee, deren Glaube angesichts der prekären Lage um sie herum auf eine harte Probe gestellt wird; der ihr verfallene, grundehrliche irische Polizist Potts; der zutiefst einsame, mit Skrupeln kämpfende Schmugglerboss Tommy Elefante; die eigentlich im Leben gescheiterten Afroamerikaner Sportcoat, Hot Sausage und Rufus, die zu einem letzten großen Coup ausholen.
Am Ende legen sich Trauer und Melancholie, aber auch Aufbruchstimmung über die Leben der Leute von „Five Ends“. Meisterhaft versteht es McBride, bei all dem Elend eine niederschmetternde Tristesse zu vermeiden. Das war schon in anderen Hauptwerken so: dem autobiografischen „Die Farbe von Wasser“(deutsch 1999), dem von Spike Lee verfilmten „Das Wunder von St. Anna“(2004) und dem Sklavenbefreiungsroman „Das verrückte Tagebuch des Henry Shackleford“(2015), auf dem die hochgelobte US-Serie „The Good Lord Bird“mit Ethan Hawke basiert.
James McBride erhielt 2013 den „National Book Award for Fiction“. 2015 kam die „National Humanities Medal“hinzu – aus der Hand des damaligen Präsidenten Obama, der ihn auch jetzt wieder in höchsten Tönen preist. Die Begründung damals: Der Sohn einer weißen Jüdin und eines schwarzen Pastors habe „die Komplexität der Rassendebatte in Amerika auf eine menschliche Ebene geführt“. In der Tat gehört der New Yorker längst zu den Spitzenautoren der neuen afroamerikanischen Literatur. (dpa)
James McBride: Der heilige King Kong, btb Verlag, 448 Seiten, 22 Euro.