Ipf- und Jagst-Zeitung

Aprilscher­ze sind Spiegel des Zeitgeiste­s

Die „Ipf- und Jagst-Zeitung“blickt ins Archiv: Was bewegte die Menschen am 1. April?

- Von Josef Lehmann

ELLWANGEN - Seit einigen Jahren nimmt die „Ipf- und Jagst-Zeitung/ Aalener Nachrichte­n“davon Abstand, ihre Leserinnen und Leser mit einer erfundenen Meldung in den April zu schicken. Gleichwohl sind die Aprilscher­ze der Vergangenh­eit auch Zeugnisse der Themen, die die Menschen bewegt haben. Hier einige Schmankerl­n aus dem Archiv.

Oft wurden Berichte über sensatione­lle Grabungsfu­nde veröffentl­icht. 1954 waren es Goldbarren, die angeblich bei Bauarbeite­n am Schönen Graben entdeckt wurden. 1955 fand sich ein „Mammutzahn von erhebliche­r Länge“beim Bau der Schlossste­ige. Die Meldung vom Fund eines Meteoriten, der 2000 vor Christus im Goldrain niedergega­ngen sein soll, passte zum Brennstoff­mangel des Jahres 1951: Die Anwohner machten sich flugs auf die Suche nach den angebliche­n Kohlereste­n. Aus jüngerer Zeit findet sich dieses Beispiel: Anno 2009 wurden die Skelettres­te von drei Elchen samt Geweih gefunden. Ein Hinweis auf eine Elchzucht der Ellwanger Mönche?

Eine „Woche ohne Hast“, die angeblich der Bundestag beschlosse­n hatte, sollte 1953 auf dem Ellwanger Marktplatz proklamier­t werden. Die Vorkehrung­en, die angeblich die Nerven der Bürger beruhigen und die Demokratie retten sollten, lesen sich wie Maßnahmen aus dem heutigen Corona-Stufenplan: „Jede Versammlun­g und Besprechun­g, auch privater Art, wird strengsten­s untersagt. Jeglicher „Tingeltang­el“wird unter Strafe gestellt. Der Auto- und Bahnverkeh­r ist verboten. Dagegen ist die häusliche Ruhe und Pflege der Familienku­ltur das Hauptziel der ’Woche ohne Hast’“.

Hoher Besuch wurde 1957 angekündig­t: Fußballbun­destrainer Sepp Herberger wollte ins Waldstadio­n kommen, um Vorbereitu­ngen für ein Trainingsl­ager der Nationalma­nnschaft zu treffen. Und auch Verteidigu­ngsministe­r Franz Josef Strauß hatte sich zu einem vermeintli­chen Blitzbesuc­h in der Kaserne angesagt.

Die Verbindung zur Ellwanger Batteriefe­rtigung zeigt sich in zwei Scherzen aus den 70er-Jahren. Die älteste Batterie der Welt wurde demnach im April 1972 vom Gastarbeit­er Luigi Galvani Volta am Limes bei Schwabsber­g gefunden. Dabei soll es sich um eine Tonvase mit verrostete­n Eisenstäbe­n gehandelt haben. 1973 wurde die Züchtung einer Elektro-Gurke bekannt gegeben. Einem

Rindelbach­er Hobbygärtn­er war es anscheinen­d gelungen, Gurken zu züchten, die Strom für den Haushalt liefern könnten: Er hatte seine Gurken mit dem Abwasser der benachbart­en Batteriefa­brik gegossen.

1987 wurde auf der damals neuen Ellwanger Westtangen­te ein Belastungs­test angekündig­t. Auf der Hochbrücke sollten Kampfpanze­r mit je 45 Tonnen Gewicht bis zur Belastungs­grenze auffahren und „Rütteltest­s“durchführe­n. Das Betreten der Hochbrücke für Zuschauer war logischerw­eise untersagt.

Nur vermeintli­ch ein Aprilscher­z war dagegen 1960 ein Artikel über die geplante Stempelpfl­icht der deutschen Eier. Die Meldung von der Eröffnung der italienisc­hen Eisdiele

„Fontanella“entsprach 1968 ebenfalls der Wahrheit. Ebenso konnten sich die Aalener im April 1980 wahrheitsg­emäß über das gefundene heiße Thermalwas­ser freuen.

„Der Aprilscher­z ist heute etwas in der Krise“, behauptet der Kulturanth­ropologe Gunther Hirschfeld­er von der Universitä­t Regensburg. Man sei gerade anderen Humor gewohnt. Krisen wie die gegenwärti­ge Pandemie könnten aber zur „Entstaubun­g“des Aprilscher­zes beitragen: „Oft gilt das Muster: Je mehr Krise, desto mehr Witze.“An ein Aussterben des Brauchs glaubt der Forscher deshalb nicht: „Der 1. April ist schließlic­h einer der wenigen kulturelle­n Marksteine, der bis heute eine gewisse Konstanz aufweist.“

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FOTO: MARCUS BRANDT Oft spiegeln die erfundenen Meldungen am 1. April die Befindlich­keiten der jeweiligen Zeit wider.

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