Ein bisschen Wehrdienst
Junge Frauen und Männer beginnen Ausbildung als militärische Freiwillige im Heimatschutz
BERLIN - Wehrdienst bei der Bundeswehr – nebenan und ohne Auslandseinsatz. Das ist die Grundidee des neuen Heimatschutzdienstes, den Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Dienstag einläutete. Am ersten Tag nach Ostern begannen 325 Rekruten ihre Arbeit bei der Truppe. Etwa 700 sollen dieses Jahr noch hinzukommen, knapp ein Fünftel davon Frauen.
„Dein Jahr für Deutschland“lautet das Werbemotto für den neuen „freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz“. Die Bundeswehr verspricht den jungen Leuten dabei, sie in der Nähe ihres Wohnortes einzusetzen. Monatelang nach Mali, Somalia oder Afghanistan sollen sie nicht geschickt werden. Das Angebot sei bestimmt für Männer und Frauen ab 17 Jahre, die sich für die Bundeswehr interessieren, sich aber „nicht so fest“an sie binden wollten, sagte Kramp-Karrenbauer.
Sieben Monate dauert die Ausbildungszeit – drei in der Grundausbildung und vier Monate für die Spezialaufgaben im Heimatschutz. Die Bezahlung liegt in der Größenordnung zwischen 1400 und 1900 Euro netto monatlich. Darauf folgen sechs Jahre, in denen die Soldatinnen und Soldaten als Reservisten insgesamt fünf Monate zur Verfügung stehen müssen. Die meisten werden beim Heer eingesetzt, einige wenige bei der Luftwaffe.
Nach der Ausbildung müssen sie zum Beispiel ran, wenn es zu Naturkatastrophen oder schweren Unfällen kommt, die Polizei, Feuerwehr und andere Rettungsdienste nicht alleine bewältigen können. Auch Pandemien wie aktuell Corona kommen in Frage: Derzeit unterstützt die Bundeswehr beispielsweise regionale Gesundheitsämter oder baut Impfzentren auf.
Aber Verteidigungsstaatssekretär Peter Tauber (CDU) – am Dienstag hatte er seinen letzten Arbeitstag im Ministerium – ließ auch keinen Zweifel daran, dass es einen „militärischen Bedarf“für den neuen Wehrdienst gebe. Dieser bestehe beispielsweise in Objekt- und Brandschutz. Kommt es zum Krieg in Mitteleuropa, sollen die Heimatschutz-Einheiten unter anderem wichtige Infrastruktur hinter der Front schützen. Sie ermöglichen es damit, mehr Soldaten in den Kampf zu schicken. Das kann aber auch für aktuelle oder künftige Auslandseinsätze der Bundeswehr gelten. Heimatkompanien übernehmen Aufgaben im Inland und stellen so Kräfte für Kampfeinsätze außerhalb der Grenzen frei. Das ist ein Sinn des Ausbaus der Heimatschutz-Kompanien und Regimenter im Rahmen der Strategie der Reserve.
Insgesamt soll die Bundeswehr gestärkt und ausgebaut werden, hat aber ein Personalproblem. In Zeiten eines insgesamt abnehmenden einheimischen Arbeitskräftereservoirs konkurriert sie mit anderen Arbeitgebern unter anderem in der Privatwirtschaft, die oft deutlich besser bezahlen. Deshalb will das Verteidigungsministerium das Jobangebot differenzieren, um mehr Interessenten anzusprechen.
Der Heimatschutz-Wehrdienst erhält seine Bedeutung außerdem im Rahmen der jahrelangen Debatte über eine erneute Dienstpflicht für alle jungen Männer und Frauen, die seit der Aussetzung des alten Wehrund Zivildienstes 2011 nicht verstummt. Kramp-Karrenbauer selbst sprach sich schon vor Jahren für eine allgemeine Dienstpflicht aus. Diese Idee erfreut sich einiger Beliebtheit in werteorientierten und konservativen Kreisen nicht nur der Union. Auch in der AfD hat sie Anhänger. Die sozialdemokratische Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, kann sich eine Rückkehr zur Wehrpflicht jedoch ebenfalls vorstellen.
Sozial- und Wohlfahrtsverbände, aber auch die Bodelschwinghschen Anstalten in Bielefeld plädieren dagegen für ein Pflichtjahr mit zivilem und europäischem Schwerpunkt.
Kritik am Heimatschutz-Wehrdienst kam von mehreren Seiten. Die Linke bemängelte den Begriff „Heimat“als rechtslastig. KrampKarrenbauer hielt es demgegenüber für einen „Fehler, den Begriff Heimat den Rechten in diesem Land zu überlassen“. Die Wohlfahrtverbände Caritas und Diakonie betrachteten den neuen Dienst als potenzielle Jobkonkurrenz für ihre Freiwilligendienste. Und der grüne Verteidigungspolitiker Tobias Lindner erklärte: „Personalmangel ist bei der Bundeswehr unbestritten ein Problem. Hier handelt es sich allerdings zu großen Teilen um fehlende hochspezialisierte Fachkräfte, nicht um Menschen, die im Konfliktfall einen Hafen bewachen.“