Deutsche Umwelthilfe findet weitere Abschalteinrichtungen
Neue Messungen belegen erhebliche Grenzwertüberschreitung bei Stickoxiden – Umweltorganisation fordert Rückruf der betroffenen Modelle
BERLIN - Der baden-württembergische Autobauer Daimler stellt am Donnerstag sein erstes rein elektrischen Modell der S-Klasse vor. Das Fahrzeug soll das Unternehmen an die Spitze der Hersteller sauberer Autos bringen. Doch anderswo bei Daimler geht es nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) eher schmutzig zu. Bei neuen Messungen des Emissions-Kontroll-Instituts (EKI) der DUH fand sich beim Mercedes C 220 d eine Abschalteinrichtung der Abgasreinigung. Bei niedrigen Außentemperaturen wird damit die Reinigung heruntergefahren, der geltende Grenzwert für Stickstoffemissionen laut EKI um fast das achtfache überschritten.
Auch beim CO2-Ausstoß nehmen es die Stuttgarter laut Umwelthilfe mit den Grenzwerten nicht so genau. Beim Plug-in-Hybrid Mercedes E 300 de, der nach offiziellen Angaben nur 36 Gramm des Klimagases pro Kilometer ausstößt, ergab der Test bei leerem Akku den dreifachen Wert, im Sportmodus gefahren sogar den 4,4-fachen. Dabei zeigt gerade dieses Modell, was technisch machbar ist. Beim Stickoxidausstoß nähert sich der Mercedes der Nulllinie.
Das sind nur zwei Beispiele von insgesamt 17 getesteten Modellen. Auch Fahrzeuge von Audi, Land Rover und VW fielen bei den Testfahrten durch teils enorm hohe Grenzwertüberschreitungen auf. Für DUH-Chef Jürgen Resch ist es unverständlich, dass diese Fahrzeuge weiterhin auf den Straßen unterwegs sein dürfen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe im vergangenen Jahr eindeutig festgestellt, dass Abschalteinrichtungen illegal seien, sofern sie nur der Einhaltung der Grenzwerte auf dem Prüfstand dienten. „Wir erwarten, dass das Kraftfahrt-Bundesamt diese Fahrzeuge in Ordnung bringt oder aus dem Verkehr zieht“, sagt Resch.
Die Umwelthilfe wirft der Bundesregierung und vor allem Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vor, die Autokonzerne trotz eindeutiger Rechtslage schützen zu wollen. Damit steht sie nicht alleine da. Auch in anderen Ländern lassen Regierungen die Hersteller gewähren. Als Beispiel nennt Resch Schweden. Obwohl der Volvo XC60 D5 AWD den Stickoxid-Grenzwert um mehr als das 18-fache überschreitet, schreite die Regierung in Stockholm nicht ein. Axel Friedrich, der Leiter des EKI, wirft den Herstellern vor, aus reinem Gewinnstreben auf wirksame Abgasreinigungsanlagen zu verzichten. „Die Technik ist vorhanden“, erläutert er, „sie wird nur nicht eingesetzt.“Auch bei Elektroautos sieht das EKI die Hersteller auf Schummelkurs. Der Stromverbrauch liege bei Messungen oft 30 Prozent bis 40 Prozent über dem offiziell angegebenen Wert.
Das Bundesverkehrsministerium weist die Vorwürfe zurück. „Das Kraftfahrt-Bundesamt ist an die europäischen Typgenehmigungsvorschriften
gebunden und entscheidet auf Grundlage des geltenden EURechts“, erläutert eine Sprecherin. Auch gehe die Behörde allen Hinweisen auf illegale Abschalteinrichtungen nach und ordne gegebenenfalls einen Rückruf an.
Damit geht der Streit zwischen DUH und Bundesregierung um saubere Diesel in eine neue Runde. In der kommenden Woche rechnet der Verein mit einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Dort will die DUH die Herausgabe von Akten zum Dieselskandal erwirken. Im Juni will der EuGH über die Maßnahmen zur Luftreinhaltung in Deutschland entscheiden. Je nach Ausgang will die Umwelthilfe danach per Klage die Stilllegung der Fahrzeuge mit Abschalteinrichtungen erreichen.
Im September 2015 war aufgeflogen, dass der Autobauer Volkswagen mit spezieller Software Abgaswerte bei Zulassungstests manipuliert hatte. Die Folge waren Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe und eine Klagewelle. Das Bundesverkehrsministerium betonte am Mittwoch, dass „in keinem anderen Mitgliedstaat der EU in der Abgasaffäre so weitreichende Konsequenzen“gezogen worden seien wie in Deutschland.