Kompromiss im Bußgeldstreit
Einigung auf härtere Geldstrafen – Verschärfung bei Fahrverboten vom Tisch
BERLIN - Stundenlang saßen die Verkehrsminister der Länder am Donnerstagabend mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zusammen. Stunden, in denen zunächst nicht viel geschah. Denn es ging um ein Thema, über das die Parteien heillos zerstritten waren. Seit einem Jahr diskutierten sie über die Novelle der Straßenverkehrsordnung und härtere Strafen für Temposünder. Dann passierte etwas, was keiner erwartet hatte: Es gab einen Kompromiss.
In der Sitzung einigten sich Bund und Länder auf einen neuen Bußgeldkatalog, der teils eine massive Anhebung der Geldstrafen für Temposünder vorsieht. Wer auf Radwegen parkt, Rettungsgassen nicht frei macht und unberechtigterweise Parkplätze für Menschen mit Behinderung besetzt, soll ebenfalls tief in die Tasche greifen müssen. „Der Kompromiss geht an den Geldbeutel, aber nicht an den Führerschein“, fasste Bundesverkehrsminister Scheuer die Ergebnisse der Verkehrsministerkonferenz am Freitag zusammen. „Wir haben die Verhältnismäßigkeit gewahrt“, betonte der CSU-Mann.
Ziel der Novelle der Straßenverkehrsordnung war es, die schwächeren Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer und Fußgänger besser zu schützen und das Rad auf Augenhöhe zum Auto zu bringen. „Unser Ziel ist die Vision Zero“, sagte Scheuer. Mithilfe der neuen Regeln würde man dieser Vision, dass keine Verkehrsteilnehmer mehr auf deutschen Straßen sterben, einen Schritt näherkommen. „Wenn man 30, 40 km/h zu schnell ist, ist das kein Kavaliersdelikt“, betonte die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz und Bremens Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne). Künftig werden „Raser empfindlich bestraft“, sagte Schaefer.
Härtere Strafen gibt es demnach vor allem für Autofahrer, die sich nicht regelkonform verhalten. Laut Beschluss soll die Tempoüberschreitung von 26 km/h innerorts nicht mehr 100, sondern 180 Euro kosten. Wer außerorts 26 km/h zu schnell fährt, zahlt nicht mehr 80, sondern künftig 150 Euro. Wer keine Rettungsgasse bildet, muss mit einer Strafe zwischen 200 und 320 Euro sowie einem Monat Fahrverbot rechnen.
Wer gegen das allgemeine Halteund Parkverbot verstößt, kommt nicht mehr mit einer Strafe von 15 Euro davon, sondern muss 55 Euro zahlen. Auch neue Tatbestände sind hinzugekommen. Fahrer von Autos mit Verbrennungsmotor, die auf Plätzen für E-Autos oder Carsharingfahrzeuge parken, werden ein Verwarnungsgeld von 55 Euro blechen müssen.
Der Einigung auf einen Bußgeldkatalog war ein Konflikt vorausgegangen. Bereits vor einem Jahr war die Novelle der Straßenverkehrsordnung und ein neuer Bußgeldkatalog beschlossen worden. Wegen eines juristischen Fehlers wurden die härteren Strafen jedoch außer Kraft gesetzt. Scheuer und unionsgeführte Bundesländer sahen hohe Geldbußen und Fahrverbote bei zu schnellem Fahren als unverhältnismäßig an, während die Grünen Bußgelder an das europäische Niveau annähern wollten. Monatelang warfen sich die Parteien Blockadehaltung vor. Sogar eine Findungskommission brachte Scheuer ins Gespräch. Die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Schaefer, befürchtete gar, dass es keine Lösung bis zur Bundestagswahl geben könnte.
Die Erleichterung über einen Kompromiss war den Ländervertretern am Freitag deutlich anzuhören. Egal ob der Brandenburger Guido Beermann (CDU), die Saarländerin Anke Rehlinger (SPD) oder die Bremerin Maike Schaefer: Die Verkehrsminister betonten die „konstruktive“und „ergebnisorientierte“Zusammenarbeit. Es habe ein Mit- statt eines Gegeneinanders gegeben. Sogar von einer „Sternstunde“der Verkehrsministerkonferenz war die Rede.
„Politik kann sich einigen. Da macht Politikmachen Spaß“, freute sich auch Bundesminister Scheuer. Auch Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), lange Verhandlungsführer der Grünen in dem Streit, zeigte sich nun erleichtert über den Kompromiss. „Das dient der Verkehrssicherheit der Fußgänger und der Radfahrer und auch dem regelkonformen Verhalten.“
Lob für die Streitschlichtung gab es auch vonseiten der Radfahrer.
„Gut, dass das unwürdige Gezerre jetzt endlich beendet ist“, sagte die Vizebundesvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), Rebecca Peters. Der Streit hätte zur Folge gehabt, dass Radwege sanktionslos zugeparkt und Radfahrende weiter gefährdet gewesen seien.
Für die Grünen im Bundestag geht die Einigung nicht weit genug. Sie forderten weitere Novellierungen des Bußgeldkatalogs. Um das Gefahrenpotenzial auf der Straße zu minimieren, „bedarf es weiterer zielgerichteter Maßnahmen wie Sicherheitstempo auf den Autobahnen und für Kommunen die Möglichkeit, bei Bedarf innerorts eine niedrige Geschwindigkeit zuzulassen“, sagte die Sprecherin für Stadtentwicklung der Grünen-Bundestagsfraktion, Daniela Wagner.
Nun soll der Beschluss der Verkehrsminister den Bundesrat Mitte September erreichen. Ab wann die neuen Bußgelder dann gelten, ist noch unklar.