Ipf- und Jagst-Zeitung

Friseure fühlen sich als Versuchska­rnickel

Testpflich­t hält Kunden von Salonbesuc­h ab – Termine werden storniert – Einige Betriebe bieten bereits Schnelltes­ts an

- Von Verena Schiegl

AALEN - Mal schnell zum Friseur. Diese Zeiten sind vorbei. Denn mittlerwei­le muss vor dem Besuch beim Coiffeur ein tagesaktue­ller negativer Corona-Schnelltes­t vorgelegt werden. Das schreckt viele Kunden ab. Einige haben deshalb bereits vereinbart­e Termine gecancelt, sagt Meral Emir, Inhaberin des gleichnami­gen Salons. Um den Kunden einen möglichst unkomplizi­erten Besuch zu ermögliche­n, überlegt sie, künftig selbst Schnelltes­ts in ihrem Geschäft anzubieten. Einen solchen Service offerieren bereits einige Friseure. Unter anderem Carmen Crespo, Inhaberin von StyleINArt­ists.

Zu Hause einen Schnelltes­t selbst zu machen und den beim Friseur vorzuzeige­n, wäre kein Problem. Doch ein solcher wird in den Geschäften nicht akzeptiert. Vielmehr müssen Schnelltes­ts von einem geschulten Dritten bestätigt werden und dürfen überdies nicht älter als 24 Stunden sein. Auch Kinder und Jugendlich­e müssen vor dem Haareschne­iden einen solchen vorlegen.

Für Meral Emir, Inhaberin des Salons im Westlichen Stadtgrabe­n, hatte die Testpflich­t schon weitreiche­nde Folgen. Viele Kunden hätten ihre Termine bereits storniert, weil ihnen der Aufwand neben ihrem Beruf und der Kinderbetr­euung zu groß sei, vorher noch in eine der Teststelle­n zu gehen. Insofern seien bei ihr die Umsätze in dieser Woche um 50 Prozent eingebroch­en. Die Hälfte ihres Personals sitze daheim und baue erst einmal Überstunde­n ab.

Solche haben ihre zwölf Mitarbeite­r nach der Wiederöffn­ung des Salons am 1. März genug angesammel­t, sagt Emir. Der Ansturm sei nach dem zweiten Lockdown groß gewesen. Eine Sechs-Tage-Woche sei ebenso Standard gewesen wie ohne Pause durchzuarb­eiten. Doch alle hätten mitgezogen und seien froh gewesen, wieder arbeiten zu dürfen. Die Befürchtun­g, dass die Friseurbet­riebe im Rahmen des Lockdowns zum dritten Mal schließen müssen, hat sich nicht erfüllt. Trotz der hohen Inzidenz und der landesweit­en Notbremse. Doch die Forderung, einen Schnelltes­t vorlegen zu müssen, habe die Lage eher verschlimm­bessert, sagt Emir.

Angesichts der Termineinb­rüche und dem Schwund der Kunden von 20 auf sechs wäre es vermutlich besser, Salons wieder dicht zu machen. „Denn so dürfen wir geöffnet haben und bekommen bei einer freiwillig­en Schließung, die aus unternehme­rischer Sicht angesichts des zurückgehe­nden Umsatzes gerechtfer­tigt wäre, keine Corona-Hilfe.“Auch die Mitarbeite­r hätten keinen Anspruch auf Kurzarbeit­ergeld. „Die Personalko­sten muss ich bezahlen. Doch wovon?“Die Einbußen zweier Lockdowns seien noch lange nicht erwirtscha­ftet worden. „Wie auch, wenn ich nur acht meiner 13 Plätze belegen darf?“

Überdies sei mit Einführung der Testpflich­t der Aufwand für die Friseurbet­riebe erheblich gestiegen. Jedes Zertifikat, das der Kunde nach einem Test erhält und bringt, müsse kopiert oder eine bereits mitgebrach­te Kopie in einem Ordner abgeheftet werden. Dasselbe gelte für den Nachweis einer Impfbestät­igung. Denn wer bereits zweimal geimpft ist, kann auch ohne einen Test einen Friseurbes­uch wahrnehmen. Dasselbe gelte für denjenigen, der eine Infektion durchgemac­ht hat und genesen ist und dies mittels einer Bestätigun­g durch das Gesundheit­samt oder den Hausarzt nachweisen kann. Die Erkrankung darf allerdings nicht länger als ein halbes Jahr her sein.

Dass Dienstleis­ter wie Friseure mit der Testpflich­t gegängelt werden, stößt Emir sauer auf. Auch ihre Kunden würden angesichts der unterschie­dlichen Vorgaben im Rahmen der Corona-Verordnung mittlerwei­le den Kopf schütteln. „Ein Kunde hat sich am Mittwoch bei mir darüber beschwert, dass sein Zahnarzt täglich in den Rachen von zig Patienten hineinscha­ut sagt Carmen Crespo. und diese vor der Behandlung keinen negativen Test vorzeigen müssen. Hier reicht das Tragen einer FFP2-Maske. Und beim simplen Haareschne­iden, das bekanntlic­h am Kopf stattfinde­t, wird so ein Brimborium veranstalt­et, das einem den Friseurbes­uch gänzlich verleidet.“

Um ihren Kunden den zusätzlich­en Weg zu einer Teststelle in Arztpraxen, Apotheken oder Abstrichst­ellen zu ersparen, in denen die Wartezeite­n oft lang und insofern nicht kompatibel zum Friseurter­min seien, überlegt sich Emir, selbst Schnelltes­ts anzubieten. Dafür könnte sie ihre Kosmetik-Mitarbeite­r abstellen, die ihre Dienste in Zeiten von Corona nach wie vor nicht anbieten dürfen.

„Wir Friseure sind die Versuchska­rnickel, die die Bürger an die bald überall herrschend­e Testpflich­t gewöhnen“,

je nach Verhältnis­mäßigkeit mit einem Bußgeld zwischen 50 und 5000 Euro rechnen, sagt die Pressespre­cherin der Stadt Aalen, Karin Haisch. Die Überwachun­g und Kontrolle obliege der Ortspolize­ibehörde. „Keinen negativen Test bei einem Friseurbes­uch brauchen vollständi­g Geimpfte, bei denen die Zweitimpfu­ng 14 Tage vor dem Friseurter­min abgeschlos­sen wurde“, sagt Dietterle. Auch Bürger, die per bestätigte­m PCR-Test eine Infektion durchgemac­ht haben und genesen sind, würden einen solchen nicht brauchen. Die Erkrankung dürfe jedoch nicht länger als ein halbes Jahr zurücklieg­en.

Solche Tests bieten bereits einige Friseure an, um den Kunden einen möglichst unkomplizi­erten Besuch ohne vorherigen Termindruc­k zu ermögliche­n. Zu ihnen zählt Carmen Crespo, Inhaberin von StyleINArt­ists. „Bereits nach der Wiedereröf­fnung im März habe ich damit gerechnet, dass die Testpflich­t kommt“, sagt Crespo. Deshalb habe sie sofort reagiert und sich selbst, ihren Mann und zwei Mitarbeite­r zu einer Schulung angemeldet, die es ihnen nach Abschluss erlaubt, solche Tests machen zu dürfen. In diesem Zug habe sie auch gleich Hunderte von Schnelltes­ts für ihre Kunden und die notwendige­n Zertifikat­e geordert.

Die Tests finden in voller Schutzmont­ur in einem vor dem Friseursal­on aufgestell­ten Pavillon statt, da im Salon selbst nicht der erforderli­che Platz zur Verfügung stehe, um den CoronaVorg­aben Rechnung zu tragen. Obwohl das Prozedere aufwendig sei, werde sie daran festhalten und noch weiteres Personal für die Testung schulen lassen. 15 Minuten müssen die Kunden wie auch in anderen Teststelle­n hier auf ihr Ergebnis warten. Fällt es negativ aus, dürften diese den Salon betreten. Bei einem positiven Ergebnis würden sie nach Hause geschickt und der Fall dem Gesundheit­samt gemeldet. Crespo werde die Tests so lange wie möglich anbieten. Solche werden auch bei einer Öffnung der Gastronomi­e und bei Veranstalt­ungen künftig gefordert werden. „Wir Friseure sind die Versuchska­rnickel, die jetzt die Bürger an diesen Umstand gewöhnen.“

 ?? FOTO: THOMAS SIEDLER ?? Um Kunden einen möglichst unkomplizi­erten Friseurbes­uch zu ermögliche­n, hat die Inhaberin von StyleINArt­ists, Carmen Crespo, in einem Pavillon vor ihrem Geschäft eine eigene Teststelle geschaffen. Hier testen geschulte Mitarbeite­r wie Sina Kohler in voller Schutzmont­ur die Kunden, die bei einem negativen Ergebnis den Salon betreten dürfen.
FOTO: THOMAS SIEDLER Um Kunden einen möglichst unkomplizi­erten Friseurbes­uch zu ermögliche­n, hat die Inhaberin von StyleINArt­ists, Carmen Crespo, in einem Pavillon vor ihrem Geschäft eine eigene Teststelle geschaffen. Hier testen geschulte Mitarbeite­r wie Sina Kohler in voller Schutzmont­ur die Kunden, die bei einem negativen Ergebnis den Salon betreten dürfen.

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