Wegen Unkenntnis ist keiner gestorben
Kliniken-Chef Ulrich Solzbach über Verlauf und aktuelle Situation in der Corona-Pandemie
AALEN - Im Gesundheitsausschuss des Kreistags hat Professor Ulrich Solzbach, der Vorstandsvorsitzende der Kliniken Ostalb, Mut gemacht: Ende Mai wird sich nach seiner Ansicht die Situation an den Kliniken dank der Impfkampagne deutlich entspannen. Mit ihm hat Viktor Turad gesprochen.
Wenn wir noch einmal ganz an den Anfang der Pandemie zurückblenden: Die Medizin hatte es damals mit etwas Neuartigem zu tun und musste dazulernen. Sind deswegen auch Fehler passiert oder ganz direkt gefragt: Ist es deswegen zu Todesfällen gekommen?
Nein, überhaupt nicht. Das kann man ausschließen. Ein Problem bei der Infektion mit dem Corona-Virus liegt darin, dass eine infizierte Person das Virus weitergeben kann, noch bevor Symptome auftreten. Das macht die Eingrenzung der Infektion so schwierig. Bei anderen Infektionen, wie zum
Beispiel der Influenza, ist eine Person dann erst ansteckend, wenn Symptome auftreten. Ein anderes Problem ist, dass es bisher noch kein direktes Medikament gegen diese Infektion gibt. Besonders bei schweren Verläufen mit Lungenbefall und Kreislaufproblemen dauert die Behandlung oft sehr lang. Häufig wird sogar auch eine Beatmung notwendig. In manchen Fällen kann sich so eine Behandlung auf der Intensivstation über Wochen hinziehen. In den ersten beiden Pandemiewellen zeigten sich die schweren Verläufe eher bei alten Patienten, bei denen naturgemäß durch Vorerkrankungen und mangelnde Abwehrkräfte im Alter die Erkrankung doch oft zum Tode führte.
Für die Beschäftigten der Kliniken bedeutet dies, dass sie ständig Stress haben.
Ja in der Tat, die Beschäftigten der Kliniken leisten Unglaubliches. Sie sind wirklich zu bewundern. Sie arbeiten am Anschlag und vor allem in unseren Intensivabteilungen aktuell an der Kapazitätsgrenze. Dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trotzdem weiter mitmachen, sie jetzt inzwischen schon in der dritten Welle der Pandemie die Ärmel hochkrempeln und zusammenstehen, ist fantastisch. Aber ich denke auch an die vielen Patientinnen und Patienten, deren Operationen wir jetzt in der Pandemie verschieben müssen.
Wann ist nach ihrer Einschätzung eine Entspannung der Lage zu erwarten?
Virologen sagen, dass wir bei einer Impfquote von etwa 70 Prozent die Herdenimmunität erreichen. Etwa 20 Prozent der Bevölkerung haben zurzeit die erste Impfung bereits hinter sich. Hinzu kommen auch die Menschen, die eine Infektion schon durchgemacht haben. Auch die haben eine Immunität gegen Corona. Sobald wir in einigen Wochen eine Impfquote von 40 bis 50 Prozent erreicht haben, hat das Virus kaum mehr die Möglichkeit, sich von Mensch zu Mensch zu verbreiten. Dann haben wir gewonnen. Ich habe die Hoffnung, dass das Ende Mai der Fall sein wird. Dann können wir durchatmen. Aber vermutlich werden wir, wie auch bei der Influenza, regelmäßig Auffrischimpfungen gegen Covid-19 brauchen.