Brauereien: Folgen des Lockdowns unterschiedlich
Die Brauer bleiben auf ihren Fassbieren sitzen – Corona-Krise befeuert Bierverdruss der Deutschen
ELLWANGEN - Dass die Deutschen von Jahr zu Jahr weniger Bier trinken, ist kein neuer Trend. Allerdings hat die Corona-Krise die Situation deutlich verschärft. Das spüren auch Brauereien auf der Ostalb. Die einen allerdings mehr, die anderen weniger. Die Reaktionen in der Region sind höchst unterschiedlich.
Laut Statistischem Bundesamt ist der pro Kopf-Verbrauch beim Bier 2020 bundesweit um 5,4 Prozent eingebrochen – knapp fünf Liter weniger als im Vorjahr. Damit sei es der stärkste Rückgang in den vergangenen zehn Jahren, heißt es in einer Pressemeldung weiter. Alexander Veit, Geschäftsführer der Ellwanger Rotochsen-Brauerei, erklärt es mit den fehlenden „Trinkanlässen“. Geschlossene Gastronomie, keine Festveranstaltungen. Und diese werden zumindest zum Teil, womöglich sogar erneut komplett, 2021 ausfallen. Allerdings gibt es auch Lichtblicke. „Gleichwohl stellen wir fest, dass die Absatzzahlen im Lebensmitteleinzelhandel zugelegt haben“, so Veit. Dies sei auch dem Trend der Regionalität zu verdanken.
Dennoch: Laut des baden-württembergischen Brauerbunds hat es allein im Februar – beispielsweise auch durch das Ausfallen der Faschingssaison – ein Absatzminus von rund 30 Prozent gegeben, so eine Sprecherin auf Nachfrage. Bitter wird es dann – nicht nur für Bierfans, sondern vor allem wegen der Nachhaltigkeit – wenn Lebensmittel wie Bier weggeschüttet beziehungsweise vernichtet werden muss, weil es nicht verkauft wurde und das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten hat.
„Insbesondere Fassbier ist von der Vernichtung bedroht“, so die Sprecherin des Brauerbunds. Denn dies werde vor allem an die Gastronomie verkauft. „Wir werden das gesamte Bier von den Gaststätten zurückholen und durch frisches austauschen“, sagt Alexander Veit von der Rotochsen-Brauerei. Und fügt an: „Leider muss deshalb auch Bier vernichtet werden.“Anders sieht das im nahegelegenen Aalen aus, genauer gesagt in Wasseralfingen, berichtet der Geschäftsführer
„Insbesondere Fassbier ist von der Vernichtung bedroht“,
der ansässigen Löwenbrauerei, Timo Löffler.
„Wir haben im vergangenen Jahr immer sehr behutsam agiert und unsere Bestände immer im Auge gehabt. Auch als sich der neuerliche Lockdown für die Gastronomie im Oktober für Anfang November angekündigt hat, waren wir im Fassbereich sehr vorsichtig“, so Löffler. Das Mindesthaltbarkeitsdatum sei zudem „in keinster Weise gefährdet“. Bier wurde in Wasseralfingen keines weggeschüttet, betont der Brauerei-Chef. Saisonale Schwankungen gebe es ohnehin immer, denen es sich anzugleichen gilt.
Immer häufiger zeigten Brauereien, denen es anders erging, beispielsweise in sozialen Medien, wie sie der drohenden Vernichtung ihrer Produkte sagt eine Sprecherin des Braubundes.
entgegenwirkten. Bäcker nutzten Biere für Brot, Brennereien schufen daraus Brände. In Wasseralfingen musste man nicht kreativ werden, in Ellwangen hingegen sehr wohl beziehungsweise auf bestehende Alternativen verstärkt ausweichen. Weizenbierlikör und Bockbierbrand seien ein fester Bestandteil im Brauereigasthof, so Veit. „Inzwischen haben wir hier die Bestände bereits deutlich erhöht.“Für den Brauerbund allerdings keine lohnende Zweckentfremdung „in Anbetracht der Millionen Liter, die im Raum stehen. So viele Bierbrote wird es wohl kaum geben.“
Deutlich wird das im Absatz. In Baden-Württemberg wurden im Oktober 2019 noch rund 520 500 Hektoliter Bier abgesetzt. Ein Jahr später 25 Prozent weniger. In der Bundesrepublik sind es laut Statistischem Bundesamt im ersten Pandemiejahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr 508,2 Millionen Liter alkoholhaltiges Bier weniger. Wohl dem, der Biermischgetränke produziert. Denn zwar gab es auch hier einen Rückgang, allerdings fiel der nicht so stark aus.
Ein wenig thematisierter Nebeneffekt der geschlossenen Gastronomie sowie der ausgefallenen Festivitäten ist eine angespannte Leergutsituation, berichtet Timo Löffler. Dies sei auf die Entwicklung vom Fasszum Flaschenbier zurückzuführen. „Doch haben wir unsere Leergut-Bestände in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut, sodass wir damit trotzdem ganz gut klargekommen sind“, berichtet der BrauereiGeschäftsführer.
Dass viele Brauereien finanziell überhaupt nicht mehr gut klarkommen, ist logische Konsequenz der Corona-Regelungen seit Monaten. Kampfpreise in den Supermärkten zeugen von dringendem Absatzbedarf um jeden (noch so günstigen) Preis. „Die aggressive Preispolitik wird also dieses Jahr weitergeführt und so dienen Bier-Marken als attraktive Lockvogelangebote“, meint Alexander Veit. Erfreulich sei aber der anhaltende Trend, dass Biere aus der Region weiter an Bedeutung gewinnen und Verbraucher bereit seien, mehr für dieses auszugeben. Aber das wird wohl kaum reichen. Um ein Massensterben zu verhindern, hat der Brauerbund zumindest noch eine positive Nachricht zu verkünden.
Nun würden nach langem Kampf Gaststätten, „die an ein Unternehmen wie beispielsweise an eine Brauerei angeschlossen sind, bei der Antragsberechtigung für die Novemberund Dezemberhilfen so behandelt, als handle es sich um eigenständige Unternehmen“. Damit nach der Pandemie die Menschen noch Anlaufstellen finden, um mit einem Erzeugnis aus der Nachbarschaft anzustoßen. Vielleicht ja am Tag des Bieres (23. April) 2022. Oder sogar schon davor.