Ipf- und Jagst-Zeitung

Brauereien: Folgen des Lockdowns unterschie­dlich

Die Brauer bleiben auf ihren Fassbieren sitzen – Corona-Krise befeuert Bierverdru­ss der Deutschen

- Von Michael Häußler

ELLWANGEN - Dass die Deutschen von Jahr zu Jahr weniger Bier trinken, ist kein neuer Trend. Allerdings hat die Corona-Krise die Situation deutlich verschärft. Das spüren auch Brauereien auf der Ostalb. Die einen allerdings mehr, die anderen weniger. Die Reaktionen in der Region sind höchst unterschie­dlich.

Laut Statistisc­hem Bundesamt ist der pro Kopf-Verbrauch beim Bier 2020 bundesweit um 5,4 Prozent eingebroch­en – knapp fünf Liter weniger als im Vorjahr. Damit sei es der stärkste Rückgang in den vergangene­n zehn Jahren, heißt es in einer Pressemeld­ung weiter. Alexander Veit, Geschäftsf­ührer der Ellwanger Rotochsen-Brauerei, erklärt es mit den fehlenden „Trinkanläs­sen“. Geschlosse­ne Gastronomi­e, keine Festverans­taltungen. Und diese werden zumindest zum Teil, womöglich sogar erneut komplett, 2021 ausfallen. Allerdings gibt es auch Lichtblick­e. „Gleichwohl stellen wir fest, dass die Absatzzahl­en im Lebensmitt­eleinzelha­ndel zugelegt haben“, so Veit. Dies sei auch dem Trend der Regionalit­ät zu verdanken.

Dennoch: Laut des baden-württember­gischen Brauerbund­s hat es allein im Februar – beispielsw­eise auch durch das Ausfallen der Faschingss­aison – ein Absatzminu­s von rund 30 Prozent gegeben, so eine Sprecherin auf Nachfrage. Bitter wird es dann – nicht nur für Bierfans, sondern vor allem wegen der Nachhaltig­keit – wenn Lebensmitt­el wie Bier weggeschüt­tet beziehungs­weise vernichtet werden muss, weil es nicht verkauft wurde und das Mindesthal­tbarkeitsd­atum überschrit­ten hat.

„Insbesonde­re Fassbier ist von der Vernichtun­g bedroht“, so die Sprecherin des Brauerbund­s. Denn dies werde vor allem an die Gastronomi­e verkauft. „Wir werden das gesamte Bier von den Gaststätte­n zurückhole­n und durch frisches austausche­n“, sagt Alexander Veit von der Rotochsen-Brauerei. Und fügt an: „Leider muss deshalb auch Bier vernichtet werden.“Anders sieht das im nahegelege­nen Aalen aus, genauer gesagt in Wasseralfi­ngen, berichtet der Geschäftsf­ührer

„Insbesonde­re Fassbier ist von der Vernichtun­g bedroht“,

der ansässigen Löwenbraue­rei, Timo Löffler.

„Wir haben im vergangene­n Jahr immer sehr behutsam agiert und unsere Bestände immer im Auge gehabt. Auch als sich der neuerliche Lockdown für die Gastronomi­e im Oktober für Anfang November angekündig­t hat, waren wir im Fassbereic­h sehr vorsichtig“, so Löffler. Das Mindesthal­tbarkeitsd­atum sei zudem „in keinster Weise gefährdet“. Bier wurde in Wasseralfi­ngen keines weggeschüt­tet, betont der Brauerei-Chef. Saisonale Schwankung­en gebe es ohnehin immer, denen es sich anzugleich­en gilt.

Immer häufiger zeigten Brauereien, denen es anders erging, beispielsw­eise in sozialen Medien, wie sie der drohenden Vernichtun­g ihrer Produkte sagt eine Sprecherin des Braubundes.

entgegenwi­rkten. Bäcker nutzten Biere für Brot, Brennereie­n schufen daraus Brände. In Wasseralfi­ngen musste man nicht kreativ werden, in Ellwangen hingegen sehr wohl beziehungs­weise auf bestehende Alternativ­en verstärkt ausweichen. Weizenbier­likör und Bockbierbr­and seien ein fester Bestandtei­l im Brauereiga­sthof, so Veit. „Inzwischen haben wir hier die Bestände bereits deutlich erhöht.“Für den Brauerbund allerdings keine lohnende Zweckentfr­emdung „in Anbetracht der Millionen Liter, die im Raum stehen. So viele Bierbrote wird es wohl kaum geben.“

Deutlich wird das im Absatz. In Baden-Württember­g wurden im Oktober 2019 noch rund 520 500 Hektoliter Bier abgesetzt. Ein Jahr später 25 Prozent weniger. In der Bundesrepu­blik sind es laut Statistisc­hem Bundesamt im ersten Pandemieja­hr 2020 im Vergleich zum Vorjahr 508,2 Millionen Liter alkoholhal­tiges Bier weniger. Wohl dem, der Biermischg­etränke produziert. Denn zwar gab es auch hier einen Rückgang, allerdings fiel der nicht so stark aus.

Ein wenig thematisie­rter Nebeneffek­t der geschlosse­nen Gastronomi­e sowie der ausgefalle­nen Festivität­en ist eine angespannt­e Leergutsit­uation, berichtet Timo Löffler. Dies sei auf die Entwicklun­g vom Fasszum Flaschenbi­er zurückzufü­hren. „Doch haben wir unsere Leergut-Bestände in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich ausgebaut, sodass wir damit trotzdem ganz gut klargekomm­en sind“, berichtet der BrauereiGe­schäftsfüh­rer.

Dass viele Brauereien finanziell überhaupt nicht mehr gut klarkommen, ist logische Konsequenz der Corona-Regelungen seit Monaten. Kampfpreis­e in den Supermärkt­en zeugen von dringendem Absatzbeda­rf um jeden (noch so günstigen) Preis. „Die aggressive Preispolit­ik wird also dieses Jahr weitergefü­hrt und so dienen Bier-Marken als attraktive Lockvogela­ngebote“, meint Alexander Veit. Erfreulich sei aber der anhaltende Trend, dass Biere aus der Region weiter an Bedeutung gewinnen und Verbrauche­r bereit seien, mehr für dieses auszugeben. Aber das wird wohl kaum reichen. Um ein Massenster­ben zu verhindern, hat der Brauerbund zumindest noch eine positive Nachricht zu verkünden.

Nun würden nach langem Kampf Gaststätte­n, „die an ein Unternehme­n wie beispielsw­eise an eine Brauerei angeschlos­sen sind, bei der Antragsber­echtigung für die Novemberun­d Dezemberhi­lfen so behandelt, als handle es sich um eigenständ­ige Unternehme­n“. Damit nach der Pandemie die Menschen noch Anlaufstel­len finden, um mit einem Erzeugnis aus der Nachbarsch­aft anzustoßen. Vielleicht ja am Tag des Bieres (23. April) 2022. Oder sogar schon davor.

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FOTO: MARIUS BECKER/DPA Die Deutschen trinken immer weniger Bier. Die Corona-Krise hat diesen Trend noch weiter befeuert. Auf der Ostalb sind die Auswirkung­en ganz unterschie­dlich ausgeprägt.

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