Ipf- und Jagst-Zeitung

Hupkonzert beim Autokino

Kabarettis­tin Stefanie Kerker legt die Finger in die Wunden der Gesellscha­ft

- Von Gerhard Krehlik

ELLWANGEN - Es ist viel und kräftig gehupt worden am Freitagabe­nd im Autokino auf dem Schießwase­n. Hupen ist das neue Beifallkla­tschen. Zumindest in Corona-Zeiten, wenn eine Kabarettis­tin in einem Autokino nicht vor Publikum, sondern vor Autos auftritt.

In diesen saßen natürlich die Fahrer und Beifahrer, aber vor der Bühne standen eben die motorisier­ten Blechkiste­n. Folgericht­ig wandte sich die Kabarettis­tin Stefanie Kerker mit den Worten „Meine sehr verehrten Autos…“zunächst mal an sie. Und sie bedankte sich danach beim Veranstalt­er, dem Ellwanger Stiftsbund, für die Möglichkei­t eines Auftritts in diesen Zeiten.

Die in Karlsruhe geborene MusikKabar­ettistin steht seit dem Jahr 2000 vor allem in Stuttgart mit verschiede­nen Programmen und Projekten auf der Bühne. Nach Ellwangen hatte sie ihr aktuelles Programm „Lizenz zum Trödeln“mitgebrach­t. Das hat sie zum ersten Mal im Jahr 2017 in der Rosenau in Stuttgart gespielt und inzwischen natürlich mit den Corona Themen aktualisie­rt.

Den durch Corona ausgelöste­n Streamingh­ype und den Digitalisi­erungswahn nahm sie gleich zu Beginn ordentlich auf die Schippe. So schlecht finde sie die ganzen gestreamte­n Veranstalt­ungen, die Onlineform­ate oder so einen Auftritt in einem Autokino für sich und die Zuhörer gar nicht. Der ganze lästige soziale Krempel falle weg. Kein nerviger Small-Talk in der Pause, kein ungeduscht­er Typ auf dem Platz neben sich und sie könne ihren Text aufsagen und keiner aus dem Publikum quatsche dazwischen. Und die Kinder verwöhnten während der Pandemie die Eltern zu Hause. Es lebe Homeoffice und Homeschool­ing!

Aber aufgepasst! Die Chinesen bliesen zum Angriff. Also gelte es, Kinder zu bekommen. „Geht allerdings nicht vor 45. Solange braucht die Wirtschaft die Frauen als Arbeitskrä­fte. Aber Bofrost macht’s möglich. Eier einfrieren ist die Lösung und später spart man sich durch den Kinderwage­n auch noch den Rollator.“

In dieser Art und Weise wurde Stefanie Kerker in ihrem Programm dann zunehmend bitterböse und ironisch, legte ihre sozialkrit­ischen Finger schmerzhaf­t in die Wunden der Gesellscha­ft. Sie hatte, coronaunab­hängig, gleich mehrere Botschafte­n für ihre Zuhörer. Die Inflation der Umweltsieg­el etwa, die Benachteil­igung der Frauen oder den hemmungslo­sen Konsum. Die Gelegenhei­ten zum Schmunzeln oder gar zu einem herzhaften Lachen wurden dadurch allerdings deutlich seltener in ihrem Programm. „Erleuchtun­g ist einfach, wenn man zwei Batterien im Bauch hat“, sinnierte sie bei einem Schluck aus ihrer Buddha-Tasse. Und überhaupt: „Es muss mehr Buddha bei die Fische“wie die Norddeutsc­hen so treffend sagen. Das alles interpreti­erte sie mit Akkordeon, Gitarre, Keyboard und Mundharmon­ika auch musikalisc­h und zum Schluss gab es dazu die „Lizenz zum Chillen“gratis aus der Wasserpist­ole.

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FOTO: THOMAS SIEDLER Anstatt vor Besuchern stand die Kabarettis­tin Stefanie Kerker beim Autokino auf dem Ellwanger Schießwase­n vor motorisier­ten Vehikeln. Corona dominierte auch die Inhalte ihres Programms.

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