Begründungen wären wichtig
Was ist gerecht? Das ist eine ewige Frage, die in den Corona-Monaten besonders aktuell ist. Die Krise fordert unser Fairness-Empfinden, und zwar von Anfang an. Grob gesprochen sind zwei Ansätze im Kampf gegen das Virus möglich: Entweder geht es darum, als Gesellschaft möglichst gut mit Corona auszukommen, oder aber es könnte unser Ziel sein, so viele Menschen wie möglich vor dem Tod durch die Seuche zu retten.
Die Entscheidung ist leider ohne ausdrückliche Erklärung gefallen. Bund und Länder haben sich für den ersten Ansatz entschieden. Ginge es alleine darum, möglichst viele Leben zu retten, wäre der Umgang mit Corona deutlich einfacher: Man müsste das Land einfach nur jedes Mal dichtmachen, wenn die Infektionszahlen nach oben gehen, und zwar vollständig und ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Interessen oder auf die Kosten, die nicht nur die aktuelle, sondern auch kommende Generationen dadurch tragen müssen.
Weil sich die Politik bei anfangs hoher Zustimmung anders entschieden hat, entstehen neue Ungerechtigkeiten, sind bestimmte Berufsgruppen härter von den Einschränkungen getroffen als andere, konzentriert sich die Kontaktreduzierung auf den privaten Bereich und lässt die Wirtschaft außen vor. Obwohl es klar ist, dass es zu Ansteckungen auch in Betrieben und in öffentlichen Verkehrsmitteln kommt. Auch wenn es keiner ausdrücklich sagt, es geht immer um eine Interessensabwägung zwischen Opfern der Pandemie und Wirtschaftsinteressen. Letztere dienen ja nicht nur der Wirtschaft und den Bossen, sondern sie dienen zudem jedem Beschäftigten im Land und auch unseren Kindern, die so auf eine einigermaßen gesicherte ökonomische Zukunft blicken können.
Es überwiegt die Überzeugung, dass die Begleitschäden zu groß wären, würde man es anders machen. Gerecht kann ein solches Vorgehen nie sein. Am Ende kommt es darauf an, diese Ungerechtigkeiten anzusprechen und zu begründen. Das macht es einfacher, die manchmal auch nur so empfundene Benachteiligung zu ertragen.