Wiesn in der Wüste
Das Münchner Oktoberfest soll in Dubai aufgezogen werden – Kann das funktionieren?
LIMASSOL/DUBAI - In Dubai war man schon immer einen Schritt schneller und vor allem dreister, Gigantomanie in dem Emirat niemals ein Schimpfwort. „Wir müssen die Nummer 1 sein. Wer Zweiter wird, interessiert niemand“, lautet das Leitmotiv von Scheich Raschid al Maktoum, dem autoritären Herrscher des Zwergstaates am Persischen Golf. Es war vermutlich nicht seine Idee, das Oktoberfest in diesem Jahr in der Wüste aufzuziehen, „mit 30 einzigartigen Festzelten sowie der mit 135 Meter längsten Bierbar und dem höchsten Maibaum der Welt“, wie es etwa die Website https://oktoberfest-dubai.com/ verspricht.
Aber die Zustimmung des Scheichs, das ist sicher, war notwendig. Um sein Emirat aus der Verlustzone, in der es sich wieder einmal befindet, zu holen, war und ist der selbst ernannte Visionär schon immer ungewöhnliche Wege gegangen. Als in Europa wegen der Pandemie die Bürgersteige hochgeklappt wurden, lud Dubai zur Mega-Party ein. Allein in der ersten Januar-Woche jetteten mehr als eine halbe Million Menschen in den Wüstenstaat. Zuvor hatten bezahlte Influencer in den sozialen Medien die Werbetrommel gerührt.
Dass gleichzeitig die Fallzahlen stiegen, war kein Hinderungsgrund. Warum also sollte nicht auch „bayerische Lebensfreude die Wüste erobern?“Dann, freuen sich schon jetzt die Initiatoren, bei denen es sich um den Berliner Weihnachtsmarktchef Charles Blume handeln soll, „wird das größte Volksfest der Welt noch größer“.
Nüchtern betrachtet hat es Dubai fast immer geschafft, „größer“zu sein als die Konkurrenten. Doch langsam stößt das Emirat mit seiner Gier nach Mehr an seine Grenzen. Der höchste Wolkenkratzer, die schönste Shopping-Mall und das größte Aquarium der Welt reichen längst nicht mehr aus, um neue Besucher anzulocken. Es fehlt trotz aller Gigantomanie einfach die touristische Infrastruktur sowie die kulturelle Tiefe, die Dubai für ausländische Besucher dauerhaft attraktiv machen würde.
Vor diesem Hintergrund mutet der Versuch, europäische Tradition in die Wüste zu verpflanzen, in eine Region, in der der traditionelle Islam mit seinen konservativen Wertvorstellungen noch immer fest verwurzelt ist, fast schon wie der letzte
Strohhalm an. „Mit Bier saufen“, um es überspitzt zu formulieren, „will man die Wirtschaft ankurbeln“.
Tatsächlich, versuchte es der Münchner Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner auf den Punkt zu bringen, sei „ein Oktoberfest in Dubai im Grunde das gleiche wie eine Demonstration für Demokratie in Pjöngjang“.
Den Münchner Wiesnwirten und den Schaustellern seien bislang noch keine Kollegen bekannt, die in Dubai dabei sein wollen, schreibt die Deutsche Presse-Agentur: „Mir ist keiner bekannt, der hinfährt“, wird der Vorsitzende des Münchner Schaustellerverbandes, Peter Bausch, zitiert. Ähnlich äußerte sich unter anderem auch der Sprecher der Wiesnwirte, Peter Inselkammer.
Das Oktoberfest in Dubai wäre überdies keineswegs das erste Bierfest, das unter diesem Namen läuft. Über 2000 Nachahmer gab es laut Schätzungen vor der Pandemie in aller Welt. Im Pandemiejahr 2020 dürften die meisten ausgefallen sein.
In diesem Jahr könnte es in Dubai indes wieder klappen. Allerspätestens im nächsten Jahr wird das Münchner Original wieder seine Pforten öffnen – und das Oktoberfest in der Wüste vergessen sein. Man darf gespannt sein, mit welchen Ideen dann das Emirat für Schlagzeilen sorgen wird. An Ideenreichtum, das kann man Dubai nicht vorwerfen, hat es an der Golfküste niemals gemangelt.