Die Kaviar-Connection führt nach Baden-Württemberg
Das autoritäre Regime in Aserbaidschan will politischen Einfluss nehmen – Vorwürfe gegen CDU-Abgeordnete
RAVENSBURG - Es sind die Zutaten für eine Geschichte über Filz und Einflussnahme: Fragwürdige Zahlungen an deutsche Politiker von einem autoritären Regime, das sich wenig um Menschenrechte schert. Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft München gegen Unionspolitiker wegen Bestechung und Bestechlichkeit von Mandatsträgern. Und viele Fragen an den CDU-Abgeordneten und Staatssekretär Thomas Bareiß zu seiner Tätigkeit in einem Lobbyverein, der das Image Aserbaidschans in Deutschland aufpolieren soll. Alle Spuren dieser als Kaviar-Connection bekannt gewordenen Politik- und Geschäftsbeziehungen zwischen Aserbaidschan und Deutschland führen nach BadenWürttemberg zu einer immer noch schillernden Figur: zu Otto Hauser, ehemaliger Regierungssprecher unter Kanzler Helmut Kohl. Er vertritt Aserbaidschans Interessen als Honorarkonsul.
Die Gründe für das große Interesse an dem kleinen Land sind schnell erzählt: Aserbaidschan zählt wegen seiner Öl- und Gasvorkommen sowie seiner geografischen Lage zu den strategisch wichtigsten Ex-Sowjetrepubliken. Mit 86 600 Quadratkilometern ist das Land am Kaspischen Meer etwas größer als Österreich, es grenzt unter anderem an Iran, Russland und Georgien. Die rund 9,5 Millionen Einwohner sind mehrheitlich Muslime. Hauptstadt ist die Millionenmetropole Baku. Für Deutschland ist Aserbaidschan der wichtigste Wirtschaftspartner im Kaukasus.
Politisch sind die Verhältnisse klar. Der Clan der Familie Alijew ist seit Jahrzehnten an der Macht, der Vater des derzeit herrschenden Autokraten Ilham Alijew diente zu Sowjetzeiten seit 1969 als Chef des gefürchteten Geheimdienstes KGB. Gerald Knaus, Chef des Thinktank Europäische Stabilitätsinitiative (ESI), spricht von „typischer Despotie mit einer Familie, der alles zusteht“.
Seit Jahrzehnten gibt es zwischen dem muslimischen Aserbaidschan und dem christlichen Armenien einen Konflikt um die Region Berg-Karabach. 2020 holte sich Aserbaidschan
weite Teile des Gebiets gewaltsam zurück. Mehr als 6000 Menschen starben. Weltweit hagelte es Kritik wegen der Aggression.
An dieser Stelle kommt Otto Hauser ins Spiel: Der Kurzzeit-Regierungssprecher in den letzten Monaten der Regierung Kohl etablierte sich seit 1998 als Unternehmensberater. Und er entdeckte seine Sympathie für Aserbaidschan, wurde mit dem Posten eines Honorarkonsuls in Stuttgart belohnt. Hauser sagt der „Schwäbischen Zeitung“: „Das Land könnte irgendwann, nach dem Ende der heutigen politischen Situation, eine wichtige Rolle für wirtschaftliche und politische Beziehungen in den Iran spielen.“Er verweist auf historische Beziehungen, geprägt durch Auswanderer aus Schwaben. Seine positive Meinung zur angeblich sehr ausgeprägten religiösen Toleranz in Aserbaidschan hat Hauser exklusiv, während Menschenrechtsorganisationen wie Open Doors immer wieder Religionsfreiheit einfordern. Und der 69-Jährige interpretiert auch den blutigen Krieg um Berg-Karabach durchaus eigenwillig: „Weil Berg-Karabach und weitere Regionen durch Armenien rechtswidrig besetzt gehalten wurde, hat Aserbaidschan das Völkerrecht wieder hergestellt.“Die Diskussion um angeblich eingeschränkte Presseund Meinungsfreiheit hält Hauser für übertrieben. Der Lobbyist hat vielen seiner Parteifreunde, vor allem in BadenWürttemberg, Kontakte und Reisen nach Aserbaidschan vermittelt: „Baku-Württemberg“spotten politische Gegner. Die CDU-Bundestagsabgeordneten Olav Gutting und Eberhard Gienger, früherer Turn-Weltmeister, gehören beispielsweise zur Kaviar Connection.
Auch Thomas Bareiß, seit 2005 CDU-Abgeordneter im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen und seit 2018 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, ist in Aserbaidschan gut vernetzt. Im März hatte es Fragen zu Gesprächen zwischen Bareiß und einem Amtskollegen in Baku gegeben: Dieser hatte 2020 um die Vermittlung von Beatmungsgeräten gebeten. Seine Antwort darauf war, er habe das aus rein humanitären Gründen getan und „selbstverständlich“keine Gegenleistung erhalten.
Fünf Reisen haben Bareiß seit 2005 in die Kaukasus-Republik geführt. „Die Presse- und Meinungsfreiheit sind für mich enorm hohe Güter, die man entschieden verteidigen muss“, sagt Bareiß, „trotzdem müssen wir auch mit Staaten reden, die nicht immer unsere Werte teilen. Wenn wir in der Welt etwas zum Besseren verändern wollen, brauchen wir Partner.“Er betont: „Aserbaidschan nimmt eine wichtige geostrategische Position zwischen Russland und Iran ein. Das sagt übrigens auch die EU-Kommission. Aserbaidschan ist zudem Partner im EU-Programm Östliche Partnerschaft.“
Jüngst erhobene Vorwürfe der Organisation Lobbycontrol, er habe seine Kontakte zum regimefreundlichen Verein Deutsch-Aserbaidschanisches Forum lange verschwiegen, weist Bareiß im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“zurück. Lobbycontrol wirft Bareiß vor, seit 2007 im Kuratorium des Forums mitgearbeitet zu haben. Dieses sei in den deutsch-aserbaidschanischen Lobby-Netzwerken aktiv. Bareiß habe diese Mitgliedschaft nicht angegeben. Bareiß sagt: Erst auf der Mitgliederversammlung 2013 sei er in das Kuratorium aufgenommen worden. Dies habe er umgehend dem Deutschen Bundestag angezeigt, Aufwandsentschädigungen seien nie geflossen. „Ich habe zwischen 2007 und 2013 auch an keiner Kuratoriumssitzung oder einer anderen Veranstaltung des deutsch-aserbaidschanischen Forums teilgenommen. Auch war ich nie Mitglied des Vereins.“
Die Generalstaatsanwaltschaft München interessiert sich derweil wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Bestechung von Mandatsträgern für eine ehemalige Praktikantin aus Aserbaidschan, die im Jahr 2006 für einen Monat in Bareiß’ Büro arbeitete und dann für eine Firma Kontakte in den Kaukasus vermittelte. Ebenso im Fokus: der Karlsruher Abgeordnete Axel Fischer (CDU). Gegen ihn wird wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ermittelt. Die Ermittler vermuten, dass er von Zahlungen aus Aserbaidschan profitiert haben könnte. Weiter steht der ehemalige Staatssekretär des Bundesinnenministeriums, Eduard Lintner (CSU) unter Verdacht: Er soll aus Aserbaidschan rund vier Millionen Euro erhalten haben. Das Geld sollten Lintner, Fischer und die verstorbene CDU-Abgeordnete Karin Strenz an Abgeordnete im Europarat weiterleiten, damit sich diese unter anderem positiv über die Wahlen in Aserbaidschan äußerten. Lintner bestreitet die Vorwürfe.
Die Ermittler sind jedoch sicher, dass sich die Politiker als „Kaviar-Diplomaten“im Europarat bewusst gegen die Freilassung politischer Gefangener aussprachen, die in Aserbaidschans Gefängnissen sitzen. Die Anerkennung solcher Zustände wäre ja nicht gut fürs Image der Kaukasusrepublik gewesen.