Verdacht des Etikettenschwindels
Die US-Börsenaufsicht wirft der Fondsgesellschaft DWS vor, es mit der Nachhaltigkeit nicht so genau zu nehmen
FRANKFURT - Die Vorwürfe des „Greenwashings“treffen die DWS, die Fondstochter der Deutschen Bank, hart. Einem Bericht des „Wall Street Journals“zufolge ermittelt die amerikanische Börsenaufsicht SEC gegen den Vermögensverwalter. Auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin beschäftigt sich dem Vernehmen nach mit den Vorwürfen, die DWS habe „grünen Etikettenschwindel“betrieben. Die Aktien der Fondsgesellschaft brachen am Donnerstag um fast 14 Prozent auf gut 36 Euro ein und gaben auch am Freitag weiter nach.
Sie weise die Anschuldigungen einer ehemaligen Mitarbeiterin „entschieden“zurück, hatte die Fondsgesellschaft am Donnerstagabend noch erklärt. Die in den Medien erhobenen Vorwürfe seien unbegründet, sie stehe zu den Offenlegungen in ihren Jahresberichten.
Es geht um die Frage, ob die DWS den Umfang ihrer nachhaltigen Anlagen höher ausgewiesen hat als sie tatsächlich sind. Das hatte jedenfalls Desirée Fixler, die frühere Chefin der DWS-Abteilung für Nachhaltigkeit behauptet. Sie war im September 2020 zur DWS gekommen, musste aber nach ihrer Probezeit gehen. Als nachhaltig gelten Geldanlagen, die den ESG-Kriterien entsprechen. Das Kürzel steht für Umwelt (Environment), Soziales (Social) und gute Unternehmensführung (Governance). In ihrem Geschäftsbericht für das vergangene Jahr hatte die DWS 460 Milliarden Euro und damit mehr als die Hälfte ihres verwalteten Vermögens als nachhaltig ausgewiesen. Schaut man genauer in die Bilanz, dann stellt man jedoch fest, dass diese Anlagen nur zu einem Teil, nämlich nur mit 76 Milliarden Euro, die ESG-Kriterien erfüllen, der Rest werde darauf überprüft.
Nachhaltige Geldanlagen sind bei den Investoren sehr beliebt: Im ersten Halbjahr entfielen allein bei der DWS zwei Fünftel der knapp 20 Milliarden Euro Zuflüsse in ihre Fonds auf solche „grünen“Anlagen. Der Vermögensverwalter will diese Sparte in den kommenden Jahren stark ausbauen. Auch die Konzernmutter Deutsche Bank setzt auf dieses Geschäft. Bis 2023 will das Geldhaus nachhaltige Finanzierungen in einem
Volumen von 200 Milliarden Euro erreichen. „Grüne“Anlagen erleben einen wahren Hype. Das Forum nachhaltige Geldanlagen, ein Zusammenschluss von Finanzunternehmen, beziffert für 2020 in einer Studie das Volumen nachhaltige Investmentfonds auf 107 Milliarden Euro – allein im deutschsprachigen Raum. Das ist ein Zuwachs um gut zwei Drittel.
Auch die Finanzbranche will diesen Wandel vorantreiben, allen voran der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock. Doch auch hier hatte kürzlich ein ehemaliger Mitarbeiter kritisiert, die Nachhaltigkeitsversprechen der Amerikaner seien vor allem ein Marketingtrick.
Verbraucherschützer kritisieren ebenfalls schon länger, dass es einheitlicher Standards bedürfe, damit man einen Etikettenschwindel verhindern könne. Die Aufseher in Europa arbeiten zwar schon daran. Die deutsche Finanzaufsicht Bafin möchte nur dann einen Fonds als nachhaltig bezeichnen, wenn mindestens 75 Prozent in solche Anlagen investiert werden. Dagegen jedoch protestiert der Branchenverband BVI, denn dazu sei die Zahl geeigneter Anlagen noch zu gering. Auch die EU-Kommission erarbeitet gerade ein Konzept für einheitliche ESGKriterien. Die sollen im Herbst vorgestellt werden. Doch noch sind sich die Europäer nicht einig, was als nachhaltig gelten soll. In Frankreich möchte man Atomkraft dazu zählen, weil sie CO2-neutral sei. Dagegen setzt man in Deutschland auf Gaskraftwerke für den Übergang, die aber emittieren mehr CO2. Immerhin schreibt die EU mit ihrem „Aktionsplan für nachhaltige Finanzen“den Fondsanbietern nun vor, genau darzustellen, nach welchen Kriterien sie ihre Aktien auswählen, wie nachhaltig ihre Fonds also tatsächlich sind.
Für Anleger macht das die Auswahl an wirklich geeigneten Anlagen schwer. Sie müssen genau prüfen, ob die Fonds halten, was sie versprechen. Inzwischen gibt es Plattformen, die unterstützen. So stellt etwa der gemeinnützige Anbieter 2° Investing Initiative das Portal MeinFairmögen zur Verfügung, auf dem Anleger ihre eigenen Vorlieben bei der Geldanlage eingeben können. Die Datenbank zeigt dann solche Fonds an, die den Kriterien entsprechen. Wie diese Fonds sich finanziell geschlagen haben, das kann man darüber jedoch nicht herausfinden. Dazu müssen Anleger wieder andere Plattformen konsultieren. Man kann auch den Empfehlungen der Verbraucherschützer folgen. So hat „Finanztest“gerade erst 99 weltweit investierende Aktienfonds auf ihre Nachhaltigkeit hin bewertet und dabei 29 eigene Ausschlusskriterien von Anlagen in Kohlekraftwerke über Glücksspiel bis hin zu Waffen zugrunde gelegt. Nur vier Fonds und ein ETF erhielten dabei die höchste Punktzahl.