Buchhandel kämpft sich aus Corona-Krise
Der Umsatz erreicht in diesem Jahr das Vor-Corona-Niveau – Doch nun belastet ein neues Problem die Branche
FRANKFURT - Mit Optimismus geht die Buchbranche in die letzten Wochen des Buchjahres 2021. „Die diesjährige Buchmesse ist eine Buchmesse des Aufbruchs“, sagte Katrin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels zur Eröffnung der Bücherschau in Frankfurt, die bis Sonntag dauert. „Wir haben mit der Pandemie einen der größten Stresstests der Geschichte souverän bestanden.“Verlage, Buchhandlungen und die Buchlogistik hätten mit großem Einsatz und Nähe zu den Kundinnen und Kunden sichergestellt, dass Bücher auch in herausfordernden Zeiten zu den Menschen gekommen seien, sagte sie.
Inzwischen hat der Umsatz auf dem Buchmarkt wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. Er liege nach 40 Kalenderwochen sogar um 0,7 Prozent über dem Vergleichszeitraum 2019, sagte Schmidt-Friderichs. Die Chancen auf ein positives Jahresergebnis 2021 stünden gut. Dabei lag der Umsatz in den ersten sechs Monaten noch um 3,7 Prozent hinter dem normalen Jahr 2019 zurück.
Deutschlands größte Buchhandelskette Thalia beispielsweise, meldete am Dienstag für das Geschäftsjahr 2020/21 – trotz coronabedingter
Ladenschließungen – gute Geschäfte. Dank eines kräftigen Wachstumsschubs im Onlinehandel stiegen die Umsätze der Kette in Deutschland und Österreich um rund sieben Prozent auf 1,1 Milliarden Euro, teilte Thalia-Chef Michael Busch mit. Angaben zum Ergebnis machte das Unternehmen nicht.
Besonders schwer hatte sich wegen des langen Lockdowns der Sortimentsbuchhandel getan, der nach dem ersten Halbjahr sogar knapp 23
Prozent zurückgelegen hatte. Inzwischen ist der Rückstand auf gut 13 Prozent geschrumpft. Die Buchhandlungen kämpften sich „unglaublich engagiert“Woche für Woche aufwärts. Rote Zahlen dürften am Jahresende dennoch bei vielen Buchhandlungen stehen, fürchtet die Vorsteherin des Börsenvereins.
Die Verlage haben eine andere Sorge. Papier ist knapp geworden. Einer der Gründe: In der Coronakrise hatten viele Unternehmen auf Zeitungsanzeigen
verzichtet, dadurch ist auch weniger Altpapier angefallen. „Bei vielen Büchern wissen wir jetzt schon, dass vor Weihnachten kein Nachdruck mehr möglich ist,“sagte Jonathan Beck, Chef des Publikumsverlags bei C.H. Beck, dem „Handelsblatt“. Wenn der jetzige Bestand verkauft sei, komme erst nächstes Jahr Nachschub. Deshalb rät er, sich in diesem Jahr schon frühzeitig um Weihnachtsgeschenke zu kümmern, sollten es Bücher sein. Auf mittlere Sicht werde sich die Papierknappheit dann auch auf die Preise auswirken.
Schwierige Umstände also für die Buchmesse. „Back to business“sei noch lange nicht „back to normal“, sagte deshalb auch Jürgen Boos, Chef der Buchmesse. Im vergangenen Jahr hatte die Bücherschau nur digital stattfinden können. In diesem Jahr ist sie jedoch kleiner als im Vor-Coronajahr 2019. Da waren noch mehr als 300 000 Besucher gezählt worden. Dieses Mal dürfen höchstens 25 000 Gäste pro Tag kommen. 2000 Aussteller sind bis Sonntag vor Ort, vor zwei Jahren waren es noch 7500 gewesen. „Back to normal“hinterfragt die Buchmesse aber auch mit einem Thema, das sich durch viele Veranstaltungen zieht: „Wie wollen wir leben?“Das ist auch als Gedankenanstoß für die Zeit nach der Pandemie zu sehen.
Im Neustart gebe es nun die Chance, Weichen zu stellen. Weichen auch beim Urheberrecht, das in den vergangenen Jahren zunehmend eingeschränkt worden sei, sagte Katrin Schmidt-Friderichs. Der Börsenverein unterstützt deshalb auch die Kampagne „Fair Lesen“. Damit machen Autorinnen und Autoren wie Juli Zeh, Daniel Kehlmann, Sibylle Berg und Judith Hermann gemeinsam mit Verlagen auf die befürchtete Aushöhlung ihrer Rechte beim E-Book-Verleih aufmerksam. Die Verlage handeln die Bedingungen für den Verleih neuer EBooks aus. Nun fordert die EU, dass Bibliotheken E-Books schon direkt nach Neuerscheinung zum Verleih anbieten dürfen. Bei Bestsellern sei jedoch ein Zeitfenster nötig, in dem ein E-Book zunächst auf dem Kaufmarkt angeboten werde, bevor es zum Verleih freigegeben werde.
Das sei auf dem Filmmarkt jedenfalls selbstverständlich. Der Deutsche Bibliotheksverband hatte diese Kritik jedoch schon zurückgewiesen. Denn für jedes E-Book, das eine Bibliothek verleihen möchte, müsse sie eine Lizenz erwerben, und wie bei gedruckten Büchern gelte dabei „eine Kopie, ein Ausleiher“. Damit sei sichergestellt, dass ein E-Book zeitgleich nur von einer einzigen Person gelesen werden könne.