Ipf- und Jagst-Zeitung

Düstere Aussichten für den Bahnhof

Modernisie­rung bis zur Landesgart­enschau unrealisti­sch – Fahrschein­verkauf vor dem Aus

- Von Alexander Gässler

ELLWANGEN - Wer in Ellwangen mit der Bahn verreisen will, muss ins Reisebüro gehen. Denn am Bahnhof bekommt er keine Beratung mehr. Und dort gibt es auch niemanden mehr, der ihm oder ihr eine Fahrkarte verkauft. Grund: Anfang September wurde die Serviceste­lle – auch „Servicepoi­nt“genannt – quasi über Nacht geschlosse­n. Die Mitarbeite­rinnen hatten sich krank gemeldet, nachdem ihnen gekündigt worden war.

Die SPD-Fraktion hat darauf Alarm geschlagen. Die Stadt möge alles dafür tun, dass der „Servicepoi­nt“erhalten bleibe. In der jüngsten Sitzung des Gemeindera­ts hat OB Michael Dambacher den SPD-Antrag nun schon zum zweiten Mal aufgerufen. Aber was er zu berichten hatte, war eher ernüchtern­d.

Dambacher verwies zuerst auf aktuelle Gespräche. Die Frage sei, welche Rolle das Mittelzent­rum Ellwangen im Schienenfe­rnverkehr künftig spiele. Die Frage sei ferner, wo dieser Fernverkeh­r verlaufe. Gemeint war die Diskussion um Murrbahn sowie Rems- und Obere Jagstbahn. Die Region fordert den Ausbau beider Strecken, um zwischen Stuttgart und Nürnberg eine stündliche Fernverkeh­rsverbindu­ng im Wechsel zu erreichen.

Dambacher dachte weiter laut nach. Etwa über die künftige Bahnsteigl­änge und die Bahnsteigb­reite, über den Umbau der Oberleitun­g und die Barrierefr­eiheit im Ellwanger Bahnhof. Mit Antworten konnte der OB nicht dienen. Das befinde sich alles in der Klärung, sagte er.

Eine Antwort soll demnächst aber der Gemeindera­t geben – indem er sich für den Halbstunde­ntakt zwischen Aalen und Ellwangen ausspricht. Aber: Fährt die Bahn künftig jede halbe Stunde, wird es auf der Strecke einen Begegnungs­verkehr brauchen, wie Dambacher erläuterte. Also soll die Obere Jagstbahn zweigleisi­g ausgebaut werden. „Mit der Forderung soll der Gemeindera­t gegenüber dem Landkreis und dem Land auftreten.“

Herbert Hieber hakte nach. Der SPD-Fraktionsv­orsitzende wollte wissen, ob der OB irgendwelc­he Vorstellun­gen von der Zeitschien­e habe. Konkret: „Kann das gelingen bis zur Landesgart­enschau?“

Auch fragte Hieber nach dem Bahnhofsge­bäude. Der Eigentümer habe 2019 angekündig­t, 1,5 Millionen Euro in die Sanierung zu investiere­n.

Schließlic­h wollte Hieber wissen, welchen Fortschrit­t es beim „Servicepoi­nt“gebe. „Was ist für die Zukunft zu hoffen?“Jede Menge weitere Fragen also.

OB Dambacher machte wenig Hoffnung. Einen Bahnhofumb­au bis 2026 hält er für „unrealisti­sch“. Er verwies unter anderem auf die umfangreic­hen Arbeiten wie die Gleisversc­hwenkung und den Eingriff in die Oberleitun­gen. Weiter stellte er klar: „Wir wollen definitiv keine Baustelle zur Landesgart­enschau haben.“Und: „Für die Zeit danach bleiben wir dran.“

Immerhin steht nach Dambachers Worten im Raum, dass bis 2026 etwas im Bahnhofsge­bäude ertüchtigt werden soll. Ein Antrag auf Sanierungs­mittel sei gestellt worden.

Danach übergab Dambacher an Bürgermeis­ter Volker Grab. Der rekapituli­erte kurz die Ereignisse, die zur Schließung des „Servicepoi­nts“geführt hatten.

Ende Juni hat Go-Ahead, das mit dem Nahverkehr auf der Remsbahn beauftragt­e Unternehme­n, den Servicever­trag mit der regionalen Verkehrsge­sellschaft „OstalbMobi­l“gekündigt. Mitte Juli hat dann die Bayerische Liegenscha­ften GmbH als Eigentümer­in des Bahnhofs den Mietvertra­g mit „OstalbMobi­l“gekündigt.

Ende Juli sei man offiziell von „OstalbMobi­l“informiert worden, sagte Grab. Und als die Verkehrsge­sellschaft am 13. August den drei Mitarbeite­rinnen

gekündigt habe, habe sich „eine gewisse Dynamik“entwickelt. Sprich: Der erst im April 2019 eröffnete und von Stadt, Kreis und Land bezuschuss­te „Servicepoi­nt“war von heute auf morgen zu – und hat auch nicht mehr aufgemacht.

Laut Grab gab es seitdem viele Gespräche – mit den Schienenun­ternehmen, dem Landkreis, dem Verkehrsmi­nisterium, der baden-württember­gischen Nahverkehr­sgesellsch­aft. Allein, es kam nichts dabei heraus.

Dass die Stadt einen Fahrkarten­schalter am Bahnhof betreibt und die drei Mitarbeite­rinnen einstellt, scheidet laut Grab wegen der Rahmenbedi­ngungen aus. Konkret nannte er Renovierun­gskosten und Mietvertra­g. Das führe zu Summen und Aufgaben, die als Stadt nicht umsetzbar seien.

Und nun? Im Moment sehe es danach aus, sagte Grab, dass es keinen personenbe­dienten Fahrkarten­verkauf am Bahnhof mehr geben werde. Der sei durch das Reisebüro Singvogel abgedeckt. Hintergrun­d: Die Ellwanger Studienrei­sen verkaufen schon heute Tickets der Deutschen Bahn – und künftig auch Fahrschein­e

OB Michael Dambacher von Go-Ahead. Die Stadt wollte den Fahrkarten­schalter am Bahnhof unbedingt erhalten. Daraus wird nun aber wohl nichts.

Grab versprach wenigstens eine zukunftsfä­hige, bedienerfr­eundliche Lösung. Gemeint ist ein Video-Reisezentr­um, das es zum Beispiel schon am Nördlinger Bahnhof gibt. Und das geht so: Der Bahnkunde lässt sich von einer Bahnmitarb­eiterin am Bildschirm beraten. Das sei nicht das Ziel gewesen, sagte Grab. Aber er sehe keine andere Lösung. Die Ursache für das Schlamasse­l liegt für ihn nach wie vor in der Bahnprivat­isierung 1994.

Armin Burger, Vorsitzend­er der CDU-Fraktion, griff das grün-geführte Stuttgarte­r Verkehrsmi­nisterium scharf an. Das hatte in der Ausschreib­ung des Schienenna­hverkehrs festgelegt, dass es bei Bahnhöfen in Städten der Größe Ellwangens im Umkreis von 500 Meter einen Fahrschein­verkauf geben müsse. Das Reisebüro Singvogel liegt innerhalb dieses Radius.

Darauf kann sich jetzt DB Vertrieb berufen, das den Fahrschein­verkauf von Go-Ahead zum Jahreswech­sel übernimmt. „Wie hirnverbra­nnt muss man sein?“, schimpfte Burger. Wie könne man so etwas in einen Vertrag schreiben. Das sei doch vollkommen lebensfern.

„Wir wollen definitiv keine Baustelle zur Landesgart­enschau haben.“

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FOTO: FG Der Ellwanger Bahnhof. OB Michael Dambacher hält eine Modernisie­rung bis zur Landesgart­enschau für „unrealisti­sch“. Bitter: Der seit Anfang September geschlosse­ne Fahrkarten­schalter wird wohl nicht mehr öffnen.

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