Düstere Aussichten für den Bahnhof
Modernisierung bis zur Landesgartenschau unrealistisch – Fahrscheinverkauf vor dem Aus
ELLWANGEN - Wer in Ellwangen mit der Bahn verreisen will, muss ins Reisebüro gehen. Denn am Bahnhof bekommt er keine Beratung mehr. Und dort gibt es auch niemanden mehr, der ihm oder ihr eine Fahrkarte verkauft. Grund: Anfang September wurde die Servicestelle – auch „Servicepoint“genannt – quasi über Nacht geschlossen. Die Mitarbeiterinnen hatten sich krank gemeldet, nachdem ihnen gekündigt worden war.
Die SPD-Fraktion hat darauf Alarm geschlagen. Die Stadt möge alles dafür tun, dass der „Servicepoint“erhalten bleibe. In der jüngsten Sitzung des Gemeinderats hat OB Michael Dambacher den SPD-Antrag nun schon zum zweiten Mal aufgerufen. Aber was er zu berichten hatte, war eher ernüchternd.
Dambacher verwies zuerst auf aktuelle Gespräche. Die Frage sei, welche Rolle das Mittelzentrum Ellwangen im Schienenfernverkehr künftig spiele. Die Frage sei ferner, wo dieser Fernverkehr verlaufe. Gemeint war die Diskussion um Murrbahn sowie Rems- und Obere Jagstbahn. Die Region fordert den Ausbau beider Strecken, um zwischen Stuttgart und Nürnberg eine stündliche Fernverkehrsverbindung im Wechsel zu erreichen.
Dambacher dachte weiter laut nach. Etwa über die künftige Bahnsteiglänge und die Bahnsteigbreite, über den Umbau der Oberleitung und die Barrierefreiheit im Ellwanger Bahnhof. Mit Antworten konnte der OB nicht dienen. Das befinde sich alles in der Klärung, sagte er.
Eine Antwort soll demnächst aber der Gemeinderat geben – indem er sich für den Halbstundentakt zwischen Aalen und Ellwangen ausspricht. Aber: Fährt die Bahn künftig jede halbe Stunde, wird es auf der Strecke einen Begegnungsverkehr brauchen, wie Dambacher erläuterte. Also soll die Obere Jagstbahn zweigleisig ausgebaut werden. „Mit der Forderung soll der Gemeinderat gegenüber dem Landkreis und dem Land auftreten.“
Herbert Hieber hakte nach. Der SPD-Fraktionsvorsitzende wollte wissen, ob der OB irgendwelche Vorstellungen von der Zeitschiene habe. Konkret: „Kann das gelingen bis zur Landesgartenschau?“
Auch fragte Hieber nach dem Bahnhofsgebäude. Der Eigentümer habe 2019 angekündigt, 1,5 Millionen Euro in die Sanierung zu investieren.
Schließlich wollte Hieber wissen, welchen Fortschritt es beim „Servicepoint“gebe. „Was ist für die Zukunft zu hoffen?“Jede Menge weitere Fragen also.
OB Dambacher machte wenig Hoffnung. Einen Bahnhofumbau bis 2026 hält er für „unrealistisch“. Er verwies unter anderem auf die umfangreichen Arbeiten wie die Gleisverschwenkung und den Eingriff in die Oberleitungen. Weiter stellte er klar: „Wir wollen definitiv keine Baustelle zur Landesgartenschau haben.“Und: „Für die Zeit danach bleiben wir dran.“
Immerhin steht nach Dambachers Worten im Raum, dass bis 2026 etwas im Bahnhofsgebäude ertüchtigt werden soll. Ein Antrag auf Sanierungsmittel sei gestellt worden.
Danach übergab Dambacher an Bürgermeister Volker Grab. Der rekapitulierte kurz die Ereignisse, die zur Schließung des „Servicepoints“geführt hatten.
Ende Juni hat Go-Ahead, das mit dem Nahverkehr auf der Remsbahn beauftragte Unternehmen, den Servicevertrag mit der regionalen Verkehrsgesellschaft „OstalbMobil“gekündigt. Mitte Juli hat dann die Bayerische Liegenschaften GmbH als Eigentümerin des Bahnhofs den Mietvertrag mit „OstalbMobil“gekündigt.
Ende Juli sei man offiziell von „OstalbMobil“informiert worden, sagte Grab. Und als die Verkehrsgesellschaft am 13. August den drei Mitarbeiterinnen
gekündigt habe, habe sich „eine gewisse Dynamik“entwickelt. Sprich: Der erst im April 2019 eröffnete und von Stadt, Kreis und Land bezuschusste „Servicepoint“war von heute auf morgen zu – und hat auch nicht mehr aufgemacht.
Laut Grab gab es seitdem viele Gespräche – mit den Schienenunternehmen, dem Landkreis, dem Verkehrsministerium, der baden-württembergischen Nahverkehrsgesellschaft. Allein, es kam nichts dabei heraus.
Dass die Stadt einen Fahrkartenschalter am Bahnhof betreibt und die drei Mitarbeiterinnen einstellt, scheidet laut Grab wegen der Rahmenbedingungen aus. Konkret nannte er Renovierungskosten und Mietvertrag. Das führe zu Summen und Aufgaben, die als Stadt nicht umsetzbar seien.
Und nun? Im Moment sehe es danach aus, sagte Grab, dass es keinen personenbedienten Fahrkartenverkauf am Bahnhof mehr geben werde. Der sei durch das Reisebüro Singvogel abgedeckt. Hintergrund: Die Ellwanger Studienreisen verkaufen schon heute Tickets der Deutschen Bahn – und künftig auch Fahrscheine
OB Michael Dambacher von Go-Ahead. Die Stadt wollte den Fahrkartenschalter am Bahnhof unbedingt erhalten. Daraus wird nun aber wohl nichts.
Grab versprach wenigstens eine zukunftsfähige, bedienerfreundliche Lösung. Gemeint ist ein Video-Reisezentrum, das es zum Beispiel schon am Nördlinger Bahnhof gibt. Und das geht so: Der Bahnkunde lässt sich von einer Bahnmitarbeiterin am Bildschirm beraten. Das sei nicht das Ziel gewesen, sagte Grab. Aber er sehe keine andere Lösung. Die Ursache für das Schlamassel liegt für ihn nach wie vor in der Bahnprivatisierung 1994.
Armin Burger, Vorsitzender der CDU-Fraktion, griff das grün-geführte Stuttgarter Verkehrsministerium scharf an. Das hatte in der Ausschreibung des Schienennahverkehrs festgelegt, dass es bei Bahnhöfen in Städten der Größe Ellwangens im Umkreis von 500 Meter einen Fahrscheinverkauf geben müsse. Das Reisebüro Singvogel liegt innerhalb dieses Radius.
Darauf kann sich jetzt DB Vertrieb berufen, das den Fahrscheinverkauf von Go-Ahead zum Jahreswechsel übernimmt. „Wie hirnverbrannt muss man sein?“, schimpfte Burger. Wie könne man so etwas in einen Vertrag schreiben. Das sei doch vollkommen lebensfern.
„Wir wollen definitiv keine Baustelle zur Landesgartenschau haben.“