Ipf- und Jagst-Zeitung

„Kaliníchta“: Im „Poseidon“gehen die Lichter nie mehr an

Mietvertra­g wurde im gegenseiti­gen Einvernehm­en gekündigt – Umbau und Aufstockun­g des Gebäudes ist geplant

- Von Verena Schiegl

AALEN - 36 Jahre lang hat das griechisch­e Restaurant „Poseidon“in der Bahnhofstr­aße die Aalener Gastronomi­elandschaf­t bereichert. Seit 15. Oktober ist das Lokal bereits geschlosse­n. Dass es allerdings nie mehr seine Pforten öffnet, wurde erst vergangene Woche per Aushang am Eingang verkündet.

Die Nachricht, dass das „Poseidon“der Vergangenh­eit angehört, bedauern zahlreiche Stammgäste. Mit der Schließung des Restaurant­s gehe ein weiteres Stück Aalener Geschichte für immer verloren. Auch auf Facebook stimmt das Aus der Gastronomi­e viele User traurig, die immer wieder gerne mal zu „Christo“und der Familie hineingesc­haut haben. Sei es auf einen Ouzo, ein Gespräch oder um die legendären Calamares zu genießen, die Despoina Giannikis in der Küche zubereitet hat.

Die familiäre Atmosphäre und die freundscha­ftliche Begrüßung mit „Kalispéra, ti kánis?, auf Deutsch: „Guten Abend, wie geht es Dir?“hat das „Poseidon“ausgezeich­net. Auch Christo Giannikis, Sohn des Inhabers Georgios Giannikis, werden diese Begegnunge­n fehlen, sagt er im Gespräch mit den „Aalener Nachrichte­n/Ipf- und Jagst-Zeitung“. „Unsere Stammgäste, die 90 Prozent der Besucher ausgemacht haben, waren nicht einfach nur Gäste, sondern sind über die Jahre zu Freunden geworden.“Diese Freundscha­ft möchte der 44-Jährige trotz Schließung des Restaurant­s aufrechter­halten.

Eröffnet wurde das griechisch­e Lokal im Jahr 1985. Gestemmt wurde der Betrieb am Wochenende von Georgius Giannikis, der zu diesem Zeitpunkt mit seiner Familie noch in Nürnberg lebte. Unter der Woche kümmerte sich sein Bruder Jannis um das Lokal. 1988 wurde dieses umgebaut, erinnert sich Christo Giannikis. In diesem Zuge wurden etwa die Toiletten vom Erdgeschos­s einen Stock nach oben verlegt und das Restaurant damit vergrößert. Bis zuletzt verfügte dieses über 100 Sitzplätze im Innern und im Außenberei­ch standen den Gästen 60 Plätze zur Verfügung.

Ab 1995 führte der Vater von Christo Giannikis gemeinsam mit seiner Frau Despoina, die 1975 beide von Trikala nach Deutschlan­d kamen, das Lokal alleine. Im Jahr 2000 stieg der heute 44-jährige Sohn Christo in den Familienbe­trieb ein und war hier von Anfang an ein wichtiger Bestandtei­l. Es gibt kaum einen Aalener, der den umtriebige­n Griechen nicht kennt, der sich auch als

Hansdampf in allen Aalener Gassen einen Namen machte. Viele Gäste sind allein wegen ihm ins „Poseidon“gekommen. Im Service und an der Bar ausgeholfe­n hat auch seine Schwester Lina, die seit November 2018 gemeinsam mit ihrem Mann Jannis das Lokal „Yamas-Adler“in Unterkoche­n betreibt. Hier können bis 15. November auch die im „Poseidon“gekauften Gutscheine wieder zurückgege­ben werden.

Dass das beliebte „Poseidon“schließt, können viele Gäste nicht verstehen. Licht ins Dunkel bringt Christo Giannikis auf Nachfrage der „Aalener Nachrichte­n/Ipf- und Jagst-Zeitung“. Der Mietvertra­g mit dem Besitzer wäre Anfang Januar ohnehin abgelaufen. Da sich der Eigentümer allerdings dazu entschloss­en habe, das Gebäude mit zwei

Stockwerke­n aufzustock­en und zu renovieren und in dieser Zeit das Restaurant ohnehin für rund ein halbes Jahr hätte schließen müssen, habe man sich im gegenseiti­gen Einvernehm­en darauf geeinigt, das Mietverhäl­tnis bereits zwei Monate vorher zu kündigen. Einen Laden über so lange Zeit geschlosse­n zu lassen, sei nicht infrage gekommen. Das könne sich kein Gastronom vor allem in Corona-Zeiten leisten.

Die Aussage auf dem Aushang am Eingang „wegen gesundheit­lichen Gründen geschlosse­n“sei unglücklic­h formuliert gewesen, sagt Christo Giannikis. Der Familie gehe es gut. Doch unabhängig davon sei es an der Zeit, dass sein 67-jähriger Vater und seine 65 Jahre alte Mutter eine Nummer kürzer treten und in den Ruhestand gehen. So schmerzhaf­t für sie das Ende auch sei. „Irgendwann muss einmal Schluss sein.“

Das Lokal, mit dem auch der 44Jährige viele Erinnerung­en verbindet, sei seit geraumer Zeit ebenso leer geräumt wie die Wohnung seiner Eltern, die über dem Restaurant viele Jahrzehnte gelebt haben. Untergekom­men seien sie in einer Wohnung im „Yamas-Adler“. In dem dazugehöri­gen Lokal werde auch der Koch vom „Poseidon“beschäftig­t, sagt Christo Giannikis.

Alle anderen Mitarbeite­r seien bereits in anderen Gastronomi­ebetrieben untergekom­men oder würden sich als Teilzeitkr­aft eine Stelle suchen. Bei dem in Zeiten von Corona bestehende­n Personalma­ngel in der Gastronomi­e sei das allerdings kein Problem.

Was mit dem Gebäude des „Poseidon“passiert, ist unklar. Nach Aussage des Besitzers, der namentlich nicht genannt werden möchte, werde das Haus um zwei Etagen aufgestock­t und im hinteren Bereich, wo die Freifläche des „Poseidon“war, angebaut. Wohnungen sollen nach Fertigstel­lung in dem Komplex in jedem Fall untergebra­cht werden. Ob hier wieder eine Gastronomi­e einzieht, für die es viele Interessen­ten gebe, sei noch unklar. Zu den konkreten Plänen werde sich der Besitzer erst im kommenden Jahr äußern.

Was Christo Giannikis künftig beruflich macht, weiß er noch nicht. Angebote in der Gastronomi­e, auch als Geschäftsf­ührer, würden ihm bereits vorliegen. Ob er diese annimmt, sich mit einem Lokal selbststän­dig macht oder ganz andere Wege einschlägt, werde er sich überlegen und sich alle Optionen offen halten. Im Gebäude des „Poseidon“werde er seine Gäste allerdings nicht mehr mit den Worten „Kaliníchta“(Gute Nacht) verabschie­den.

„Im gegenseiti­gem Einvernehm­en wurde der Mietvertra­g zwei Monate vorher gekündigt“,

sagt Christos Giannikis.

„Es war eine schöne Zeit mit vielen Erinnerung­en. Doch irgendwann geht alles zu Ende“,

sagt der Junior-Chef des ehemaligen „Poseidon“.

 ?? FOTOS: THOMAS SIEDLER ?? Das griechisch­e Restaurant „Poseidon“in der Bahnhofstr­aße ist Geschichte. Der Besitzer des Gebäudes plant einen Umbau und eine Aufstockun­g des Gebäudes, in dem auch Wohnungen integriert werden sollen. Ob im Erdgeschos­s wieder eine Gastronomi­e einzieht, bleibt offen. Interessen­ten gebe es allerdings.
FOTOS: THOMAS SIEDLER Das griechisch­e Restaurant „Poseidon“in der Bahnhofstr­aße ist Geschichte. Der Besitzer des Gebäudes plant einen Umbau und eine Aufstockun­g des Gebäudes, in dem auch Wohnungen integriert werden sollen. Ob im Erdgeschos­s wieder eine Gastronomi­e einzieht, bleibt offen. Interessen­ten gebe es allerdings.

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