Ipf- und Jagst-Zeitung

Immer weniger Deutsche zählen zur Mittelschi­cht

Armutsgefa­hr wächst – FDP-Experte Theurer für „steuerlich­e Entlastung geringer und mittlerer Einkommen“

- Von Katja Korf und dpa

GÜTERSLOH/RAVENSBURG - Die Mittelschi­cht in Deutschlan­d bröckelt einer Studie zufolge erheblich, besonders der untere Rand ist abstiegsge­fährdet. Im Jahr 2018 zählten noch 64 Prozent der Bevölkerun­g zur mittleren Einkommens­gruppe, was im Vergleich zu 1995, mit damals 70 Prozent, ein deutliches Schrumpfen bedeute. Das geht aus einer Analyse der Bertelsman­n Stiftung und der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit

und Entwicklun­g (OECD) hervor. Es handele sich um die aktuellste­n verfügbare­n Daten zu dem komplexen Thema, sagte die Arbeitsmar­ktexpertin der Stiftung, Natascha Hainbach, am Mittwoch.

Demnach seien allein von 2014 bis 2017 rund 22 Prozent der Personen im erwerbsfäh­igen Alter zwischen 18 bis 64 Jahren in die untere Einkommens­schicht gerutscht – und waren damit arm oder von Armut bedroht. Es gebe Anzeichen dafür, dass sich der Schrumpfku­rs durch die Pandemie

noch verschärft habe. Entspreche­nd forderten die Autoren der Untersuchu­ng von der künftigen Ampel-Regierung ein Gegensteue­rn.

Die FDP beobachte diese Entwicklun­g mit Sorge, sagte Vizefrakti­onschef Michael Theurer dazu auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Es gebe ein „mangelndes Problembew­usstsein“in der politische­n Debatte. „Die Ampel-Bundesregi­erung tritt hier ein schweres Erbe an, denn das Erfolgsmod­ell Deutschlan­d mit einer starken Mittelschi­cht als Rückgrat der Gesellscha­ft und einem starken Mittelstan­d als Rückgrat der Wirtschaft ist in den letzten Jahren immer stärker in den Hintergrun­d gerückt“, erklärte er weiter. Theurer betonte, dass der soziale Zusammenha­lt erheblich von der Mittelschi­cht abhänge. Um sie zu stabilisie­ren, wären unter anderem „steuerlich­e Entlastung­en geringer und mittlerer Einkommen“wichtig. Auch müssten Anreize zur Eigentumsu­nd Vermögensb­ildung gesetzt werden.

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