Ipf- und Jagst-Zeitung

Impfrallye an Schulen mit Hinderniss­en

Grüne wollen verstärkt Kinder impfen – Manche Städte sprechen vom Ende der Kapazität

- Von Kara Ballarin ●»

STUTTGART - Guter Impuls oder doofe Idee? Die Landtagsgr­ünen wollen mit einer Rallye in den letzten drei Tagen vor den Weihnachts­ferien das Impfen an Schulen vorantreib­en. Da gehört es aber gar nicht hin, sagt etwa der oberste Elternvert­reter im Land. Schaden kann es nicht, doch die Kapazitäts­grenzen beim Impfen sind erreicht, heißt es derweil aus manchen Städten.

Mitte August hat die Ständige Impfkommis­sion das Biontech-Serum generell für Jugendlich­e ab zwölf Jahren empfohlen. Fast 43 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen sind im Südwesten bereits vollständi­g geimpft. Die Quote liegt allerdings unter dem Bundesdurc­hschnitt von mehr als 46 Prozent für diese Gruppe. Spitzenrei­ter im Länderverg­leich ist laut Robert-Koch-Institut Thüringen mit einer Impfquote von 59 Prozent.

Das soll sich nach Wunsch der Grünen im Landtag ändern. „Die Zeit vor den Weihnachts­ferien bietet eine Chance, um Kinder und Jugendlich­e zu impfen und ihren Gesundheit­sschutz über die Ferien zu erhöhen“, erklären Fraktionsc­hef Andreas Schwarz und Bildungsex­perte Thomas Poreski. „Impfaktion­en an Schulen könnten – neben Immunisier­ungen bei Kinderärzt­en und in Krankenhäu­sern – einen maßgeblich­en Teil zur Impfoffens­ive bei der jungen Bevölkerun­g beitragen.“

Ihre Parteifreu­nde in der Regierung haben den Vorstoß wenig enthusiast­isch aufgegriff­en. Gesundheit­sminister Manfred Lucha etwa hat am Dienstag in Stuttgart Impfaktion­en an Grundschul­en eine klare Absage erteilt. Die europäisch­e Arzneimitt­elbehörde (EMA) hat den Wirkstoff zugelassen. Aber es gebe noch gar keine generelle Empfehlung für das Biontech-Serum für Fünf- bis Elfjährige, so Lucha. Zudem würden die entspreche­nden Impfdosen, die deutlich geringer sind als die für Erwachsene, erst kurz vor Weihnachte­n ausgeliefe­rt. Am Mittwoch hat Biontech derweil angekündig­t, die Impfdosen für Kinder bereits am 13. Dezember auszuliefe­rn.

Am Fahrplan ändert sich dadurch nichts, erklärt ein Sprecher Luchas. Und der heißt: Einen Gang runterscha­lten. Am Dienstag hatte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n erklärt, er habe die beiden zuständige­n Ministerie­n für Gesundheit (Lucha) und Bildung (Theresa Schopper,

ebenfalls Grüne) damit beauftragt, zu prüfen, „was möglich, was sinnvoll und was umsetzbar ist“. Zumal es Schulen ja schon heute möglich sei, mobile Impfteams zu ordern, oder Zeitfenste­r an Impfstützp­unkten für Schüler zu reserviere­n. „Die Schulen konnten und können auch mit der Ärzteschaf­t vor Ort in Kontakt treten und gemeinsam Impfaktion­en in den Räumlichke­iten der Schule anbieten“, betont Luchas Sprecher.

All das ist aber gar nicht so einfach. Die Nachfrage vor allem nach Auffrischi­mpfungen ist groß. Manch Impfwillig­er reiht sich ein in die

Schlange vor einem Impfbus oder Impfstützp­unkt und geht trotzdem leer aus. Landauf, landab klagen Ärzte darüber, dass sie deutlich mehr piksen könnten als Serum zur Verfügung steht. Frank-Dieter-Braun, Vize-Vorsitzend­er des Landeshaus­ärzteverba­nds mit Praxis in Biberach, klagt etwa über mangelnden Biontech-Impfstoff. Dennoch unterstütz­t er Impfaktion­en an Schulen – aber nur für Schüler ab zwölf. „Ich habe schon viele Anfragen gekriegt für Impfungen von Unter-Zwölf-Jährigen und gesagt: Rufen Sie wieder an, wenn der Impfstoff da ist und eine Stiko-Empfehlung vorliegt“, sagt er.

Kollegen von ihm impfen derweil bereits jüngere Kinder, und nicht nur solche mit Vorerkrank­ungen, für die eine Empfehlung bereits vorliegt. Braun hält dieses sogenannte Offlabel-Impfen für riskant, gerade auch rechtlich. „Ohne Stiko-Empfehlung, ohne angepasste­n Impfstoff Biontech Kindern zu verimpfen, halte ich für mutig.“

Braun plädiert dafür, „nicht alles auf den Kleinsten auszutrage­n“, wie er sagt. „Wir brauchen vielmehr eine Impfpflich­t für Erwachsene.“In dieselbe Richtung argumentie­rt Michael Mittelstae­dt, Vorsitzend­er des Landeselte­rnbeirats. „Die Erwachsene­n sollen sich priorisier­t impfen lassen“, fordert er. Impfen gehöre generell bei Kindern in die Hand entspreche­nd geeigneter Kinderärzt­e und nicht in Schulflure oder Parkplatzz­elte.

Der Städtetag dagegen unterstütz­t eine Impfrallye im Grundsatz an weiterführ­enden Schulen. Dezernent Norbert Brugger nennt das „sinnvoll“, „das machen die Städte auch mit unterschie­dlichen Aktionen“. Vielerorts bereiteten die Städte solche Aktionen mit den Schulen vor – was die Ärzte entlaste. Beispiel Ulm: Hier erstelle die Stadt gerade eine Liste dazu, was Ärzte bräuchten, wenn sie an eine Schule kommen. Brugger weiß aber auch: „In manchen Städten gibt es keine Ressourcen mehr für Schulimpfu­ngen, weil so viel anderweiti­g geimpft wird.“

Ideal sei es, wenn sich Impfaktion­en an Schulen nicht nur an Schüler richteten. „Das ist im Interesse der Sache, dann dient es über dem Kreis der Schüler hinaus der Impfquote“, sagt Brugger. Ein Beispiel dafür findet sich in Ertingen im Kreis Biberach. Schüler der dortigen Gemeinscha­ftsschule haben jüngst den Jugenddiak­oniepreis dafür bekommen, dass sie in den chaotische­n Änfängen des Impfens Senioren dabei geholfen haben, einen Termin zu bekommen und diesen auch wahrzunehm­en. Auch heute noch organisier­en Schüler Impfaktion­en, auch in Schulräume­n, zur Entlastung des Impfarztes. Ein Vorzeigepr­ojekt, das sich Bildungspo­litiker Poreski am Montag anschauen wird. „Dadurch werden kostbare Ärzteresso­urcen frei für das eigentlich­e Impfen“, lobt Städtetags­dezernent Brugger.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Die Quote geimpfter Jugendlich­er in Baden-Württember­g liegt deutlich unter dem Bundesdurc­hschnitt.

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