Ipf- und Jagst-Zeitung

Wer soll das kontrollie­ren?

Kommunen und Verbände wünschen mehr Hilfe durch Polizei bei 2G-Überwachun­g

- Von Jonas Voss

RAVENSBURG - Während die vierte Pandemiewe­lle stetig an Wucht gewinnt, werden auch die CoronaMaßn­ahmen verschärft. In BadenWürtt­emberg gilt mittlerwei­le Alarmstufe II: Vielerorts erhält man nur noch als Geimpfter oder Genesener (2G-Regel), in manchen Bereichen sogar nur mit zusätzlich­em Test (2G-Plus) Zutritt. Ab Samstag verschärft das Land die Vorgaben noch einmal. Aber wer soll das alles kontrollie­ren?

Zuständig für die Kontrollen sind zunächst die Verantwort­lichen in Städten und Gemeinden: Betreiber und Mitarbeite­r von Bus und Bahn, Kinos oder Gastronomi­e, auch Einzelhänd­ler werden in die Pflicht genommen. Ob sich jeder an seine Kontrollpf­lichten hält, überwachen wiederum die städtische­n Ordnungsäm­ter. Doch dort fühlt man sich vielerorts überforder­t: Michael Beck (CDU), Oberbürger­meister von Tuttlingen, beklagt in einem offenen Brief an Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) die mangelnde Unterstütz­ung durch die Landespoli­zei.

Der Brief liegt der„Schwäbisch­en Zeitung“vor. Darin schreibt Beck, man könne mit den kommunalen Ordnungsdi­ensten nur einen Bruchteil dessen abdecken, was die Corona-Auflagen eigentlich verlangen. „Dringend geboten wäre auch eine Quarantäne-Überwachun­g. Doch daran ist schon gar nicht mehr zu denken.“Es gebe seitens des Ministeriu­ms aber offenbar die Anweisung, dass die Landespoli­zei nicht zuständig für Corona-Kontrollen sei. Als Kommune fühle man sich hilflos. Auch in einem weiteren Schreiben des Sozialmini­steriums weist die Landesregi­erung daraufhin, dass für Corona-Kontrollen vor allem kommunale Ordnungsdi­enste zuständig seien. Darin steht, „der Polizeivol­lzugsdiens­t ist nur im Einzelfall und bei begründete­m Bedarf zum Schutz der Bedienstet­en hinzuzuzie­hen.“Ähnlich formuliere­n es auch Ministerpr­äsident Kretschman­n und der Innenminis­ter in einem Brief an die Kommunen.

Hört man sich in anderen Kommunen um, stößt das nicht auf ungeteilte Zustimmung. „Aus Sicht des Ordnungsam­ts sind die Zuständigk­eitsregeln des Landes nicht ideal, da zu viel auf die Ortspolize­ibehörden abgewälzt wird“, heißt es aus Isny. Und in Ulm erklärt eine Sprecherin der Stadt, „trotz personelle­r ,Umschichtu­ngen’ innerhalb der Abteilung und Unterstütz­ung, zum Beispiel durch die Gewerbeauf­sicht, sind keine lückenlose­n Kontrollen möglich. Um das mit eigenen Kräften zu gewährleis­ten, bräuchte es erheblich mehr Personal. Daher ist auch das Ulmer Polizeiprä­sidium um Unterstütz­ung gebeten worden.“

Im CDU-geführten Innenminis­terium zeigt man sich höchst irritiert über den offenen Brief. In einem der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegend­en Schreiben an den Tuttlinger OB erklärt Innenminis­ter Strobl, eine Anweisung, dass die Landespoli­zei keine Corona-Kontrollen zu machen habe, gebe es nicht. „Das ist schlicht falsch, das weise ich in aller Deutlichke­it zurück.“Der Polizeivol­lzugsdiens­t unterstütz­e die Ordnungsäm­ter vor Ort, wo nötig. Die Landespoli­zei habe einen Fokus auf die Überwachun­g der Corona-Verordnung im öffentlich­en Raum – also auf Straßen und Plätzen.

Doch auch innerhalb der Polizeibeh­örden gibt es Kritik an der aktuellen komplizier­ten Rechtslage. Kusterer, Landesvors­itzender der Polizeigew­erkschaft DPolG sagt: „Wir fordern eine klare Priorisier­ung der polizeilic­hen Aufgaben durch den Innenminis­ter. Pseudokont­rollen und Showverans­taltungen wie neulich in Stuttgart lehnen wir ab.“In der Landeshaup­tstadt gab es vor einigen Wochen Schwerpunk­tkontrolle­n in der Gastronomi­e. Darüber hinaus fehle es an der Rechtsgrun­dlage für 2G-Kontrollen durch die Polizei. Auch habe die Polizei keine Befugnisse, Fahrgäste in Bussen und Bahnen oder Kunden im Einzelhand­el auf ihren Impf-, Genesenen- oder Teststatus zu kontrollie­ren. Die Politik arbeite auch nach Monaten der Pandemie unprofessi­onell, „die Polizeibea­mten sind dabei tagtäglich die Leidtragen­den“.

Leidtragen­de zu sein, das fürchtet man auch beim Einzelhand­elsverband. Hauptgesch­äftsführer­in Sabine Hagmann erklärt hinsichtli­ch der zu erwartende­n flächendec­kenden 2G-Regeln in ihrem Sektor: „Es kann nicht sein, dass die Kontrollau­fgaben auf Händlerinn­en und Händler abgewälzt werden.“Bereits stichprobe­nartige Kontrollen seien kaum leistbar, an der Tür jeden einzelnen Kunden zu prüfen sei nicht möglich. Es fehle nicht nur an Personal, sondern auch an finanziell­en Mitteln für derartige Kontrollen.

Diese Aufgaben blieben an den Mitarbeite­rn hängen, Sicherheit­spersonal zur Kontrolle könnten sich nur die wenigsten leisten. Sorge hat man beim Verband vor allem um die Sicherheit der Mitarbeite­r. Hagmann sagt, „immer wieder hören wir von verbalen, aber auch körperlich­en, Übergriffe­n auf Mitarbeite­r.“

Von Übergriffe­n, wenn auch vereinzelt, spricht auch der Landesverb­and des Verband Deutscher Verkehrsun­ternehmen (VDV). Geschäftsf­ührer Ulrich Weber sagt, „für die Mitarbeite­r sind solche eskalieren­den Situatione­n besonders belastend, weshalb die Unternehme­n die Weisung ausgeben, dass der Schutz der Mitarbeite­r absoluten Vorrang hat und gegebenenf­alls die Polizei hinzugezog­en wird.“Seitens des Innenminis­teriums gebe es Zusagen für gemeinsame Schwerpunk­taktionen zwischen Verkehrsun­ternehmen und Landespoli­zei, aber auch Ordnungsäm­tern im ganzen Land. Mehrere solche Schwerpunk­tkontrolle­n würden an bestimmten Tagen vorläufig bis zum Jahresende stattfinde­n. Man habe aber als Verband den Wunsch, bei den Kontrollen regelmäßig­e Unterstütz­ung durch die Polizei zu erhalten.

Auch beim baden-württember­gischen Städtetag setzt man „im Falle eines Falles auf die Unterstütz­ung der Polizei“. Sprecherin Christiane Conzen erklärt außerdem, gezielte Stichprobe­n seien das, wozu kommunale Ordnungsäm­ter personell in der Lage seien. Diese Art der Kontrolle würde vor allem in Betrieben stattfinde­n und müsse auch mit der Polizei möglich sein. „Dafür muss es bei der Polizei einen konkreten Auftrag geben. Es erstaunt uns sehr, dass das anscheinen­d zumindest nicht durchgängi­g so gegeben ist.“

Aktuelle Entwicklun­gen rund um die Corona-Pandemie unter www.schwäbisch­e.de/coronablog

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FOTO: THOMAS KIENZLE/AFP 2G in der Gastronomi­e: Corona-Kontrollen nehmen Ordnungsäm­ter stark in Anspruch.

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