Wer soll das kontrollieren?
Kommunen und Verbände wünschen mehr Hilfe durch Polizei bei 2G-Überwachung
RAVENSBURG - Während die vierte Pandemiewelle stetig an Wucht gewinnt, werden auch die CoronaMaßnahmen verschärft. In BadenWürttemberg gilt mittlerweile Alarmstufe II: Vielerorts erhält man nur noch als Geimpfter oder Genesener (2G-Regel), in manchen Bereichen sogar nur mit zusätzlichem Test (2G-Plus) Zutritt. Ab Samstag verschärft das Land die Vorgaben noch einmal. Aber wer soll das alles kontrollieren?
Zuständig für die Kontrollen sind zunächst die Verantwortlichen in Städten und Gemeinden: Betreiber und Mitarbeiter von Bus und Bahn, Kinos oder Gastronomie, auch Einzelhändler werden in die Pflicht genommen. Ob sich jeder an seine Kontrollpflichten hält, überwachen wiederum die städtischen Ordnungsämter. Doch dort fühlt man sich vielerorts überfordert: Michael Beck (CDU), Oberbürgermeister von Tuttlingen, beklagt in einem offenen Brief an Innenminister Thomas Strobl (CDU) die mangelnde Unterstützung durch die Landespolizei.
Der Brief liegt der„Schwäbischen Zeitung“vor. Darin schreibt Beck, man könne mit den kommunalen Ordnungsdiensten nur einen Bruchteil dessen abdecken, was die Corona-Auflagen eigentlich verlangen. „Dringend geboten wäre auch eine Quarantäne-Überwachung. Doch daran ist schon gar nicht mehr zu denken.“Es gebe seitens des Ministeriums aber offenbar die Anweisung, dass die Landespolizei nicht zuständig für Corona-Kontrollen sei. Als Kommune fühle man sich hilflos. Auch in einem weiteren Schreiben des Sozialministeriums weist die Landesregierung daraufhin, dass für Corona-Kontrollen vor allem kommunale Ordnungsdienste zuständig seien. Darin steht, „der Polizeivollzugsdienst ist nur im Einzelfall und bei begründetem Bedarf zum Schutz der Bediensteten hinzuzuziehen.“Ähnlich formulieren es auch Ministerpräsident Kretschmann und der Innenminister in einem Brief an die Kommunen.
Hört man sich in anderen Kommunen um, stößt das nicht auf ungeteilte Zustimmung. „Aus Sicht des Ordnungsamts sind die Zuständigkeitsregeln des Landes nicht ideal, da zu viel auf die Ortspolizeibehörden abgewälzt wird“, heißt es aus Isny. Und in Ulm erklärt eine Sprecherin der Stadt, „trotz personeller ,Umschichtungen’ innerhalb der Abteilung und Unterstützung, zum Beispiel durch die Gewerbeaufsicht, sind keine lückenlosen Kontrollen möglich. Um das mit eigenen Kräften zu gewährleisten, bräuchte es erheblich mehr Personal. Daher ist auch das Ulmer Polizeipräsidium um Unterstützung gebeten worden.“
Im CDU-geführten Innenministerium zeigt man sich höchst irritiert über den offenen Brief. In einem der „Schwäbischen Zeitung“vorliegenden Schreiben an den Tuttlinger OB erklärt Innenminister Strobl, eine Anweisung, dass die Landespolizei keine Corona-Kontrollen zu machen habe, gebe es nicht. „Das ist schlicht falsch, das weise ich in aller Deutlichkeit zurück.“Der Polizeivollzugsdienst unterstütze die Ordnungsämter vor Ort, wo nötig. Die Landespolizei habe einen Fokus auf die Überwachung der Corona-Verordnung im öffentlichen Raum – also auf Straßen und Plätzen.
Doch auch innerhalb der Polizeibehörden gibt es Kritik an der aktuellen komplizierten Rechtslage. Kusterer, Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft DPolG sagt: „Wir fordern eine klare Priorisierung der polizeilichen Aufgaben durch den Innenminister. Pseudokontrollen und Showveranstaltungen wie neulich in Stuttgart lehnen wir ab.“In der Landeshauptstadt gab es vor einigen Wochen Schwerpunktkontrollen in der Gastronomie. Darüber hinaus fehle es an der Rechtsgrundlage für 2G-Kontrollen durch die Polizei. Auch habe die Polizei keine Befugnisse, Fahrgäste in Bussen und Bahnen oder Kunden im Einzelhandel auf ihren Impf-, Genesenen- oder Teststatus zu kontrollieren. Die Politik arbeite auch nach Monaten der Pandemie unprofessionell, „die Polizeibeamten sind dabei tagtäglich die Leidtragenden“.
Leidtragende zu sein, das fürchtet man auch beim Einzelhandelsverband. Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann erklärt hinsichtlich der zu erwartenden flächendeckenden 2G-Regeln in ihrem Sektor: „Es kann nicht sein, dass die Kontrollaufgaben auf Händlerinnen und Händler abgewälzt werden.“Bereits stichprobenartige Kontrollen seien kaum leistbar, an der Tür jeden einzelnen Kunden zu prüfen sei nicht möglich. Es fehle nicht nur an Personal, sondern auch an finanziellen Mitteln für derartige Kontrollen.
Diese Aufgaben blieben an den Mitarbeitern hängen, Sicherheitspersonal zur Kontrolle könnten sich nur die wenigsten leisten. Sorge hat man beim Verband vor allem um die Sicherheit der Mitarbeiter. Hagmann sagt, „immer wieder hören wir von verbalen, aber auch körperlichen, Übergriffen auf Mitarbeiter.“
Von Übergriffen, wenn auch vereinzelt, spricht auch der Landesverband des Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Geschäftsführer Ulrich Weber sagt, „für die Mitarbeiter sind solche eskalierenden Situationen besonders belastend, weshalb die Unternehmen die Weisung ausgeben, dass der Schutz der Mitarbeiter absoluten Vorrang hat und gegebenenfalls die Polizei hinzugezogen wird.“Seitens des Innenministeriums gebe es Zusagen für gemeinsame Schwerpunktaktionen zwischen Verkehrsunternehmen und Landespolizei, aber auch Ordnungsämtern im ganzen Land. Mehrere solche Schwerpunktkontrollen würden an bestimmten Tagen vorläufig bis zum Jahresende stattfinden. Man habe aber als Verband den Wunsch, bei den Kontrollen regelmäßige Unterstützung durch die Polizei zu erhalten.
Auch beim baden-württembergischen Städtetag setzt man „im Falle eines Falles auf die Unterstützung der Polizei“. Sprecherin Christiane Conzen erklärt außerdem, gezielte Stichproben seien das, wozu kommunale Ordnungsämter personell in der Lage seien. Diese Art der Kontrolle würde vor allem in Betrieben stattfinden und müsse auch mit der Polizei möglich sein. „Dafür muss es bei der Polizei einen konkreten Auftrag geben. Es erstaunt uns sehr, dass das anscheinend zumindest nicht durchgängig so gegeben ist.“
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