„Wir stellen die Durchhaltefähigkeit des Gesundheitswesens sicher“
Oberst Armin Schaus koordiniert den Corona-Einsatz der Bundeswehr – Er ist die rechte Hand des Krisenstabschefs Generalmajor Carsten Breuer
RAVENSBURG - Die Bundeswehr mobilisiert Tausende weitere Soldaten, um beim Kampf gegen die heftige vierte Corona-Welle zu helfen. Bis zum kommenden Dienstag wird das Kontingent auf dann 12 000 Soldaten aufgestockt. Oberst im Generalstabsdienst Armin Schaus, der Leiter der Abteilung Einsatz im Kommando Territoriale Aufgaben, koordiniert den Einsatz der Bundeswehr im Zuge der Corona-Amtshilfe und sagt: „Wir stellen die Durchhaltefähigkeit des Gesundheitswesens vor Ort sicher.“
Herr Oberst, ist ein Ende der vierten Welle in Sicht?
Wir glauben nicht, dass wir schon das Ende der vierten Welle sehen. Auch in den letzten Infektionswellen haben wir beobachtet, dass nach einem Plateau oder einem kurzen Rückgang die Zahlen doch wieder stärker geworden sind. Ich glaube also, dass wir nach wie vor mittendrin in der Welle sind. Das macht sich auch am Umfang der Amtshilfeersuchen deutlich bemerkbar.
Wie viele Männer und Frauen sind im Einsatz?
In der großen Fläche kann nur mit viel Personal unterstützt werden, wobei wir die Zahlen, die wir in der letzten Hochinzidenzphase hatten, noch nicht erreicht haben. Mittlerweile sind fast 2500 Soldatinnen und Soldaten wieder zur Kontaktnachverfolgung im Einsatz. Aktuell sind sie in über 200 Gesundheitsämtern tätig. Über 800 Kräfte sind in 57 Krankenhäusern und ebenfalls über 800 Kräfte in über 100 Impfzentren eingesetzt. Schwerpunkte sind in Bayern mit 1700 Kräften, Sachsen mit 480 und Nordrhein-Westfalen mit 570. Derzeit unterstützt die Bundeswehr mit 5900 Soldatinnen und Soldaten im Rahmen der Amtshilfe in 14 Bundesländern.
Wie geht es weiter?
Die Bundeswehr hat in den vergangenen 21 Monaten der Beteiligung an der Pandemiebekämpfung den Kräfteansatz wiederholt bedarfsgerecht angepasst. Derzeit erfolgt die weitere Erhöhung des Kräftekontingents. Bis zum 7. Dezember stehen bis zu 12 000 Soldatinnen und Soldaten sowie auch zivile Angehörige der Bundeswehr für die Amtshilfe zur Verfügung. Lageabhängig sind im Dezember weitere Anpassungen möglich.
Welche Schwerpunkte haben Sie? In den Hochinzidenzgebieten erkennen wir deutlich die Unterstützung für Krankenhäuser und Alten- und Pflegeheime, in denen es massive Infektionszahlen
beim Personal gibt. Das ist in manchen Räumen so stark, dass die Grundversorgung selber nicht mehr sichergestellt werden kann.
Wo wird Sanitätspersonal benötigt?
Die Bundeswehrkrankenhäuser werden deutlich mehr Intensivbetten anbieten und dann im ohnehin angemeldeten Bettenplan der Landkreise oder der Gebietskörperschaften noch mehr Kapazitäten bereitstellen.
Und dafür wird viel Sanitätspersonal aus den Regimentern in die Bundeswehrkrankenhäuser gebracht, um diese Kapazitäten zu unterstützen.
Und die „Helfenden Hände“? „Helfende Hände“bieten eine gute Unterstützungsmöglichkeit auf den Normalstationen, um hier Tätigkeiten wie Tabletts abzuräumen, Essen zu verteilen oder vergleichbare Arbeiten, für die man wirklich keine zwingende pflegerische Ausbildung braucht, zu unterstützen. Die „Helfenden
Hände“geben den Pflegekräften Luft, damit sie zum Beispiel auf die Covid-Station oder die Intensivstation wechseln können. So stellen wir die Durchhaltefähigkeit dieser Station oder des Gesundheitswesens vor Ort sicher.
Weihnachten steht vor der Tür. Auf welche Einschränkungen müssen sich Soldatenfamilien einstellen? Die Soldaten, die für die Amtshilfe vorgesehen sind, wissen, dass sie möglicherweise in einen Einsatz müssen. Zur besseren Planung und zur Fürsorge arbeiten wir mit sogenannten Notice-to-Move-Zeiten. Wir sagen den Soldaten, die jetzt absehbar nicht in den Einsatz gehen, eine Notice-to-Move-Zeit von mehreren Tagen zu. Diese ist geeignet, damit die Kameradinnen und Kameraden zu Hause feiern können und dann möglicherweise frühzeitig informiert werden, wenn sie abgerufen werden und in den Amtshilfeeinsatz gehen müssen.
Aus Ihrem Haus wechselt Ihr Kommandeur, Generalmajor Carsten Breuer, in den neuen Krisenstab des Bundes. Was bringt er für diese Aufgabe mit?
Ich kann die Frage nur aus meiner persönlichen Sichtweise beantworten. Die Offiziersausbildung und insbesondere die Generalstabsdienstausbildung sind Führungsausbildungen, bei denen wir im Krisenmanagement geschult werden. Bei unserem Kommandeur ist dies auch mit seiner Diensterfahrung verbunden: Gerade General Breuer war sowohl im militärischen Bereich als auch im politischen Bereich breit unterwegs. Ich glaube, dass seine Vita recht einzigartig ist.
Wo hat General Breuer konkret Erfahrungen gesammelt?
Gerade die Erfahrung hier im Kommando Territoriale Aufgaben, in dem er seit Januar 2018 als Kommandeur eingesetzt ist, prägt den General: Er kennt die Verfahren in der zivil-militärischen Zusammenarbeit und viele Ansprechpartner. Er hat in dieser Zeit die Einsätze der Bundeswehr bei den Hochwasserkatastrophen in Bayern und Nordrhein-Westfalen sowie in Rheinland-Pfalz – speziell im Ahrtal verantwortet. Daher bringt er Erfahrungen wie kein anderer mit. Aber auch in der Corona-Lage seit Februar 2020 ist er mit vielen, vielen Dienstaufsichten im Land bundesweit unterwegs gewesen und hat sich Bilder vor Ort machen können. Das ist, glaube ich, schon eine sehr gute Voraussetzung, um im Kanzleramt zentrale Verantwortung im neuen Krisenstab zu übernehmen.