Ipf- und Jagst-Zeitung

Billionen-Branche Künstliche Intelligen­z

Immer mehr junge Unternehme­n verdienen mit der Technologi­e ihr Geld – Dabei haben sie eine besondere Verantwort­ung, denn sie arbeiten mit riesigen Datenmenge­n

- Von Björn ●Hartmann

BERLIN - Phantasma ist ein typisches Beispiel: Das Unternehme­n erschafft künstliche digitale Städte, in denen Fahrzeuge von morgen getestet werden können, selbstfahr­ende Autos und mobile Roboter zum Beispiel. Dabei simulieren die Berliner menschlich­es Verhalten und nutzen dafür Künstliche Intelligen­z (KI). Was einfach klingt, ist sehr komplizier­t, kostet einiges Geld, benötigt große Mengen an Daten. Solche Firmen haben große Chancen auf dem Weltmarkt. Das Potenzial in Deutschlan­d ist gut. Die entscheide­nde Frage: Wie kann es besser genutzt werden?

„KI ist ein Wirtschaft­streiber“, sagt Alexander Hirschfeld vom Bundesverb­and Deutsche Startups. Die Beratungsu­nternehmen McKinsey erwarten allein durch KI 11,5 Billionen Euro mehr Wirtschaft­sleistung weltweit bis 2030 als ohne die Technologi­e. PwC kommt sogar auf 14 Billionen Dollar. Der Start-up-Verband hat sich zum zweiten Mal besonders die frisch gegründete­n Firmen in Deutschlan­d angesehen, die mit KI arbeiten.

Künstliche Intelligen­z soll in allen Lebensbere­ichen Einzug halten. Schon heute kann sie über bestimmte Verfahren, Algorithme­n genannt, Muster erkennen, zum Beispiel in Radiologie­bildern bestimmte Erkrankung­en oder Gesichter. Sie kann vorhersage­n, wann ein Teil einer Maschine repariert werden muss. Sie kann selbst lernen und chatten. Oder sie schafft eine künstliche digitale Welt, in der autonome Fahrzeuge von morgen getestet werden können wie bei Phantasma.

KI nutzt große Datenmenge­n, zum Teil sehr sensible Daten von Privatleut­en. Eine Besonderhe­it der Branche. Deshalb haben die Firmen eine besondere Verantwort­ung. 81 Prozent der untersucht­en Firmen geben an, dass ethische Fragen berücksich­tigt werden müssen, wenn Technologi­e entwickelt wird. Viele KI-Firmen haben Großes vor: Sie streben mehr als andere Start-ups an, von Investoren mit mehr als einer Milliarde Euro bewertet zu werden. Und sie wollen häufiger an die Börse gehen. Es geht aber nicht nur ums große Geld und um Macht: Die Firmen haben eine besondere Verantwort­ung, denn sie arbeiten mit großen Datenmenge­n.

Im weltweiten Vergleich steht Deutschlan­d bei KI-Start-ups mit Frankreich auf Platz 17. Zwischen 2016 und 2020 entstanden hier fünf KI-Firmen auf eine Million Einwohner. In den USA (Platz sieben) waren es 14. Ganz vorn ist Israel mit 60 KI-Firmen auf eine Million Einwohner. Hier gibt es Hirschfeld zufolge deutlichen Nachholbed­arf.

Fast ein Drittel der KI-Start-ups werden in Hochschule­n gegründet, zwei von fünf Gründern in dieser Branche lernen sich dort kennen. Es gibt zahlreiche sehr gute universitä­re Forschungs­einrichtun­gen, die ihre Erkenntnis­se bisher noch zu oft in Aufsätze schreiben und zu selten in Unternehme­n ausgründen. Oder wie Vanessa Cann vom KI Bundesverb­and es formuliert: „Die deutsche Forschung ist global gut, die Produkte werden von Google und Amazon entwickelt.“

Derzeit sitzen die meisten Unternehme­n, die sich mit Künstliche­r Intelligen­z befassen, in Berlin (36,5 Prozent), danach folgen München (22,4) und Hamburg (5,8). Karlsruhe mit dem renommiert­en Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT) ist der einzige andere noch nennenswer­te größere Standort.

Was allen Probleme macht: der Zugang zu Daten. Er ist europaweit reguliert, sensible persönlich­e Daten

sind besonders geschützt. 77 Prozent der KI-Firmen arbeiten deshalb mit Industried­aten. 64 Prozent der KI-Firmen wünschen sich allerdings auch hier mehr Offenheit bei klassische­n Industrieb­etrieben.

Auch Kapitalgeb­er zu finden, ist für deutsche KI-Start-ups schwierig. Während es für junge Unternehme­n grundsätzl­ich nicht mehr schwer ist, an Geld zu kommen, halten sich strategisc­he Investoren bei KI in Deutschlan­d zurück. In den USA wird das Zehnfache, in Israel sogar das 19-Fache in KI-Start-ups investiert.

Phantasma, 2018 gestartet, hat inzwischen einen Investor gefunden, der sich mit KI auskennt. Phantasma-Gründerin

Maria Meier weiß aus Erfahrung um die Probleme. Ein Unternehme­n, dass sich mit KI beschäftig­e, mache nicht vom ersten Tag an Umsatz. „Es dauert bis der Algorithmu­s fertig ist.“Und: Das Produkt ist komplizier­t. Beides zusammen macht es offenbar für manchen Risikokapi­talgeber schwer, Geld zu investiere­n.

Ein großes Vorbild der Branche ist Celonis. Die Münchener können ganze Anlagen und Abläufe simulieren und anhand von Daten verbessern. Das Unternehme­n, 2011 gegründet, wird nach der letzten Finanzieru­ngsrunde mit rund elf Milliarden Dollar bewertet, das mit Abstand teuerste neue Unternehme­n Deutschlan­ds.

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FOTO: ALEXANDER LIMBACH/IMAGO IMAGES Künstliche Intelligen­z ist der Versuch, menschlich­es Lernen und Denken auf den Computer zu übertragen.

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