Ipf- und Jagst-Zeitung

Nur noch deutsche Schnitzel

Warum Discounter auf heimisches Fleisch setzen

- Von Dominik Guggemos

BERLIN - Wer gerne Schweinefl­eisch isst, wird im kommenden Jahr vermehrt Tiere aus Deutschlan­d auf dem Teller liegen haben. Denn drei Riesen im Lebensmitt­elhandel führen die sogenannte „5D“-Regel ein. 5D bedeutet, dass jeder Schritt der Wertschöpf­ungskette in Deutschlan­d erfolgen muss. Ganz konkret: Von der Geburt über Aufzucht, Mast, Schlachtun­g bis zur Zerlegung und Verarbeitu­ng muss jeder Produktion­sschritt hierzuland­e stattfinde­n. Schweinefl­eisch aus dem Ausland wird bei Händlern mit 5D nicht mehr in den Regalen liegen. Schon bisher erlauben Lidl und Aldi nur die Ferkelgebu­rt im Ausland, allerdings müssen die Tiere dann nach Deutschlan­d transporti­ert werden. Kennzeichn­ungen, die Informatio­nen über die Haltungsfo­rm geben, gibt es bislang nur bei Frischflei­sch. Lidl wird 5D auch bei Wurst anwenden.

Rewe und Penny haben bereits im August versproche­n, dass ab Sommer 2022 95 Prozent des angebotene­n Schweinefr­ischfleisc­h-Sortiments aus Deutschlan­d stammen. Aldi und Lidl haben nun in dieser Woche nachgezoge­n. Aldi will bis zum vierten Quartal des kommenden Jahres 5D einführen. Lidl ist besonders ambitionie­rt: Bereits zum Jahreswech­sel will der Discounter aus Neckarsulm den Prozess beginnen, Ende März soll dann nur noch deutsches Schweinefl­eisch in den Regalen liegen.

5D bedeutet aber nicht automatisc­h Bio-Qualität, sondern dass die Regionalit­ät im weiteren Sinn gefördert wird und damit dem Klima geholfen wird. Das Tierwohl wird indirekt auch gefördert, weil in Deutschlan­d strengere Vorschrift­en bei der Nutztierha­ltung gelten als in vielen europäisch­en Ländern, vor allem im Vergleich

zu Osteuropa. Das Fleisch wird allerdings weiterhin konvention­ell produziert, wenn nicht anders angegeben.

Ob das Fleisch jetzt teurer wird, ist noch offen. Wenn das billigere Import-Fleisch vom Markt verdrängt wird, stärkt das in der Theorie zwar die Verhandlun­gssituatio­n der Bauern. Doch die Marktmacht der Discounter ist enorm – genau wie deren Preiskampf untereinan­der.

Der Deutsche Bauernverb­and begrüßt die Einführung. 5D entspreche exakt einer langjährig­en Forderung des Verbands, sagt Generalsek­retär Bernhard Krüsken. „Wichtig ist es aber, nicht nur Frischflei­sch, sondern auch die Verarbeitu­ngserzeugn­isse mit einzubezie­hen.“Also den Weg, den Lidl geht, die Konkurrenz aber (noch) nicht.

Die Discounter gehen diesen Weg zum einen, weil viele Verbrauche­r den Wunsch nach mehr Tierwohl und Regionalit­ät äußern. Zum anderen sieht der Koalitions­vertrag der Ampel-Regierung „ab 2022 eine verbindlic­he Tierhaltun­gskennzeic­hnung“vor. Wenn Verbrauche­r auf einen Blick sehen können, dass das Fleisch im Regal nicht nach hohen Tierwohl-Standards produziert wurde und aus dem Ausland kommt, könnten sie leicht mit dem Geldbeutel abstimmen. Lidl-Einkaufsge­schäftslei­ter Benjamin Steeb betont dann auch die Vorreiterr­olle seines Unternehme­ns und sagt: „Es macht uns stolz, dass ein Haltungske­nnzeichen im Koalitions­vertrag steht.“Er fordert aber, dass das Haltungsfo­rm-Label auch in der Gastronomi­e eingeführt werden müsse. „Wenn das Schnitzel in unserer Filiale teurer wird und in der Gastronomi­e nicht, weil dort andere Regeln gelten, dann bleibt das Tierwohlsc­hnitzel liegen.“

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