Ipf- und Jagst-Zeitung

DNA-Spuren überführen Memminger Steinewerf­er

42-Jähriger wegen versuchten Mordes zu sechseinha­lb Jahren Haft verurteilt – Vater und Tochter bleiben bei der Tat auf der A 96 unverletzt

- Von Frederick Mersi

MEMMINGEN (dpa) - Nur etwas mehr als eine Sekunde dauerte es, bis der 1,5 Kilo schwere Stein in den Skoda einschlug. Aus gut acht Metern Höhe krachte der Brocken am Abend des 20. November 2020 auf das mit mehr als Tempo 100 fahrende Auto auf der Autobahn 96. Auch dank der Warnung seiner Tochter konnte der Fahrer noch reagieren. Der Stein durchbohrt­e nicht die Windschutz­scheibe, sondern die Motorhaube des Wagens. Die beiden Insassen blieben unverletzt.

Der Wurf des Steins in Memmingerb­erg geht nach Auffassung des

Landgerich­ts Memmingen auf das Konto eines 42-Jährigen. Wegen versuchten Mordes und gefährlich­en Eingriffs in den Straßenver­kehr in zwei Fällen wurde der Mann am Donnerstag zu sechseinha­lb Jahren Haft verurteilt. Vater und Tochter im Wagen sei „durch einen glückliche­n Zufall“nichts passiert, sagte der Vorsitzend­e Richter Christian Liebhart. Der Angeklagte habe mit dem Wurf des Steins „mögliche tödliche Folgen billigend in Kauf genommen“.

Der 42-Jährige mit türkischer Staatsbürg­erschaft hatte die Tat ebenso bestritten wie zwei weitere ihm vorgeworfe­ne Würfe von Brücken in der Region. Vor Gericht ließ er im September durch seine Anwältin erklären, er „würde so etwas nie tun“. Steine auf fahrende Autos zu werfen halte er für „sinnlos“und „höchst verwerflic­h“.

Bei einer der drei ihm vorgeworfe­nen Taten hatten Ermittler aber seine DNA auf dem geworfenen Stein gefunden. Der Angeklagte hatte bei der Polizei und vor Gericht gleich mehrere widersprüc­hliche Erklärunge­n dafür geliefert: Mal hatte er damit ein Loch vor einem Haus geschlosse­n, dann das steinerne Hindernis aus dem Weg einer älteren Frau geräumt. Ein anderes Mal sagte er, er sei im Dunkeln darauf getreten und hätte den Stein danach auf die Seite geworfen. Das Gericht hielt diese Erklärungs­versuche nicht für plausibel. Richter Liebhart sagte, der Angeklagte habe mit dem Wurf des Steins seinen Frust ablassen wollen. Ihm habe die Kündigung seiner Wohnung bevorgesta­nden, er habe unter Geldnot gelitten, sich hilflos gefühlt. Dazu passe, dass der 42-Jährige im November wegen seiner Spielsucht und Geldmangel­s mit einer für seine Nachbarin bestimmten Kreditkart­e und dem zugehörige­n PIN-Brief insgesamt 1400 Euro abgehoben habe, sagte Liebhart. Der Angeklagte wurde am Donnerstag deshalb auch wegen Computerbe­trugs verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

In den anderen beiden SteinwurfF­ällen sah Liebhart im Gegensatz zur Staatsanwa­ltschaft keine ausreichen­den Beweise dafür, dass der 42-Jährige für die Taten verantwort­lich sein könnte. Man könne letztlich nicht ausschließ­en, dass es andere Täter gebe. Schließlic­h habe es nach der Festnahme des Mannes im Januar noch eine ähnliche Tat in der Region gegeben, sagte Liebhart.

Nach Angaben des Bayerische­n Landeskrim­inalamts sind es oft Kinder, Jugendlich­e oder Betrunkene, die Gegenständ­e auf Fahrzeuge fallen ließen. Dabei werde nicht unbedingt mit kriminelle­r Energie gehandelt, sagte eine Sprecherin der Behörde.

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