Gefährdete Basis der Demokratie
Diese Zahl muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: 4,5 Millionen Menschen, die über 14 Jahre alt sind, engagieren sich in Baden-Württemberg im Ehrenamt. Wird richtig großzügig, wohlwollend über den Daumen gerechnet, setzt sich also von den knapp elf Millionen Baden-Württembergern beinahe jeder zweite in Vereinen für die Natur, die Musik, die Nachbarn, die Alten, den Sport ein. Dazu kommen noch Feuerwehr, Rettungsdienste und vieles mehr. Bundesweit liegt der Südwesten damit vorne.
Das häufig in Sonntagsreden gehörte Schlagwort der Bürgergesellschaft ist hierzulande keine ferne oder gar abstrakte Theorie, sondern eine von vielen gelebte Realität. Das Land kann sich auf die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer verlassen. Das hat und musste es tun – etwa in der Flüchtlingskrise 2015 und auch jetzt im Zuge der Corona-Pandemie. Dabei sind die Folgen der Viruserkrankung für Vereine vielerorts ausgesprochen schwierig. Viele Angebote mussten eingestellt, Veranstaltungen abgesagt werden, Übungsleiter gingen und gehen verloren. Und finanziell sind die Auswirkungen für zahlreiche Gruppen, die sich trotz mancher Widrigkeiten für andere einsetzen, dramatisch.
Bund und Länder haben reagiert und Fördermittel bereitgestellt. Unbürokratisch soll denen geholfen werden, die anderen helfen. Leider gibt es trotz gut gemeinter Absichten einen gewissen Förderdschungel, der schwer zu durchdringen ist. Im Bundestagswahlkampf war viel vom Mindestlohn die Rede, der tatsächlich auch eine Frage des Respektes ist. Zwar ist die Ehrenamtspauschale in diesem Jahr auf 840 Euro im Jahr erhöht worden und auch für Übungsleiter wurde etwas getan, aber dennoch muss darüber nachgedacht werden, wie die Vereine in dieser schwierigen Zeit stabilisiert werden können. Mit anderen Worten: Wie kann den Einzelnen das Engagement erleichtert werden? Wie können Bürger für die Arbeit im Verein gewonnen werden? Neben persönlicher Wertschätzung wäre eine offizielle Anerkennung von beim Ehrenamt erlangten Zusatzqualifikationen ein Weg. Und das ganz unabhängig von einer höheren Ehrenamtspauschale.