„Bayern und Baden-Württemberg sollten sich am rollierenden System beteiligen“
- Kaum ein anderes Thema sorgt unter den 16 Bundesländern so regelmäßig für Streit wie die gemeinsame Planung der Sommerferien. Da pochen Bayern und Baden-Württemberg auf ihr Sonderrecht, die Ferien erst im Spätsommer beginnen zu lassen. Andere wehren sich gegen die Vorgabe, ihre Landeskinder schon Mitte Juni in den Urlaub zu schicken. „Pädagogisch nicht sinnvoll“, heißt es zur Begründung. Gemeint ist aber wohl auch: Zu dieser Jahreszeit ist es für Urlaub zum Beispiel an Nordund Ostsee noch viel zu kalt.
Jetzt ist es wieder so weit: Die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder soll festlegen, wie die Sommerferien der Jahre 2025 bis 2030 verteilt werden; die Festlegung der weiteren Ferien ist dagegen Sache der Länder. Und schon tobt wieder Streit – diesmal sogar so heftig, dass die KMK das für die Sitzung am kommenden Donnerstag eingeplante Thema auf Frühjahr 2022 verschieben musste. Doch die deutsche Reisewirtschaft drückt aufs Tempo. Von einer „Blockadehaltung“einiger Bundesländer spricht der Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), Norbert Fiebig. Ferienabsprachen seien keine „WünschDir-was-Veranstaltungen“.
Die Positionen der einzelnen Bundesländer scheinen unvereinbar. So begründen Bayern und BadenWürttemberg ihre Wünsche nach Ferien im Spätsommer zwar nicht mehr, wie früher, mit der Notwendigkeit, Schulkinder als Erntehelfer einzusetzen. Aber der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) verweist auf „die beliebten zweiwöchigen Pfingstferien“. Danach müsse „noch ausreichend Zeit sein für Unterricht, Prüfungen sowie Schul- und Unterrichtsprojekte“. Ministerpräsident Markus Söder (CSU), spricht in diesem Zusammenhang von „unserem Biorhythmus mit den Ferien“.
Die langen Pfingstferien spielen auch in Baden-Württemberg eine Rolle, wenn es um die Ansetzung der Sommerferien geht. Offiziell verweist ein Sprecher des Kultusministeriums aber nur auf die „Tradition“und auf die „Entzerrung der Urlaubsund Verkehrsströme“. Am rollierenden System, an dem sich die anderen 14 Bundesländer seit Jahren beteiligen, wollen die Süd-Länder weiterhin nicht teilhaben.
In den Stadtstaaten Berlin und Hamburg sieht man solche Vorrechte kritisch. Vor allem aber bemängelt
BERLIN - Norbert Kunz, Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbands (Foto: PR), ist dafür, dass die Bundesländer das bisherige System der Sommerferien-Planung beibehalten.
Sind Sie von dem Ritual der Sommerferienplanung der Länder genervt?
Nein, ich finde, dass sich das System bewährt hat. Wir haben mit den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz immerhin Planungssicherheit für jeweils sechs Jahre.
Hamburg und Berlin haben angekündigt, dass sie künftig nicht mehr schon im Juni in die Ferien starten wollen. Wie bewerten Sie das?
Ich glaube, das ist eher eine politische Diskussion, als dass es wirklich die Stimmung in den Familien widerspiegelt. Ich wünsche mir jedenfalls, dass die bisherige Regelung Bestand hat und dass es bei einer Entzerrung der Reiseströme bleibt.
Dass Bayern und Baden-Württemberg stets am Ende der Feriensaison liegen, ist das in Ordnung? Es wäre besser, wenn sie sich an dem rollierenden System beteiligen.
Sie haben gesagt, dass das deutsche Beherbergungsgewerbe pro wegfallendem Ferientag bis zu 120
Millionen Euro Einnahmen verliert. Woher nehmen Sie die Zahl? Es gibt Studien darüber, dass jeder Tag, der nicht als Reisetag genutzt werden kann, zu Einnahmeverlusten in der genannten Höhe führt. Grundlage sind Berechnungen der durchschnittlichen Ausgaben je Tag und Reisegast. Bei Hotelurlaubern wurden in der Studie, die schon etwas älter ist, 131 Euro veranschlagt, für Mieter einer Ferienwohnung 72 Euro und für Campingurlauber 45 Euro. Kosten zum Beispiel für Essen und Trinken sind in dem Wert enthalten.
In anderen Ländern gehen die Menschen annähernd gleichzeitig in Urlaub, in Frankreich zum Beispiel. Trauen Sie der deutschen Tourismuswirtschaft nicht zu, dass sie sich auf eine neue Situation einstellt, indem sie zum Beispiel ihre Kapazitäten erhöht? Übernachtungskapazitäten oder sogar Bettenburgen zu bauen, nur um eine gedrängte Nachfrage über sechs Wochen im Jahr aufzufangen, wäre weder nachhaltig noch betriebswirtschaftlich sinnvoll. Außerdem hätten dann viel mehr Menschen als jetzt denselben Anund Abreisetag.
Sie leben mit Ihrer Familie in Brandenburg. Ist es für Sie in Ordnung, häufig schon Mitte Juni in die Ferien zu starten?
Ja, es hat uns nie gestört, so früh in Urlaub zu fahren. Im Gegenteil, es war immer ganz entspannt.