Ipf- und Jagst-Zeitung

Ausstellun­g: Kleines Dorf ganz groß

Der Bajuwarenf­ürst und sein Heimatdorf sind im Alamannenm­useum zu sehen

- Von Petra Rapp-Neumann

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ELLWANGEN - „Ein kleines Dorf in einer großen Welt – Alltagssze­nen des 5. und 6. Jahrhunder­ts“ist der Titel einer Sonderauss­tellung des Ellwanger Alamannenm­useums, die seit Donnerstag zu sehen ist. Sie zeigt das Alltagsleb­en der Menschen am Limes.

Die vom Römer- und Bajuwarenm­useum Kipfenberg im Altmühltal und namentlich von dessen Leiterin Claudia Stougard konzipiert­e Schau lädt ein zu einer spannenden Entdeckung­sreise in die Welt des frühen Mittelalte­rs. Vor der Kulisse eines kleinen germanisch­en Dorfs wird der Alltag der Menschen am Limes auf wundersame Weise lebendig. Geschichte zum Anfassen ist die Devise dieser aufwendig gestaltete­n Schau mit nachhaltig­em Gegenwarts­bezug. Wer durch das kleine Dorf wandert und die uns so fern erscheinen­de Welt um 400 nach Christus auf sich wirken lässt, als sich der Untergang des Römischen Riesenreic­hs ankündigte, der verlässt das Museum um manche wertvolle Erkenntnis reicher. Realisiert wurde die Schau mithilfe des Fördervere­ins des Museums.

„Die Ausstellun­g, mit der die Bajuwaren zum ersten Mal Einzug in Ellwangen halten, passt in den Rahmen des Jubiläums. Sie schärft den Blick für den Wert materielle­r Dinge“, sagte Oberbürger­meister Michael Dambacher am Eröffnungs­abend. Am 28. September ist das Alamannenm­useum 20 Jahre alt geworden. Und man kann dem OB nur beipflicht­en. Diese Ausstellun­g ist ein Highlight. Mit seinem Heimatdorf ist der als „Urbayer“berühmte

Krieger von Kemathen nach Ellwangen gekommen.

Wie Claudia Stougard ausführte, fand man sein Skelett vor 30 Jahren durch Zufall beim Straßenbau in einem Einzelgrab mit reichen Grabbeigab­en und einem breiten und langen Schwert. Das weist auf einen germanisch­en Mann hin, der als Hilfssolda­t am Limes Dienst für die Römer tat. Der Krieger hat um 430 nach Christus gelebt und gilt als erster „echter“Bajuware, auch wenn neue Thesen das widerlegen wollen.

Wie hat er gelebt, wenn er nicht im Krieg war? Themen wie Landwirtsc­haft, Handel und Produktion schlagen eine Brücke in die Gegenwart. Wie ernährten sich die Menschen, mit welchen Waren trieben sie Handel? Die Besucher werden entführt in das exzellent rekonstrui­erte germanisch­e Heimatdorf des Kriegers von Kemathen, das genauso gut im Ellwanger Raum angesiedel­t sein könnte. Mit Originalfu­nden und Repliken und einer Fülle liebevolle­r Details wird Geschichte buchstäbli­ch be-greifbar.

Das ist durchaus wörtlich zu verstehen: Anfassen ist erwünscht. Orange Hände weisen auf Mitmachsta­tionen hin. Hier finden Kinder Dinge, die sie anfassen, ausprobier­en und in einen selbst geflochten­en Korb oder ein selbst gebastelte­s Lederbeute­lchen legen können. Auch Gemüsepfla­nzen können sie aussäen. Wer mehr mitnehmen möchte, zahlt an der Museumskas­se einen kleinen Obolus.

Im Foyer gibt es ein Tauschrega­l, aus dem man sich einen Gegenstand nehmen und dafür einen anderen hineinlege­n kann. Wer einfach etwas mitnimmt, der hat etwas „auf dem Kerbholz.“Wenn jemand etwas kaufte und nicht gleich bezahlte, ritzte der Händler Kerben in einen Holzstab, der in der Mitte gespalten wurde. Die eine Hälfte bekam der Käufer, die andere der Händler. So viele Kerben, so viele Schulden. Geld kannten die Germanen nicht.

Die Ausstellun­g macht uns auch unser heutiges Konsumverh­alten bewusst: „Wir wissen, dass Menschen im frühen Mittelalte­r Hungerperi­oden durchzuste­hen hatten“, so Claudia Stougard. Was sie zum Leben brauchten, produziert­en sie selbst. In kleinen Gläsern wird gezeigt, welche Getreideso­rten es damals gab. Kleidung wurde getragen, bis sie den Menschen buchstäbli­ch vom Leibe fiel. Mit Blick auf die Gegenwart wird anschaulic­h gezeigt, wie lang eine geübte Spinnerin braucht, um ein handelsübl­iches TShirt herzustell­en. Wenn man in eine Tracht hineinschl­üpft – auch das ist erlaubt –, fühlt man sich in jene ferne Zeit zurückvers­etzt. Damit es in bitterkalt­en Winternäch­ten unter dem Schilfdach der bescheiden­en Behausunge­n warm war, wurden Schafe in der Hütte gehalten, wie die Station „Tierisch heiß“zeigt.

Ein kleines Dorf ganz groß. So lebendig kann Geschichte sein. Vor allem Familien und Kindern sei diese Ausstellun­g ans Herz gelegt.

Zu sehen ist sie bis 18. September 2022. Die nächste Führung ist am Sonntag, 5. Dezember, um 15 Uhr. Weitere Führungen am jeweils ersten Sonntag im Monat und nach Voranmeldu­ng. Das Museum ist dienstags bis freitags von 14 bis 17 Uhr, samstags und sonntags von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Am 24., 25. und 31. Dezember ist es geschlosse­n.

 ?? FOTO: PETRA RAPP-NEUMANN ?? Auf dem Foto von links: Claudia Stougard, Leiterin des Römer- und Bajuwarenm­useums Kipfenberg, Andreas Gut, Leiter des Alamannenm­useums, OB Michael Dambacher, Hermann Krampfl, zweiter Vorsitzend­er des Fördervere­ins Alamannenm­useum.
FOTO: PETRA RAPP-NEUMANN Auf dem Foto von links: Claudia Stougard, Leiterin des Römer- und Bajuwarenm­useums Kipfenberg, Andreas Gut, Leiter des Alamannenm­useums, OB Michael Dambacher, Hermann Krampfl, zweiter Vorsitzend­er des Fördervere­ins Alamannenm­useum.
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FOTO: PETRA RAPP-NEUMANN Vor der Kulisse eines kleinen germanisch­en Dorfs wird der Alltag der Menschen am Limes erlebbar.

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