Ipf- und Jagst-Zeitung

Eine Frage der Wahrschein­lichkeit

Ex-Trainer Tayfun Korkut kehrt mit Hertha BSC nach Stuttgart zurück – Das Stadion bleibt nahezu leer

- Von Martin Deck

STUTTGART - An seinen letzten Auftritt in der Mercedes-Benz Arena hat Tayfun Korkut noch beste Erinnerung­en. In einem spektakulä­ren Spiel rang der VfB Stuttgart Werder Bremen mit 2:1 nieder, knapp 60 000 Zuschauer lagen sich voller Ekstase in den Armen. Am 29. September 2018 war das. Nur eine Woche später war die Euphorie bei den Fans, beim Verein und vor allem bei Korkut selbst dahin – nach einem desolaten 1:3 bei Hannover 96 trennte sich der VfB von seinem Trainer, der die Schwaben in der Vorsaison noch überrasche­nd in die Europa League geführt hatte.

Die Niederlage in Niedersach­sen war für den Korkut sein bislang letztes Spiel als Trainer überhaupt – am Sonntag (15.30 Uhr/DAZN) wird sich das ändern. Dann nämlich kehrt er als neuer Chefcoach von Hertha BSC in seine Heimatstad­t Stuttgart zurück. Das sei schon ein „Stück weit besonders“, sagt der 47-Jährige, der unter der Woche in Berlin die Nachfolge von Pal Dardai angetreten hat. „Ich bin dort geboren. Was viel wichtiger ist, ist aber die Begegnung VfB gegen Hertha. Die Mannschaft, die das Spiel gewinnt, wird einen kleinen Schritt in die richtige Richtung machen.“

Tatsächlic­h ist das Duell Landesgege­n Bundeshaup­tstadt für beide Clubs von immenser Bedeutung. Sowohl Hertha BSC als Tabellen-14. (14 Punkte), als auch der VfB Stuttgart als 15. (13) könnten sich mit einem Sieg ein wenig aus dem Tabellenke­ller befreien. Das weiß auch VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo, der seine Spieler nach dem befreiende­n 2:1-Sieg gegen Mainz in den vergangene­n Tagen extrem motiviert erlebt hat. Dass die

Berliner nun mit neuem Trainer an den Wasen kommen, hat die Vorbereitu­ng allerdings deutlich erschwert. „Nach einem Trainerwec­hsel ist es oft schwer einzuschät­zen, wie der Gegner auftreten wird“, sagt der US-Amerikaner. „Es ist eine Frage der Wahrschein­lichkeit.“Um diese möglichst genau berechnen zu können, hat sich der studierte Mathematik­er in den vergangene­n Tagen intensiv mit der Vergangenh­eit Korkuts beschäftig­t. Welchen Fußball ließ er bei seinen früheren Stationen in Hannover, Leverkusen und Stuttgart spielen? Wie hat er sich in der Öffentlich­keit präsentier­t? „Wir sind auf alles vorbereite­t“, versichert Matarazzo.

Damit meint er auch die ungewohnte Stille, die am Sonntag in der Mercedes-Benz Arena herrschen wird. Während in vielen Bundesländ­ern weiter bis zu 15 000 Zuschauer in den Fußballsta­dien erlaubt sind, hat die baden-württember­gische Landesregi­erung die Zahl aufgrund der angespannt­en Corona-Lage auf 750 gedeckelt. Das Stadion wird also nahezu leer bleiben. „Die Situation stellt uns ebenso wie den gesamten organisier­ten Sport vor fast unlösbare Herausford­erungen“, meint Stuttgarts Vorstandsv­orsitzende­r Thomas Hitzlsperg­er zu dieser Entscheidu­ng.

„Aber wir sind Sportler. Deshalb kämpfen wir weiter, sowohl auf dem Platz als auch darum, dass wir mit unseren bewährten Infektions­schutzkonz­epten unter 2G-Bedingunge­n baldmöglic­hst unsere Fans zurück ins Stadion bekommen.“

Auch Matarazzo gibt sich zerknirsch­t, nach außen hin aber profession­ell. „Ich glaube, ich muss nicht jede Entscheidu­ng nachvollzi­ehen können. Es ist nicht wichtig, dass ich jede Entscheidu­ng verstehe“, meint der Trainer, gibt aber zu, dass die strengen Auflagen im Südwesten seine Mannschaft schwächen könnten. „Der zwölfte Mann hat uns Energie verliehen und Kraft gegeben in den letzten Heimspiele­n.“Anderersei­ts hat der VfB vor einem Jahr, als ebenfalls keine Zuschauer zugelassen waren, seinen besten Fußball gespielt. „Wir haben gezeigt, das wir auch ohne Fans die Emotionali­tät reinbekomm­en. Das wollen wir am Sonntag wieder schaffen.“

Für sein Gegenüber sind Geisterspi­ele hingegen eine ganz neue Erfahrung. „Ich kenne das nicht. Bei meiner letzten Tätigkeit waren Zuschaueri­nnen und Zuschauer noch zugelassen“, sagt Korkut, der sich noch gut an den Stuttgarte­r Jubel nach Schlusspfi­ff im September 2018 erinnert.

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FOTO: IMAGO IMAGES Kommt mit Hertha BSC in seine Geburtssta­dt Stuttgart: Ex-VfB-Trainer Tayfun Korkut.

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